Katharina Dürr tritt zurück:Es ist gut jetzt

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Im Weltcup nie so recht glücklich geworden: Katharina Dürr hat ihre Karriere nach diversen Komplikationen beendet. (Foto: Imago)

Katharina Dürr aus Germering galt einst als Hoffnungsträgerin im deutschen Slalomteam. Probleme mit Verletzungen und ein Disput mit dem DSV führten zu ihrem frühen Karriereende. Jetzt hat sie ihr Studium abgeschlossen und ist mit sich und der Vergangenheit im Reinen.

Von Korbinian Eisenberger, Germering

Es war fast wie früher. Katharina Dürr katapultierte sich aus dem Starthäuschen und carvte durch die Slalomstangen. So wie die anderen, mit denen sie früher beim Deutschen Skiverband (DSV) trainierte und Punkte in Weltcuprennen sammelte. Und dennoch war bei diesen deutschen Meisterschaften der Alpinen, bei dem sie Ende März sogar den Titel mit der Mannschaft gewann, etwas anders: Dürr, die alle nur Kathi rufen, trug nicht mehr den markanten Zebra-Anzug der Nationalmannschaft. Sie wird ihn nie mehr tragen. Diese Zeiten sind vorbei, endgültig.

Fünf Jahre sind mittlerweile vergangen seit dem Moment, an dem bei Kathi Dürr alles kippte. Als es auf einmal nicht mehr die Freude am Sport war, die sie früh morgens die Skier anschnallen ließ, sondern der Druck, es diesmal besser machen zu müssen. Die Germeringerin erinnert sich genau, als sie bei den olympischen Spielen von Vancouver plötzlich bemerkte, dass ihre Hand fast aufs Doppelte angeschwollen war. Im Flugzeug. Warum, weiß sie bis heute nicht. Der olympische Slalom, der Höhepunkt ihrer bisherigen Laufbahn, war plötzlich in Gefahr. Es war der Februar 2010, und für Dürrs Ski-Karriere der Anfang vom Ende.

Mit Slalomstangen und Teamkolleginnen muss sich die 25-Jährige heute nicht mehr herumärgern. Ein Jahr ist vergangen, seit die Alpinfahrerin ihre Karriere beendete und sich voll und ganz ihrem Studium widmete. Ihre Schwester Lena vertritt die Dürr-Familie noch im Europa- und Weltcup. Kathi Dürr ist raus. Wenn sie wie im vergangenen Winter zu Hause in Germering an ihrer Bachelor-Arbeit sitzt, dann ist die aktive Zeit weit weg. "Es ist viel passiert", sagt sie jetzt, "und in den letzten Jahren war es brutal hart." Nicht alle Erinnerungen an ihre Profizeit sind von schöner Art, vor allem jene an das Ende, das alles andere als harmonisch verlaufen war.

Dürrs Geschichte ist die einer jener talentierten Skifahrerinnen, die es scheinbar geschafft haben. "Am Anfang ging alles ganz schnell", sagt sie. 2007 war sie in mehreren Fis- und Europacup-Rennen furios gefahren, der Bundestrainer nominierte sie für ihr erstes Weltcuprennen. Dürr, damals 17, erreichte den zweiten Durchgang und belegte am Ende Rang 26. Eine Woche später verpasste sie als Elfte knapp ihr erstes Top-Ten-Resultat. Der Name Dürr tauchte nun in den Zeitungen auf, eine junge Germeringerin fuhr plötzlich immer häufiger im Weltcup. Ausfälle, Rückschläge, "klar", sagt Dürr, "das gehört bei jedem dazu". In einem Punkt unterschied sich Dürr jedoch schon damals von ihren Kolleginnen: Sie beschränkte sich früh auf eine der vier Disziplinen: den Slalom. Die Ergebnisse stimmten, alles war gut. Noch.

Im Winter 2009/10 lief es richtig rosig. Gleich im ersten Slalom der Saison carvte Dürr im finnischen Levi auf Rang sieben. Es war nicht nur ihr bestes Weltcup-Ergebnis, Dürr schaffte damit auf Anhieb die interne DSV-Norm für die Olympischen Spiele. "Das hat mir einen richtigen Push gegeben", sagt sie heute. Kathi Dürr, damals 20, sollte also bei Olympia starten. Dachten Freunde und Familie. Dachte sie.

Doch sie war nicht die einzige Deutsche, die in diesem Winter die DSV-Olympia-Norm erfüllt hatte. Maria und Susanne Riesch, Fanny Chmelar und Christina Geiger hatten die interne Hürde ebenfalls gemeistert. Fünf Starterinnen - aber nur vier Plätze im DSV -Team. Medaillenfavoritin Maria Riesch war gesetzt, und so musste nach der Ankunft in Vancouver ein Ausscheidungsrennen entscheiden.

Und dann, kurz vor dem Start, bemerkte Dürr den Schmerz in ihrer Hand. Die Ärzte legten ihr einen Gips an, Dürr fuhr trotzdem und verlor um ein Zehntel. Sie war damit Olympia-Touristin. "Den Gips hätte es nicht gebraucht", sagt sie heute, das habe sich später herausgestellt. "Bei so einer Entscheidung muss man sich als Trainer der medizinischen Anordnung beugen", sagt hingegen DSV-Sportdirektor Wolfgang Maier. Olympia war vorbei, die Hand wieder gesund, doch plötzlich zwickte es woanders. "Auf einmal haben die Hüftprobleme angefangen", erinnert sich Dürr. Dennoch fährt Dürr die beste Saison ihrer Karriere, wird deutsche Meisterin in der Super-Kombi. Im Weltcup fährt sie fünfmal unter die schnellsten 13. Von den Hüftschmerzen, sagt Maier, habe der DSV erst später erfahren.

In der Saison 2011/12 wird Dürr zusammen mit zwei Teamkolleginnen ins zweite Glied zurückgestuft. Er habe das Weltcup-Team strukturell verkleinern wollen, sagt Maier: "Es war keine Degradierung." Dürr habe nicht zu jenen Top-Fahrerinnen gezählt, auf die der DSV im Weltcup setzen wollte. Eine Erklärung, mit der Dürr schon damals ihre Probleme hatte. "Ich fand das Wahnsinn", sagt sie. Es sei von vornherein ungewöhnlich gewesen, dass eine Athletin nur Slalom fahre, hält Maier dagegen, "sie fuhr damit nur neun Weltcup-Rennen im Jahr". In der Regel versuche der DSV, Athleten für mindestens zwei Disziplinen auszubilden, um in einen "besseren Wettkampfrhythmus" zu kommen.

Die Hüftprobleme wurden immer schlimmer, "ich war ein psychischer Vollkasper", sagt Dürr, die zunehmend auch Probleme mit ihren Teamkolleginnen beim DSV bekam. "Du bist zwar das ganze Jahr als Team unterwegs, doch eigentlich sind alle Einzelkämpfer", sagt sie. "Die Mädels sind bis zu 200 Tage im Jahr zusammen unterwegs", sagt Maier. "Das ist nicht immer ganz leicht." Dürr fiel es immer schwerer. Der DSV beschloss dann vor der Saison 2012/13, Dürr ab sofort auf eigene Faust trainieren zu lassen. Für sie selbst, sagt Dürr, kam es eher einem Rausschmiss gleich. Während die früheren Teamkolleginnen sich im Sommer 2012 in Neuseeland auf den Winter vorbereiteten, trainierte Dürr mit ihrem Vater in Hintertux. Der Hüftschmerz ging, auch die Erfolge blieben aus. Dürr kämpfte bis zum Ende des Winters 2014, dann gab sie auf und verkündete am 26. April 2014 ihr Karriereende - im Alter von 24 Jahren.

Jetzt, fast ein Jahr später, bei der DM, hat sie ihre alten Kollegen wieder getroffen. "Es ist gut jetzt, ich will keinen Streit mehr", sagt Dürr, die im Dezember nach zehn Semestern ihren Bachelor in Sportwissenschaften abgeschlossen hat. Heute arbeitet sie beim Zoll, und am Wochenende als Skilehrerin. Jetzt, im Teamwettbewerb der DM mitsamt dem Titelgewinn, konnte sie über den großen Rückstand im Einzel-Slalom, lachen. Drei Sekunden. Ohne Training, aber im eigenen Rennanzug.

© SZ vom 18.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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