Volleyball in Herrsching:Bühne ohne Kasperl

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"Einer, der pfeift und singt, trommelt und lacht", das ist Sebastian Prüsener. (Foto: Georgine Treybal)

In seiner zweiten Bundesliga-Saison muss der TSV seinen Libero Sebastian Prüsener ersetzen - einen sehr speziellen Eckpfeiler des Aufstiegs.

Von Sebastian Winter, Herrsching

Um Herrschings Volleyballer ist es recht still geworden in den vergangenen Wochen, viel Neues hatte der Erstligist nicht zu verkünden seit seinem Scheitern in den Pre-Playoffs am 7. März. Gut, die Spieler haben im Kloster Andechs die durchaus erfolgreiche Spielzeit des Aufsteigers begossen, es gab außerdem eine kleine Party in der heimischen Nikolaushalle. Ihr Trainer Max Hauser betätigt sich außerdem nebenbei als Online-Ratgeber und bringt Interessierten in Videos das Einmaleins des Beachvolleyballs bei. Für die Planung der kommenden Saison gibt es nun aber wieder relevante Neuigkeiten - und diese sind nicht unbedingt im Sinne Herrschings. Denn ausgerechnet ihr Libero Sebastian Prüsener, der wichtigste Annahme- und Abwehrspieler des TSV, steht dem Klub vom Ammersee nicht mehr zur Verfügung. "Prüsi hört wahrscheinlich auf und wird uns nur noch helfen, wenn wir Not am Mann haben", sagte Herrschings Manager Fritz Frömming am Dienstag der SZ.

Berufliche Gründe haben Prüsener, der im Mai 33 Jahre alt wird, offenbar zu diesem Schritt bewogen. Der gebürtige Münchner arbeitet seit März bei einer Firma, die High-Tech-Fitnessgeräte verkauft und ihren Sitz in der Nähe des Chiemsees hat. Prüsener ist viel unterwegs, zum Training musste er knapp 150 Kilometer fahren, einfache Strecke. "Wir hätten ihn sehr gerne gehalten. Es ging überhaupt nicht um die Finanzen, sondern nur um seinen Job und seine Zukunft, was ich absolut nachvollziehen kann", sagt Frömming.

Manchmal weinte Sebastian Prüsener (im Trikot des TSV Herrsching) auch, wie 2013 nach Hachings verlorenem Playoff-Finale. (Foto: dpa)

Ein Trainingsweltmeister war Prüsener nie, zweimal pro Woche hat er mit seinen Kollegen geübt. "So einen Deal würde ich sonst mit keinem Spieler machen", erzählt TSV-Trainer Max Hauser. Bei Prüsener macht er ihn, weil er seine Leistung trotzdem bringt. Er dürfte für die Herrschinger nur sehr schwer zu ersetzen sein, denn er war nicht nur der bei weitem beste Annahmespieler des TSV, sondern auch einer, der Sicherheit ausstrahlte - und zugleich sehr emotionsgeladen auftrat. So mitreißend er jubelte, so schmerzverzerrt war sein Gesicht oft in der Niederlage, wie im Frühjahr 2013, als Prüsener mit Generali Haching um Haaresbreite den Meistertitel an Berlin verlor. Der Mann, der aus seiner achtjährigen Profizeit in der Hauptstadt die Berliner Schnauze mit nach Bayern gebracht hat, verließ Haching und wurde dann zu einem der Eckpfeiler des Herrschinger Erstliga-Aufstiegs - nicht als diplomatischer Kapitän, das war nie seine Sache, sondern auf seine Art. "Er ist ein absolut charismatischer Typ, den niemand in ein Korsett stecken kann", sagt Hauser: "Und ein sehr gut gelaunter Mensch, der pfeift und singt, trommelt und lacht. Ein Kasperl, im positivsten Sinne. Die Mannschaft, der Trainer, die Fans haben ihn geliebt."

Angeeckt hat Prüsener mit seiner Art aber auch. Es gibt jene Geschichte aus dem Jahr 2003, als der damalige Bundestrainer Stelian Moculescu Prüseners Baggertechnik verändern wollte, was dieser letztlich ablehnte. Auch deswegen hat der 1,96-Meter-Mann nur 23 Mal das Trikot der deutschen Nationalmannschaft getragen. Übrigens zwang erst eine schwere Fußverletzung, die er sich vor sieben Jahren zugezogen hat, Prüsener auf die Liberoposition. Dorthin, wo er unter Moculescu nie spielen wollte. Auch das Verhältnis zum einstigen Hachinger Trainer Mihai Paduretu galt am Ende als schwierig. Zugleich hat Prüsener fast alles erreicht in seiner Karriere. 2004 wurde er mit dem SCC Berlin deutscher Meister, 2013, fast zehn Jahre später, Pokalsieger mit Haching. Er spielte in der Weltliga und bei der WM 2010 in Italien, als Beachvolleyballer wurde er DM-Vierter. "Jetzt muss ich auch mal den Absprung schaffen", sagt Prüsener, der eine Sache immer gehasst hat neben dem vielen Training: weite Auswärtsfahrten. Sie muss er nun nicht mehr erdulden, lässt sich aber zugleich ein Hintertürchen offen. "Er möchte uns bei den Heimspielen helfen", sagt Hauser, der aber auch Alternativen sucht. An zwei deutschen Liberos ist Herrsching momentan dran. Für die Kaderplanung hängt viel von diesem Donnerstag ab, wenn sich Klub und Sponsoren über die Finanzen unterhalten. Ein Etat von 450 000 Euro schwebt dem TSV für die kommende Saison vor, das wären rund 50 Prozent mehr als in diesem Jahr. Generell möchte Hauser "weg von dem Image, dass wir alles aus der Not heraus machen", nächste Spielzeit möchte er sein Team acht- bis neunmal pro Woche trainieren. Das wäre nun wirklich nicht Sebastian Prüseners Ding.

© SZ vom 15.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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