TSV 1860 II:Ausgerechnet Bayern

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Da wäre das Tor gestanden: Auch die Einwechslung des jungen Ugur Türk bringt kaum Besserung. (Foto: imago/MIS)

Der Tabellenletzte Hof bringt den Löwen die erste Niederlage 2017 bei und entscheidet damit das Rennen um die Meisterschaft.

Von Gerhard Fischer, München

In der zweiten Minute fliegt ein Eckball der Löwen in den Hofer Strafraum, Arthur Odenbach köpfelt wuchtig aufs Tor - und Andreas Knoll rettet auf der Linie. Es ist nicht nur ein furioser, sondern auch ein kurioser Auftakt der Partie zwischen dem TSV 1860 II und Bayern Hof; denn Odenbach spielt nicht bei Sechzig, sondern bei Hof.

Vermutlich dachten viele der 547 Zuschauer im Grünwalder Stadion in diesem Moment das Gleiche: Die Hofer können nix, die hauen sich die Bälle fast selber rein, und dieser ungelenke Odenbach sieht nicht unbedingt aus wie ein Regionalliga-Spieler. Das wird also ein leichtes Spiel für die Löwen, die heuer noch ungeschlagen sind. Zumal Hof, das nicht bloß in Bayern, sondern auch in der Regionalliga Bayern eine Randlage einnimmt, 2017 noch keinen Punkt ergattern konnte, nicht einen einzigen, nicht einen lausigen. Da spielte also nicht Goliath gegen David, das war noch krasser - das war, sagen wir, wie Ronaldos Real Madrid gegen die E-Jugend des SV Gartenstadt Trudering.

Die Sechziger büßen für ihre schlampige Spielauffassung

So etwas Ähnliches müssen zumindest die Löwen-Spieler gedacht haben; ansonsten wäre kaum möglich gewesen, wie sehr sie die Hofer unterschätzten - und verdient 0:2 verloren.

In der ersten Hälfte kickten die Löwen ungewöhnlich unentschlossen. Trainer Daniel Bierofka nannte es später "lätschert", wie seine Mannschaft in das Spiel reingekommen sei. Anfangs verdankten sie es ihrem Torwart, dem schön fliegenden Marco Hiller, dass die Hofer Schüsse von Strößner (6. Minute) und Holek (10.) ihr Ziel nicht fanden. Aber in der elften Minute büßten die Sechziger für ihre schlampige Spielauffassung: Martin Holek köpfelte den Ball nach einer Ecke ins Löwen-Tor.

Bierofka stellte hernach fest, dass er in seiner U 21 keine routinierten Spieler habe; und dass seine Mannschaft ohne den helfenden Eingriff eines Erfahrenen keine Korrektur der laxen Spielweise hinbekam. Wenig überraschend gelang Holek daher das zweite Tor - der lange Tscheche, der mit dem später eingewechselten Kane ein auffälliges, insgesamt fast fünf Meter großes Sturm-Duo bildete, köpfelte aus kurzer Distanz ins Münchner Tor (37.). Diesmal waren sich zwei Verteidiger und Torhüter Hiller nicht einig - einer von ihnen hatte "Leo" gerufen, den codierten Ich-hab-den-Ball-Ruf, aber hingegangen war dann keiner, außer eben Holek. Die Entstehungsgeschichte des 0:2 war eine perfekte Kurzfassung der Löwen-Leistung vor der Pause: Probleme sind dazu da, dass man sie sich schafft.

Trainer Bierofka versuchte in der Pause zu korrigieren: Einmal die Aufstellung, indem er die beiden Angreifer Mohamad Awata und Ugur Türk für den defensiven György Hursan und den offensiven Nicholas Helmbrecht ins Rennen schickte. Und zum Zweiten die Einstellung. Auf die Frage, ob er in der Halbzeit laut geworden sei, um seine Jungs aufzuwecken, sagte Bierofka: "Teilweise schon - da ist es aus mir herausgebrochen."

Tatsächlich kamen neue Löwen aus der Kabine, spritzige statt lässige. In der entscheidenden Situation der zweiten Halbzeit fehlte ihnen aber - ja, was eigentlich? Konzentration? Glück? Geschick? Binnen zehn Sekunden scheiterten Türk (gleich zweimal) und Awata (einmal) an Keeper Lukas Krbecec (62.). "Hätten wir da getroffen, wäre vielleicht noch etwas möglich gewesen", sagte Bierofka. Umgekehrt meinte Hofs Trainer Miloslav Janovsky eingedenk einer weiteren, schusselig vergebenen Chance von Menelik Ngu'Ewodo kurz vor Schluss: "Die Löwen hätten heute 180 Minuten spielen können und hätten wohl kein Tor erzielt."

Was bleibt nach diesem Spiel? Bayern Hof jubelte, aber die Gesamtsituation ist für die Oberfranken unbefriedigend (der Abstieg steht fest), für die Löwen aber prima: Sie bleiben Zweiter und wollen, so Bierofka, die Saison "jetzt gut zu Ende spielen", indem sie sich wieder auf das besinnen, was man gerne als die höchste Tugend aller Löwen seit dem Jahr 1860 bezeichnet: den Kampfgeist.

© SZ vom 24.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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