Trabrennbahn Daglfing:Alte Gräben und neue Angebote

Lesezeit: 3 min

Vergleich mit dem Käufer oder zweite Instanz? Der Streit um das Vereinsgelände geht weiter

Von Andreas Liebmann, München

Der seit Jahren andauernde Rechtsstreit zwischen dem Münchner Trabrenn- und Zuchtverein (MTZV) und dem niederbayerischen Unternehmer Günther Karl könnte rasant auf die Zielgerade einbiegen. Wohlgemerkt: Könnte!

Am Donnerstagabend hat der Vorstand den Mitgliedern in einer außerordentlichen Sitzung Eckpunkte für einen möglichen Vergleich mit Günther Karl vorgestellt. Dem hatte der MTZV vor zehn Jahren sein Rennbahn-Grundstück in Daglfing verkauft, den Vertrag anschließend aber juristisch angefochten. Nach der Niederlage in erster Instanz gelten die Sympathien der Vorsitzenden Angelika Gramüller nun erkennbar einer außergerichtlichen Einigung mit dem Käufer, von dem sich die Mehrzahl der Mitglieder beim Kauf allerdings übers Ohr gehauen fühlte. Zumindest am Donnerstag wollten die Anwesenden Gramüllers Kurs nicht folgen.

Statt, wie die Präsidentin gehofft hatte, Verhandlungen mit Karl zu befürworten, erfragten die Mitglieder vor allem die Erfolgschancen einer Berufung. Zurzeit lassen die Parteien das Verfahren ruhen. Dazu gab es neue Optionen: Rechtsanwalt Frederik Foitzik regte an, einen Prozessfinanzierer ins Boot zu holen, der den Weg durch die Instanzen auf eigenes Risiko bezahlt, um später am Erlös beteiligt zu sein. Es gebe Interessenten. Und der ehemalige Präsident Peter Schrägle führte einen Investor ins Feld, der das 20 Hektar große Gelände kaufen und entwickeln wolle und sowohl den Rechtsstreit als auch eine neue Bahn finanzieren würde. Er sprach von einer Kaufsumme von 65 Millionen Euro plus x, basierend auf Daten, die die Stadt vor Jahren erhoben habe. Im Münchner Nordosten, wo auch die Rennbahnen liegen, wird ein Neubaugebiet geplant.

Einige Zahlen und Personalien verdeutlichten, wie prekär es um den verschuldeten MTZV steht. Otto Stumpf, der den Rechtsstreit nebst laufendem Betrieb jahrelang als Mäzen finanzierte, hat sich zurückgezogen und sein millionenschweres Darlehen gegenüber dem Verein veräußert - an Günther Karl. Geschäftsführer Frederik Liebhardt, der die Ausgaben des MTZV erheblich gesenkt hatte, wurde im Sommer entlassen, "weil wir ihn uns nicht mehr leisten konnten", so Gramüller. "Wir mussten die Geschäfte alleine führen." Und bereits fertige Strafanzeigen gegen Karl und den Ex-Präsidenten Max Stadler, denen unterstellt wird, das Kaufgeschäft gemeinschaftlich zum Schaden des Vereins vorangetrieben zu haben, seien nicht eingereicht worden, um, so Gramüller, Kosten von 450 Euro zu sparen.

Irritierend wirkte Gramüllers Verhältnis zu Vorgänger Peter Schrägle, der im Sommer nicht mehr zur Wahl angetreten war - offiziell aus familiären Gründen, tatsächlich aber auf Drängen des damaligen Mäzens Stumpf. "Ich muss mal eine Lanze brechen", sagte Gramüller: "Ohne Peter Schrägle wären wir gar nicht mehr in der Position, etwas verhandeln zu können." Dabei hatte der Vorstand nach seiner Wahl versucht, Schrägle aus dem Verein auszuschließen. Dieser sei "heute noch Mitglied, weil wir einen Verfahrensfehler gemacht haben", sagte Gramüller. Sie nannte das Angebot des Investors "unseriös", Schrägle hält Karls Vergleichsangebot für "sittenwidrig", weil zu niedrig. Der Unternehmer soll in einem Vorgespräch angeboten haben, dem MTZV zusätzlich zum damaligen Kaufpreis von 11,5 Millionen Euro sieben pachtfreie Jahre mit finanzieller Unterstützung in Daglfing und den Erlass aller Schulden zuzusichern sowie ein Renngeläuf auf einem vom MTZV frei wählbaren Grundstück zu bauen. Bislang hatte sich Karl zum Bau einer Ersatzrennbahn in Maisach für 4,5 Millionen Euro als Teil des Kaufgeschäfts verpflichtet, wo er jedoch auch mehr als zehn Jahre nach Vertragsabschluss noch nicht gebaut hat. "Herr Karl ist nicht unser Feind", betonte Gramüller, "er ist uns wohlgesonnen."

Gramüller sieht sowohl im Fall einer gewonnenen als auch einer verlorenen Klage Insolvenzgefahr. Im ersten Fall müssten 22 Millionen Euro an Karls Firma Intech zurückerstattet werden (außer es gelänge der Nachweis der Sittenwidrigkeit), im zweiten wäre das Vereinsgelände endgültig verloren; es bliebe die Ersatzbahn in Maisach, wo ein wirtschaftlicher Betrieb unmöglich sei. "Wir müssen aufhören zu streiten", forderte sie. Allein der laufende Betrieb koste 300 000 Euro pro Jahr: "Wer finanziert das?" Schrägle fragt, mit welchem Geld der Verein denn umziehen solle, falls er den Vergleich annehme.

Michael Nienerza, Anwalt für Insolvenzrecht, riet von einer strategischen Insolvenz ab. Diese würde den Fortbestand des Vereins und dessen Totalisator-Erlaubnis gefährden. "Damit wäre das Wettgeschäft beendet." Prozessanwalt Foitzik indes versicherte, die Chancen für die Berufung hätten sich "dramatisch verbessert". Die Zulassung zur mündlichen Verhandlung sei ein gutes Zeichen. Man könne inzwischen beweisen, dass Karl in Maisach fristgerecht hätte bauen können; und dass er die Flächen in Maisach doch unter Grünlandpreis erworben habe, was dieser bestreitet. Dann müsste eine Bahn dort laut Vertrag Vereinseigentum werden. Ansonsten wäre der MTZV in Maisach zur Erbpacht.

Die Mitglieder entschieden, sich bis Januar zu vertagen. Bis dahin sollten alle Optionen detailliert geprüft werden.

© SZ vom 05.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: