Torrekord in der DEL:Der Hilfsbäcker aus Alberta

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Uiuiui: Jason Jaffray (rechts, mit Uli Maurer) hat in der DEL in jedem der ersten acht Spiele für den EHC getroffen - Rekord. (Foto: Imago)

In der DEL steht der EHC München nach drei Siegen in Serie mittlerweile auf Rang vier - nicht zuletzt dank Rekordschütze Jason Jaffray. Auch im Rückspiel gegen Rauma setzt der Klub auf die Tore des Kanadiers, der in der Champions League aber noch nie getroffen hat

Von Johannes Schnitzler, München

Das Online-Lexikon Wikipedia - und wer wüsste es besser - erklärt das Wort "Flow" so: "Flow (englisch ,Fließen, Rinnen, Strömen') bezeichnet das als beglückend erlebte Gefühl eines mentalen Zustandes völliger Vertiefung (Konzentration) und restlosen Aufgehens in einer Tätigkeit (Absorption), die wie von selbst vor sich geht - auf Deutsch in etwa Schaffens- bzw. Tätigkeitsrausch oder auch Funktionslust." Im Bairischen gibt es dafür ein griffiges Beispiel: "Wia 's Breznbacken" geht etwas, wenn es wie von selbst von der Hand geht (wobei genau genommen die typische Formung des Rohlings vor dem Backen gemeint ist). Der Münchner Fußballstürmer Robert Lewandowski etwa ging seiner Profession zuletzt mit derart großer Schaffens- bzw. Funktionslust nach, dass er sich in einen Rausch spielte. Lewandowski hat einen Lauf. Er ist, wie man auf Neudeutsch sagt, im Flow.

Ob Jason Jaffray etwas vom Brezenbacken versteht, darf angesichts seiner Herkunft bezweifelt werden. Die kanadische Provinz Alberta gilt gemeinhin nicht als führend in der Herstellung von Laugengebäck. Aber Tore schießt der Eishockeystürmer Jaffray wie der Fußballer Lewandowski, acht Stück in den ersten acht Saisonspielen der Deutschen Eishockey Liga (DEL), dass es nur so flutscht. Am Freitag beim 3:2-Sieg des EHC München gegen Iserlohn knackte der 34-Jährige den 21 Jahre alten DEL-Rekord des Tschechen Robert Reichel, der in sechs aufeinander folgenden Spielen traf. Am Sonntag beim Münchner 3:2-Erfolg in Krefeld baute Jaffray seine neue Bestmarke gleich aus. Den Rekord, sagte Zugang Jaffray, finde er "sehr cool". Denn das 3:2 gegen Iserlohn war ja nicht irgendein Mario-Götze-Tor. "Es war kein 7:1, sondern ein wichtiges Tor", sagte Jaffray, der Siegtreffer nämlich. Ähnlich wie Saisontor Nummer acht am Sonntag zum 2:1-Zwischenstand. Das Gefühl völliger Vertiefung und restlosen Aufgehens im Toreschießen beglückt indes nicht nur Jaffray. "Das ist natürlich ein großartiger Start für ihn", sagt EHC-Cheftrainer Don Jackson. "Aber es ist auch eine große Hilfe für uns."

Mit dem vierten Saisonsieg, dem dritten nacheinander, ist der EHC auf Platz vier der DEL-Tabelle vorgerückt. Jaffray selbst ist seine Serie fast ein bisschen unheimlich: "Ich war zwar immer ein Spieler, dessen Aufgabe es war, Tore zu machen. Aber acht Treffer und nicht ein einziger Assist, das ist schon wirklich sehr untypisch für mich." Denn eigentlich sieht sich der Kanadier eher als Vorbereiter. Noch untypischer ist seine Bilanz in der Champions League: fünf Spiele, null Tore, vier Vorlagen. Und nun kommt Lukko Rauma in der Runde der letzten 32.

Das Hinspiel vor zwei Wochen verlor der EHC bei dem finnischen Spitzenklub 3:5 - ohne die späten Treffer von Daniel Sparre (59.) und Florian Kettemer (60.) hätte er wohl schon vor dem Rückspiel an diesem Dienstag (19.30 Uhr, Olympia-Eishalle) keine Chance mehr auf den Einzug ins Achtelfinale. "Die späten Tore waren gut für unser Selbstvertrauen", sagt Jaffray. Bei seinem finnischen Teamkollegen Toni Söderholm, seit dieser Saison in München unter Vertrag, klingt das so: "Lukko schießt viele Tore. Also müssen wir sehr gut organisiert sein. Aber wenn wir Druck machen, haben wir alle Chancen der Welt." Kapitän Michael Wolf sagt: "Wir werden es ihnen so hart wie möglich machen." Und auch Stürmer Uli Maurer gibt sich zuversichtlich: "Das wird keine leichte Aufgabe, aber ich glaube, wir können das schaffen. Sonst bräuchten wir gar nicht anzutreten." Mindestens zwei Tore Vorsprung braucht der EHC zum Weiterkommen. Don Jackson sagt: "Wir müssen heiß sein auf dieses Spiel." Jaffray glaubt fest daran: "Das wird ein anderes Spiel. Wir werden sehen, was passiert."

Der Ortsname Rauma übrigens leitet sich vom altnordischen strauma ab und bedeutet so viel wie: Fluss. Was gegen Rauma passiert, wird nicht zuletzt davon abhängen, ob Jason Jaffray auch in der Champions League in einen Flow kommt.

© SZ vom 06.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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