Tischtennis:Lees Rückkehr

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Fürstenfeldbrucks Taiwanese zeigt beim Remis gegen Dortmund ansteigende Form

Von Matthias Schmid, Fürstenfeldbruck

Lee Chia-Sheng saß auf der Holzbank und hatte die Socke von seinem rechten Fuß gezogen. Ihn plagte eine Blase, das Pflaster, das ihm ein Junge extra brachte, verunsicherte ihn. Der Taiwanese des Tischtennis-Zweitligisten TuS Fürstenfeldbruck wusste nicht so recht, was er damit anfangen sollte. Er drückte das Pflaster auf die Haut, dann wieder weg, wieder ran, wieder weg. So ging das am Sonntagnachmittag eine ganze Weile.

Die fehlende Entschlossenheit prägt gerade sein Leben - nicht nur dann, wenn es darum geht, eine kleine Wunde adäquat zu verarzten. In der Hinrunde war er noch der erfolgreichste Spieler der Brucker gewesen, zwölf seiner 14 Einzelpartien gewann der 19-Jährige. Doch seit er aus dem Camp der taiwanesischen Nationalmannschaft zurückgekehrt ist, hadert er mit seinem Spiel, sucht seine Form. Am Sonntag im Heimspiel gegen Borussia Dortmund verlor er sein nächstes Einzel gegen Ewgeni Fadeew. In der Rückrunde war das bereits seine fünfte Niederlage im sechsten Spiel. "Das tut uns weh", sagt Abteilungsleiter Rudi Lutzenberger.

Dass er sich am Ende trotzdem über ein 5:5 gegen Borussia Dortmund freuen durfte, lag daran, dass Filip Cipin das letzte Einzel zu seinen Gunsten entscheiden konnte. Der Kroate gewann gegen Qi Wencheng im vierten Satz mit 11:6 und schwang sich damit wie schon vor einer Woche in Weinheim (5:5) zum verlässlichen Punktelieferanten auf. "Es hat bei ihm länger gedauert, als wir gedacht haben", sagte Brucks Trainer Andras Podpinka, "aber Filip spielt in diesen Momenten jetzt immer besser und mit der nötigen Ruhe."

Das Unentschieden gegen den Tabellendritten überraschte auch Lutzenberger. "Wir müssen schon am Limit spielen, um gegen die Dortmunder eine Chance zu haben", unkte Lutzenberger noch nach einem 2:4-Zwischenstand. Dortmund verfügt über eine sehr ausgeglichene Mannschaft, alle Akteure weisen positive Bilanzen in dieser Saison auf. Interessantester Spieler ist dabei ihr Spitzenmann Erik Bottroff. Bottroff ist jemand, der den Zuschauern sofort auffällt: "Er ist der untrainierteste Spieler in der Liga", findet Lutzenberger. Tatsächlich trägt er ein Bäuchlein unter dem Hemd. Aber das ist nur eine Fußnote, noch viel auffälliger ist seine besondere Gabe, die Bälle auf der Vorhand- und auf der Rückhandseite extrem beschleunigen zu können. Fast so wie Timo Boll. Bottroffs spektakuläre Spielweise wird oft von erstaunten Ausrufen aus dem Publikum begleitet. Aber er hatte sich an diesem Nachmittag irgendwie nicht wohlgefühlt und verlor sowohl gegen Florian Schreiner in drei Sätzen als auch gegen Lee. Für den Taiwanesen war er der richtige Gegner zum richtigen Zeitpunkt. "Der Sieg wird ihm Auftrieb geben", glaubt Podpinka.

"Lee ist müde": Im Spiel gegen Dortmund gewann der Taiwanese sein zweites Einzel und fand trotz Satzrückstands zu seiner alten Form zurück. (Foto: Günther Reger)

Lee war übertrainiert aus seiner Heimat angereist. Das Krafttraining während der Saison hat seinem Spiel und seinem Kopf die Leichtigkeit genommen. Er spielt verkrampft, passiv, irgendwie desillusioniert. "So intensive Einheiten kann man mal in der Vorbereitung machen", sagt Lutzenberger. Er und auch Podpinka können die Trainingssteuerung des Nationaltrainers nicht ganz nachvollziehen. Lee musste phasenweise sogar zwei Stunden lang nur Cross-Bälle mit der Vorhand spielen. "Lee ist im Moment müde", sagt Podpinka, "aber er wird sich wieder stabilisieren und noch besser werden." Gegen Bottroff verlor er den ersten Satz, fand aber irgendwie hinein ins Spiel und gewann schließlich in vier Sätzen. Gegen Ende des Spiels spielte er wieder so druckvoll wie in der Vorrunde, mit dieser Raffinesse.

Das Pflaster hatte er irgendwann dann auch weggeworfen und sich die Socke wieder angezogen. Das entscheidende Spiel des Tages wollte er nicht barfuß in der Hallenecke miterleben. Jetzt ging er zu Cipins Tisch und feuerte ihn lautstark an: "Come on, Filip" schrie er. Nach dem verwandelten Matchball fiel Lee seinem Mitspieler in die Arme. Diese Reaktion gefiel auch Podpinka. Der Coach des Tabellendrittletzten blickt den nächsten Spielen nun entspannt entgegen: "Wenn jeder von uns mindestens einen Punkt im Einzel holt, dann können wir noch einige Teams aus der oberen Hälfte ärgern."

© SZ vom 02.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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