Tischtennis:Flucht nach China

Lesezeit: 2 min

Brucks Tischtennistalent Florian Schreiner will Profi werden - erst kommt die Schule

Von Matthias Schmid, Fürstenfeldbruck

Wenn er im Moment die Wahl hätte, dann würde sich Florian Schreiner für das Zimmer ohne Internet, Fernseher, aber mit einem Hochbett entscheiden. Das Zimmer ist Teil eines schmucklosen Gebäudes in der chinesischen Provinz Shandong. Zwei Monate lebte er zuletzt an der Ostküste des Landes in einem Leistungszentrum mit spartanischer Einrichtung. Der siebenstündige Trainingsalltag machte ihm nichts aus, ganz im Gegenteil: "Das hat richtig Spaß gemacht", sagt der 18-Jährige. Schreiner ist Tischtennisspieler des Zweitligisten SC Fürstenfeldbruck, doch ein Leben als professioneller Spieler muss noch warten. Schreiner will die Schule mit dem Abitur beenden. Ein Jahr hat er zur Hochschulreife noch vor sich, ein zusätzliches Jahr. Er ist durch die Abiturprüfung gefallen. "Das hat mich ziemlich mitgenommen", gibt Schreiner zu und fügt nach ein, zwei Sekunden des Nachdenkens hinzu: "Das war echt ein harter Schlag."

Die Reise in die Heimat seiner Mutter Yunli, eine ehemalige Bundesligaspielerin, war deswegen auch ein bisschen eine Flucht - mit Zuflucht. Etwas, das ihn von seinen Sorgen ablenken, ihn auf neue Gedanken bringen sollte. Der immer gleiche Tagesablauf mit Training, Essen, Schlafen, Training hat ihm Halt gegeben, Struktur. Sechs Tage in der Woche, nur sonntags nicht. "Da habe ich dann mal ausschlafen und Verwandte besuchen können", sagt Schreiner. Dass es ziemlich anstrengend werden würde, war ihm bei der Abreise bewusst. Er hatte schon häufiger einige Wochen in Shandong verbracht, neu in diesem Jahr war aber, dass er auch in der Provinzmannschaft spielte, in der zweiten Liga, der dritthöchsten Klasse in China. "Ich habe meine Saison mit einer positiven Bilanz von 7:5 Siegen beendet", erzählt Schreiner mit etwas Stolz.

Er geht jetzt mit einem Trainingsvorsprung in die neue Zweitligasaison, die an diesem Samstag mit dem Auswärtsspiel beim TSV Bad Königshofen (19 Uhr) beginnt. "Ich bin fit und freue mich, dass es endlich losgeht", bekennt Schreiner. Die Zeit in China wird er vermissen. Er hat viele unterschiedliche Stilarten kennengelernt, fast täglich mit einem neuen Partner trainiert. Er hat gegen Spieler mit langen Noppen auf dem Belag gespielt, mit kurzen, gegen Spieler, die lieber verteidigten oder eine andere Griffhaltung bevorzugten. Die Auswahl war grenzenlos. In China ist Tischtennis, was in Deutschland der Fußball ist: Volkssport, ein Massenphänomen. "Ich bin abends nur noch müde ins Bett gefallen", sagt Schreiner. Die ersten beiden Wochen waren besonders hart und intensiv, die Umstellung gewaltig. "Mir haben meine Beine weh getan, mein Handgelenk", sagt Schreiner. Dass sich sein China-Aufenthalt dennoch gelohnt und er sich spielerisch weiterentwickelt hat, davon sind sie in Fürstenfeldbruck alle überzeugt. Trainer Andras Podpinka genauso wie Rudolf Lutzenberger: "Er wird einen Sprung nach vorne machen", sagt der Abteilungsleiter über den mehrmaligen deutschen Jugendmeister.

Florian Schreiner (rechts, mit Tian Ming Zhao) will Profi werden. (Foto: Günther Reger)

Schreiner gehört in dieser Saison zu einer jungen Truppe, in der der Serbe Bojan Crepulja mit 23 Jahren der älteste ist. "Wir haben viel Potenzial", sagt Trainer Podpinka. Der Kroate Filip Cipin, 21, und der Taiwanese Lee Chia-Sheng, 19, komplettieren das Aufgebot am Samstag in Königshofen. Nach seiner Rückkehr aus China weilte Florian Schreiner in dieser Woche schon wieder in Italien. Im malerischen Adria-Örtchen Caorle bereiteten sich die Brucker auf den Saisonstart vor. China war zwar schon wieder weit weg, an die mehrstündigen Übungseinheiten mit den exzellenten Trainingspartnern erinnert er sich aber gerne: "An das Leben als Profi kann ich mich gewöhnen", sagt Schreiner.

Die nächsten Wochen sehen aber anders aus. Schule und Training werden seinen Tag wieder bestimmen. "In Deutschland hat niemand Verständnis für einen Leistungssportler, der beides machen will", bedauert Schreiner. Lutzenberger, ein ehemaliger Gymnasiallehrer, hofft, dass sein Spieler die Schule ernst nimmt. Er wolle sich jetzt acht, neun Monate zusammenreißen, sagt Schreiner, damit er danach stundenlang am Tag Tischtennis spielen kann. Wie in Shandong. Als Profi. Er sagt: "Ich habe ja hier keine andere Wahl."

© SZ vom 06.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: