Tennis 2. Bundesliga:Umarmung mit Unbekannten

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Auf der Durchreise: Christian Lindell, 23, Nr. 184 der ATP-Rangliste, verlor bei seiner Bundesliga-Premiere im Einzel, gewann aber im Doppel. (Foto: Claus Schunk)

Dem TC Großhesselohe gelingt im zweiten Spiel der zweite Sieg. Nicht zuletzt, weil Teammanager Christopher Kas, ein ehemaliger Doppel-Spezialist, auf diese oft vernachlässigte Disziplin baut

Von Matthias Schmid, München

Rechtzeitig zur Entscheidung erschien auch Christian Lindell in der ersten Reihe. Frisch geduscht nahm er neben seinen Teamkollegen und Trainer Karsten Schulz am Centre Court hinter der Spielerbank Platz, wo gerade noch das letzte Doppel gegen den TC Dresden-Blasewitz lief. Dass der Spitzenspieler des Tennis-Zweitligisten TC Großhesselohe am Freitagabend ein paar Minuten später eintraf, war allerdings die einzige Extravaganz, die sich der Schwede erlaubte. Der spielende Teammanager Christopher Kas, Hannes Wagner und Marcel Zimmermann hatten den Weg hierher ohne den Umweg zur Umkleidekabine genommen, in ihren verschwitzten Jerseys, die Schlägertaschen geschultert, waren sie direkt von ihren Plätzen gekommen, um zu erleben, ob der Tag nach dem 2:4-Zwischenstand mit einer erwartbaren Niederlage enden würde oder doch noch mit einem überraschenden Sieg. 4:4 stand es nun nach sechs Einzeln und zwei Doppeln - es ist der im Mannschaftstennis knappst mögliche Ausgang.

Als Philipp Oswald schließlich den Matchball mit einem Schmetterball verwandelte, sprang die erste Reihe schreiend auf - auch Lindell umarmte Mitspieler und Trainer, die er zuvor nie gesehen hatte. Der zweite Sieg im zweiten Spiel stand für Großhesselohe nun fest. Oswald, ein österreichischer Top-50-Spieler im Doppel, hatte so sehr auf den Ball gehauen, dass dieser nach dem Absprung auf dem Welldach der angrenzenden Halle landete - und erst wieder zurückkam, als die Gegner ihm und seinem Partner Boy Westerhof zum Sieg gratuliert hatten. "Wenn man einen Oswald im Doppel hat, sitzt man draußen immer mit einem guten Gefühl", sagte Kas.

Für ihn kam der Gesamtsieg weniger überraschend als für die Zuschauer, die nach nur zwei gewonnenen Einzeln nicht mehr damit gerechnet hatten. Kas selbst hatte die Woche über darauf gehofft, dass sie zumindest zwei Einzel gewinnen, damit sie noch eine Siegchance haben. "Ich wusste, dass wir drei Doppel gewinnen können, weil wir wirklich starke Teams haben. Jetzt ist der Spieltag wie gemalt für uns, weil er auch für die Stimmung unheimlich wichtig ist." In der Tat werden die Doppel in den meisten Klubs etwas stiefmütterlich behandelt. Den Verantwortlichen sind gute Einzelspieler oft wichtiger, sie glauben, dass diese einen frühen Erfolg sichern können. Kas verfolgt als ehemaliger Doppelspezialist und Gewinner von fünf Turnieren auf der Profi-Tour eine andere Strategie. "Aber nur die Siege von Wagner und Zimmermann haben uns noch am Leben gehalten", lobte Kas, der sein Doppel mit Lindell klar in zwei Sätzen gewann. Dass sein Partner das Einzel verlor, war allerdings nicht vorgesehen.

Der Schwede, in Rio de Janeiro geboren, war der mit Abstand höchst platzierte Spieler auf der Anlage. Die Weltrangliste führt den 23-Jährigen auf Rang 184. "Aber auch ein Spieler seiner Qualität schlägt in der zweiten Liga seine Gegner nicht im Vorbeigehen", hat TCG-Trainer Schulz erkannt. Ohne Vorbereitung sei das schwierig. Er kennt die Bälle nicht und auch an die Höhenlage der Plätze des TC Großhesselohe musste er sich erst gewöhnen.

Am Morgen vor seinem ersten Einsatz konnte Lindell nur locker ein paar Bälle schlagen. Am Donnerstagabend war er von einem Turnier in Italien angekommen. Er war in München nur auf der Durchreise. Der Schwede schlägt in dieser Woche beim ATP-Turnier in seiner Heimat Båstad auf. "Es war trotzdem die richtige Entscheidung, erstmals in der deutschen Bundesliga zu spielen", sagte Lindell. Er will wiederkommen. "Es hat großen Spaß gemacht."

Sollte er schon am Freitag im Heimspiel gegen Stuttgart wieder mitwirken, muss er auf seinen Doppelpartner verzichten. Christopher Kas wird sich in den nächsten Tagen in die USA aufmachen, um Fedcup-Spielerin Sabine Lisicki für die Hartplatzsaison zu präparieren. Dass Kas nach seinem Rücktritt vor einem Jahr nichts verlernt hat, davon konnten sich die Zuschauer überzeugen. Er zeigte am Netz Reflexe, die die meisten nur aus dem Fernsehen kennen. Seine Niederlage im Einzel geriet zur Nebensache, der 35-Jährige hatte sich ja in den vergangenen Jahren ohnehin nur noch dem Doppel gewidmet. "Und da habe ich mich vom ersten Ballwechsel an sehr wohl gefühlt", sagte Kas. Er machte auch Lindell wieder besser, der nach seiner Niederlage zunächst etwas resigniert wirkte. Dass dieser nach dem Sieg im Doppel nicht verschwitzt am Centre Court Platz nahm, hatte indes nichts mit Eitelkeit zu tun. Er musste sofort nach dem dritten Doppel weg. Zum Flughafen.

© SZ vom 20.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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