Tanz:Federleichte Schinderei

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Mitfavoriten bei den deutschen Meisterschaften: die Münchner Alona Uehlin und Anton Skuratov. (Foto: privat)

Für ihre Turniertanzkarriere nehmen Anton Skuratov und Alona Uehlin viel auf sich. Von ihrem Sport zu leben, ist schwierig

Von Karl-Wilhelm Götte, München

Anton Skuratov und Alona Uehlin lieben die Schau. Bei einer Pose im Langsamen Walzer beugt sich Alona Uehlin soweit zurück, dass sie fast mit dem Rücken den Zuschauertisch im Fürstenfeldbrucker Stadtsaal berührt. Szenenapplaus. Anton Skuratov hält seine Partnerin sicher am Rücken und mit dem übernächsten Takt schwebt das Paar schon wieder über die Tanzfläche. Der bayerische Meistertitel in der Standard-Sonderklasse war dem Favoritenpaar nicht zu nehmen: Skuratov/Uehlin vom Turnier-Tanz-Club München gewannen alle fünf Standardtänze. Doch auch dieses Spitzenpaar muss sich mächtig strecken, um seinen Sport finanzieren zu können.

Turniertanz auf dem Niveau der Hauptgruppe S, der höchsten Amateurklasse, ist zeitaufwendig und kostspielig. "Wir tanzen zwar bei den Amateuren, aber wir sind Profitänzer", sagt Alona Uehlin. "Wir sind 24 Stunden am Tag mit Tanzen beschäftigt." Sie trainieren selbst, unterrichten andere Paare, nehmen an Turnieren teil oder reisen herum, um ihre Tanzschau zu zeigen. "Wir sind mit unseren Schaueinlagen gut gebucht", bestätigt Skuratov. Über die Höhe des Honorars will er nicht reden, aber das Paar gehört aufgrund seiner Erfolge zur ersten Kategorie der deutschen Schautänzer. Viele Tanzsportvereine leisten sich bei ihren jährlichen Galabällen die Schaueinlage eines World-Cup-Siegers, zumal das Paar als 10-Tänze-Europameister auch Lateintänze auf höchstem Niveau beherrscht.

Skuratov kam in Wolgograd/Russland zur Welt, Uehlin stammt aus Grodno in Weißrussland. Beide sind 26 Jahre alt und seit fünf Jahren miteinander verheiratet. Seit zehn Jahren tanzen sie zusammen. Gefunden haben sie sich 2006 in Köln. Dort war Skuratov drei Jahre zuvor angekommen. "Ich wollte eigentlich nach Moskau", erzählt er, dann habe sich eine Dame aus Köln gemeldet. Deutschen Tanzsportvereinen fehlt es chronisch an Jungen. Drei Monate später war der 13-Jährige deutscher Meister der Junioren-Lateinklasse. Bis heute kamen 15 deutsche Titel hinzu.

Die Grundlagen haben beide zu Hause gelegt, also in Wolgograd und Grodno. "Tanzen war in Russland bei Jungen so populär wie Fußballspielen", erzählt Skuratov, der mit sechs Jahren zu tanzen begann. 40 Tanzclubs habe es in der Zwei-Millionen-Stadt Wolgograd gegeben. Wo Jungs hierzulande in der Schule eher verschweigen, dass sie tanzen, habe dort "jeder zweite Junge getanzt, etwas Schöneres gab es nicht". Peter Otto, Vorsitzender des TTC München, weiß um die Einstellung seines prominenten Paares: "Sie lernen in Russland oder Osteuropa schon in der Kindheit hart zu trainieren. Die wissen sich zu schinden, das machen junge deutsche Tänzer nicht so konsequent."

Für Otto, 72, seit fast 35 Jahren Chef des 400-Mitglieder-Klubs, sind Skuratov und Uehlin ein "Glücksgriff". Sie kamen 2012 zum TTC nach München-Pasing, der demnächst ans Westkreuz umziehen wird. Vorher waren sie in Krefeld und Bremen als Trainer tätig. Beim TTC unterrichten sie fast 50 Turnierpaare. Gleichzeitig trainieren sie täglich zwei Stunden selbst. Das Trainerhonorar ist eher bescheiden, es liegt unter dem Bundestrainersatz von 70 Euro pro Stunde, versichert Otto. Deshalb unterrichten Skuratov/Uehlin noch bei Alemana Puchheim, einmal im Monat fahren sie als Trainer nach Nürnberg. "Erfolgsorientierte Förderung", also Geld, erhalten sie auch vom Bayerischen Landes-Tanzsportverband, doch ihre Ausgaben sind enorm, obwohl sie sich seit zwei Jahren nur auf Standardtänze konzentrieren.

Für Frack und Kleid müssen sie oft zum Schneider. Ein Standardkleid muss Wertungsrichter beeindrucken. "Meins kostet 3000 Euro", erzählt Uehlin, es ist mit Swarowski-Steinen bestickt, "Antons Frack etwa 1600 Euro." Für die Kleidung haben sie Sponsoren. Auch monatliches Üben mit Spitzentrainer William Pino in Rom geht ins Budget: bis zu 150 Euro die Stunde. "Das Schlimmste haben wir hinter uns, nach unseren Erfolgen ist vieles einfacher geworden", sagt Alona Uehlin, die Eltern müssten ihnen nicht mehr unter die Arme greifen. Die Weißrussin hat einen deutschen Pass. Ihr Ehemann nicht. Beide sprechen fehlerfrei Deutsch. "Ich werde vielleicht mal einen deutschen Pass beantragen", sagt Skuratov, weil es das Reisen erleichtert. Eilig hat er es nicht.

Am Samstag stehen in Aachen die deutschen Meisterschaften an. Skuratov/Uehlin zählen zu den Favoriten, rechnen aber mit Platz zwei hinter dem Stuttgarter Weltmeisterpaar der Amateure, Simone Segatori und Annette Sudol. Er ist Italiener, sie Deutsche.

© SZ vom 05.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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