Talentiade-Sieger:Träume im Rampenlicht

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Profis und solche, die es werden wollen: Die Preisträger teilen mit ihren Paten die Hingabe zum Sport

Von Sebastian Fischer, München

Die Sonne über München war lange untergegangen, der Grill gelöscht, die Grillen zirpten, da setzte sich im Osten der Stadt ein Bus in Bewegung. "Pack ma's", hatte zuvor ein Mann in Lederhosen gerufen und fröhlich in die Runde geblickt, "pack ma's", hatte die Skiläuferin Martina Willibald, 15, geantwortet. Dann schlenderten sie in die Nacht hinaus zu ihrem Vereinsbus, die junge Sportlerin, ihre Eltern und sechs Begleiter, alle selbstverständlich in Tracht gekleidet. Bis sie daheim in der Jachenau ankamen, 80 Kilometer südlich von München, war es Donnerstag.

Das Ende einer Feier sagt ja viel über die Feier an sich, und es passte, dass die SZ-Talentiade am Mittwochabend ihr Ende nahm, als die Gruppe um Preisträgerin Willibald zufrieden die Terrasse vor dem Hochhaus des Süddeutschen Verlags verließ. Nicht nur Nachwuchssportler hatten nämlich im Rampenlicht gestanden, das ihnen oft vorenthalten wird, sondern auch ihre Freunde, Familien und die kleinen Vereine, ohne die sie ihre Laufbahn gar nicht so hoffnungsvoll beginnen könnten. Dafür, dass ihre Karrieren als Sportler gerade auf außergewöhnliche Weise starten, wurden zwei Mannschaften und neun Sportler aus 120 Vorschlägen von der Jury um Horst Sigl vom Bayerischen Landessportverband (BLSV), Horst Winkler vom Bayerischen Fußballverband (BFV) und Arno Hartung, dem Geschäftsführer der Dr.-Ludwig-Koch-Stiftung, ausgewählt und von der SZ geehrt, zum achten Mal seit 2001.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Jede Menge glückliche junge Menschen: das Gruppenbild der Talentiade-Sieger 2015 mit ihren Paten Yasin Ehliz, Natalie Geisenberger und Felix Neureuther.

Auch ohne galoppierendes Pferd spektakulär: Die Ingelsberger Voltigierer zeigen ihr Können.

Im Schwebezustand: Die Jazz-Tanzgruppe des TSV Schleißheim bei einer schwungvollen Einlage.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Grillfest: Natalie Geisenberger, Felix Neureuther und Yasin Ehliz (von links).

Erst gebannte Zuschauerin, dann Geehrte: Fünfkämpferin Lea Winkler mit Vater Veit.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Felix Neureuther und Natalie Geisenberger als Paten bei der Preisverleihung.

Preisträgerin Amelie Döbler (Mitte) kam mit Mutter, Oma und Wurftrainer Andreas Bücheler.

Willibald war die letzte Sportlerin, die am Donnerstag im Konferenzsaal des Hauses über den roten Teppich auf die Bühne schritt, zur Melodie aus dem Boxer-Film "Rocky" auf Jazz. Sie ist talentiert, wurde Zweite bei den deutschen Schülermeisterschaften im Slalom. Eigentlich hätte sie längst vom SSC Jachenau zum benachbarten SC Lenggries wechseln müssen, wo die Karrieren von Martina Ertl und Hilde Gerg begannen, doch sie sagte: "Das ist keine Frage für mich, ich bin halt in der Jachenau geboren." Im Publikum klatschten dann Menschen in Lederhosen besonders laut. Sport ist im Nachwuchsbereich eben auch deshalb so wertvoll, weil es nicht um Kalkül geht, sondern um die Freude an der Bewegung, Hingabe für den Heimatverein, um Freundschaften.

Sydney Lohmann, 15, zum Beispiel könnte auch schon längst für den FC Bayern spielen. Doch obwohl die Fußballerin schon zum Juniorenkader der Nationalmannschaft gehört, will sie den SC Fürstenfeldbruck vorerst nicht verlassen, dort spielt sie bei den C-Junioren - bei den Jungs. Auf der Bühne sagte sie: "Erst mal will ich nicht zu den Bayern, ich bleibe noch ein Jahr." Das klang dann doch schon ein wenig wie bei den Profis: Skirennläufer Felix Neureuther, Rodlerin Natalie Geisenberger und Eishockeyspieler Yasin Ehliz waren in diesem Jahr die Paten der Talentiade. Nationalspieler Ehliz möchte bald in die nordamerikanische Eliteliga NHL wechseln, aber erst mal bleibt er bei den Nürnberg Ice Tigers, er sagt: "Ich hab' noch ein Jahr Vertrag."

Ehliz berichtete von der Stiftung in seiner Heimatstadt Bad Tölz, wo er sich für den Eishockeynachwuchs einsetzt, auch Neureuther und Geisenberger fördern jugendliche Sportler. So mancher Preisträger stach selbst wegen seines sozialen Engagements hinaus. Der Segler Valentin Müller, Deutschlands größtes Talent seiner Klasse, nimmt immer wieder einen blinden Freund mit ins Boot. "Er muss fühlen, woher der Wind kommt, aber er hat ein besonderes Gespür dafür", sagte er, als wäre das ganz selbstverständlich für einen 13-Jährigen. "Sport ist das beste Mittel zur Integration, das wir in Deutschland haben", konstatierte Horst Staimer von der Ludwig-Koch-Stiftung. Er überreichte einen Sonderpreis an die Jazztänzerinnen des TSV Schleißheim, die in Behindertenwerkstätten und Seniorenheimen auftreten.

1500 Euro gab es jeweils für die Gewinner. Am Ende ging es natürlich auch darum, Träume von großen Sportlerkarrieren zu fördern. Alexandra Wenk von der SG Stadtwerke München hat 2011 bei der Talentiade gewonnen, später schwamm sie bei den Olympischen Spielen in London. Und so träumen auch die Gewinner von 2015: Der Shorttracker Johann Kaiser, 13, erklärte, die Asiaten, die seine Sportart dominieren, könnten ruhig kommen: "Ich mach so weiter wie bisher." Doch sie träumen natürlich nicht nur, deshalb stechen sie aus der Masse heraus: Diskuswerferin Amelie Döbler vom TSV München-Ost nimmt bald an den Olympischen Jugendspielen in Georgien teil, Lea Winkler, Moderne Fünfkämpferin vom TSV Erding, wechselt an das Sportinternat in Potsdam. Und Martina Willibald, die Slalomspezialistin , hat am Donnerstagmorgen - ein paar Stunden also, nachdem sie aus dem Vereinsbus stieg - um sechs Uhr morgens schon wieder trainiert. Der Sommer ist für Skifahrer nun mal die Zeit, um Kraft aufzubauen.

© SZ vom 17.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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