SZ-Serie: Fanbeziehung:Im Namen der Kugeln

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Die Pooligans sind der einzige Fanklub eines Poolbillard-Bundesligisten. Sie unterstützen Meister Dachau und werben für den Sport.

Von Ralf Tögel, Dachau

Es begann mit einer Bestechung. Willy Hollmann würde das nie so ausdrücken, an der Tatsache ist schwerlich zu rütteln. Tatort Triple B, eine Gaststätte in Dachau, die drei B stehen für "Billard, Bistro, Bar". Man kann dort auch Fußballspiele anschauen, bei einem Bierchen in gemütlicher Umgebung. Genau das tat Hollmann an jenem verhängnisvollen Tag. Nebenan spielten ein paar Männer Billard, was er seinerzeit nur am Rande zur Kenntnis nahm: "Das haben wir gar nicht mitbekommen, hat auch niemanden interessiert." Es war Spiel der Poolbillard-Bundesligaspiel, mit Akteuren, die es verstehen, ihre Kugeln mit der Präzision eines Gehirnchirurgen zu versenken. Einer dieser Könner war Dominik Jentsch, mehrfacher Europameister. Und plötzlich trat ein freundlicher Herr auf Hollmann und seinem Kumpel zu und fragte sie, ob sie sich denn nicht vorstellen könnten, die Mannschaft zu unterstützen, am nächsten Tag im Derby in Fürstenfeldbruck. Er werde sie abholen, chauffieren und: "Er gab einen aus", erinnert sich Hollmann. Bestechung! Vater Jentsch wurde nach heutigem Kenntnisstand nie belangt, seine Aktion hatte indes ungeahnten Erfolg: Willy Hollmann ist mittlerweile Vorsitzender der Pooligans, dem ersten und einzigen Fanklub eines Poolbillard-Bundesligisten, dem des deutschen Meisters BSV Dachau.

Und als solcher haben der 27-Jährige und seine bis zu 50 Mitstreiter einige Berühmtheit erlangt. Kürzlich wurden die Pooligans vom österreichischen Fernsehen eingeladen. Es lief die Europameisterschaft in St. Johann, und der Verband aus der Alpenrepublik hatte die Idee, für die TV-Liveübertragungen ein paar Leute ins Publikum zu holen, die richtig Stimmung machen. Also fragte man die Pooligans an, und die kamen der Bitte gerne nach - bei Übernahme aller Kosten.

So geht es bei Bundesligaspielen des deutschen Meisters zu: Die Pooligans und andere Fans auf der eigens errichteten Tribüne. (Foto: Niels P. Joergensen)

Immer sind die Dachauer Fans allerdings nicht so gern gesehen, erzählt Hollmann, es kann schon mal vorkommen, dass sie der Spielstätte verwiesen werden. Wie am letzten Saisonspieltag in Hamburg, beim Ausladen der großen Trommel wurde den Pooligans mitgeteilt, dass sie diese erst gar nicht in das Spiellokal transportieren dürfen. Oliver Ortmann möge derlei Ablenkung gar nicht, ließ man wissen. Ortmann, das zur Erklärung, zählt als mehrmaliger Weltmeister zu den Stars der Szene. Ein Pooligan ist aber erfinderisch, die Trommel blieb kurzerhand auf der Straße vor dem Lokal, durch die offene Tür gab es Zeichen, wann loszuhämmern sei. "Es war dann doch die laute Unterstützung für unser Team", erinnert sich Hollmann, Dachau gewann. "Wir machen das nicht, um die Gegner zu ärgern", erklärt der Pooligans-Chef, es gehe darum, ein wenig Stimmung in die Spielhallen zu bringen. Und es geht um Aufmerksamkeit, denn nur so, davon sind die Pooligans fest überzeugt, sei der Sport ein Stückchen weiter aus seinem Schattendasein zu befördern. Die Pooligans sind also in höherem Auftrag unterwegs, im Namen der Kugeln sozusagen.

Früher war Hollmann nur dem Fußball zugetan, er war Fan von Dynamo Dresden. Da fällt ihm plötzlich ein, wie der Name Pooligans entstand: "Wir haben über Ausschreitungen im Fußball gesprochen", erinnert er sich, irgendeiner habe den Namen in die Runde geworfen - die Pooligans waren geboren. Freilich geht es beim Pool ungleich gesitteter zu als in den Fußballstadien. Man habe schon ausgetestet was geht, sicher, Trommeln, Trompeten, Ratschen, sogar Vuvuzelas, "aber das war sogar unseren Spielern zu laut", es blieb beim herkömmlichen Krachwerkzeug. Und es ist immer friedlich, versichert der Vorsitzende: "Es kann schon sein, dass man sich mal gegenseitig hochschaukelt, aber nur verbal." Schließlich sind Poolbillard-Fans eine überschaubare Gruppe, "man kennt sich und trifft sich immer wieder". Das gilt vor allem für die Konkurrenz der Fürstenfeldbrucker, die im Übrigen ebenfalls zu den besten deutschen Teams zählen. "Darauf fiebern wir das ganze Jahr hin", sagt Hollmann, es wird sogar ein eigener riesiger Henkelpokal ausgespielt. Auch die Spiele gegen den früheren Serienmeister Oberhausen sind speziell, "da weißt du, dass acht Stars am Tisch stehen, dass die Hütte voll wird und richtig was los ist. Auch die gegnerischen Spieler stehen drauf."

Hollmann übertreibt nicht, wenn er von Stars spricht, denn die Dachauer Auswahl besteht aus den Österreichern Albin Ouschan und Mario He, die inoffiziellen Team-Weltmeister, der deutschen Pool-Legende Ralf Souquet, dem spanischen Topspieler David Alcaide und dem deutschen Supertalent Manuel Ederer. Eine Art Europa-Auswahl, Ouschan war sogar schon die Nummer drei in der von Asiaten und Amerikanern dominierten Weltelite. Nicht umsonst gilt der BSV Dachau als Bayern München des Poolbillards. Mit einem gewaltigen Unterschied: Das Verhältnis der Fans zu den Spielern bezeichnet Hollmann als freundschaftlich, Meisterschaften werden gemeinsam gefeiert, nach Spielen gehen die Billard-Profis schon einmal mit den Fans zum Essen.

An einem Auswärtswochenende ist man zwei Tage unterwegs, gespielt wird immer Samstag und Sonntag, möglichst an zwei nahe gelegenen Spielorten. Dann reisen die Pooligans mit zwei, drei Autos der Mannschaft nach, so ein Wochenende kann schon mal 200 Euro kosten, sagt Hollmann. Zu Hause ist natürlich entsprechend mehr los. Am Freitagabend trifft man sich, um die Tribüne aufzubauen, Banner aufzuhängen "den Laden so zu schmücken, dass man auch merkt, dass hier Bundesliga gespielt wird".

Dann erzählt Hollmann noch eine ganz besondere Geschichte. Beim Billard habe er seine Freundin wiedergetroffen, die er aus den Augen verloren hatte. "Wir waren in der Schule in der gleichen Klasse, dann bin ich zu Ausbildung nach Augsburg." Im vergangenen Jahr haben die beiden geheiratet. Im Triple B, wo sonst.

SZ-Serie, Folge 3. Bisher erschienen: Bigreds, FCB-Basketball (10. August), Queerpass, schwul-lesbischer Fanklub des FC Bayern (16.August)

© SZ vom 19.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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