Squash:Die Plattform bröckelt

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Fünfzehn Jahre Aufbauarbeit, doch der Einsatz scheint sich nicht auszuzahlen: Armin Hameed etwa möchte "unbedingt weiterhin Bundesliga spielen". (Foto: Claus Schunk)

Der SC Deisenhofen verliert seine Topspieler und damit die Grundlage für Spitzensport. Findet er keinen Ersatz, meldet der Klub nach der Saison sein Bundesliga-Team ab - und wagt in der Bayernliga einen neuen Anfang

Von Patrick Dirrigl, Oberhaching

Thomas Müller ist nicht einfach nur ein Name. Der beliebteste Vorname Deutschlands lautet "Thomas", "Müller" ist der häufigste Nachname; Thomas Müller ist also quasi der deutsche Name schlechthin. Etwa 50 000 Bundesbürger haben diesen Durchschnittsnamen laut Statistischem Bundesamt in ihrem Pass stehen. Einer von ihnen spielt - besser gesagt: spielte für den Squashclub Deisenhofen in der Bundesliga Süd. Aus beruflichen Gründen ist Müller nach Dortmund gezogen und wird in Zukunft wohl nicht mehr für den SCD antreten.

Für den Vorsitzenden Michael Lankes war Müller alles andere als ein Durchschnittstyp. "Thomas war nicht irgendein Spieler: Er war der Deisenhofener Spieler. Ich habe ihn und Christofer Kendall-Torry selbst in der Jugend trainiert." Mit Müller und Kendall-Torry ist Deisenhofen von der Bezirksliga bis in die Bundesliga aufgestiegen. "Als wir erkannt haben, was unsere Jugendspieler für ein hohes Niveau erreichen können, wollten wir ihnen eine Plattform bieten und haben uns in der Bundesliga angemeldet", sagt Lankes.

Doch jetzt könnte ausgerechnet Kapitän Müller, wie es Lankes formuliert, zum "Zünglein an der Waage" für die Abmeldung des Bundesligateams werden. Der an Nummer eins gesetzte Profi Joel Hinds, ein Engländer, den Lankes "je nach finanzieller Situation" einfliegen lässt, bekommt seine Verletzungsprobleme einfach nicht in den Griff. Hinds erwägt, seine Karriere zu beenden, und wird fortan wohl als Trainer arbeiten. "Mit Thomas konnten wir das in der Vergangenheit immer wieder auffangen", sagt Lankes. Ohne ihn wird es jedoch eng für Deisenhofen.

Einen Vorgeschmack, wie es in der Bundesliga ohne die beiden Topspieler läuft, bot das vergangene Wochenende, der vorletzte Doppelspieltag der Saison: Gegen Worms und Gerlingen gab es klare 0:4-Niederlagen. Zuvor war Deisenhofen mit acht Punkten auf dem dritten Rang gelegen, jetzt ist der Klub Tabellenletzter.

Da es, wie Lankes erklärt, aufgrund eines "massiven Squashclub-Sterbens" keine zweite Liga mehr gibt, droht dem SCD zwar kein sportlicher Abstieg. "Wenn du weiterhin Antrittsgeld für die Bundesliga zahlst, dann bleibst du da auch drin." Die Frage, die sich dem Verein und seinem Vorsitzenden nun stellt, ist aber, ob sie in Zukunft weiterhin in der Bundesliga antreten können und wollen. Es sieht eher nicht danach aus. "Wir mussten hier am Standort Deisenhofen 15 Jahre lang auf die Bundesliga hinarbeiten, uns dieses Niveau selbst aufbauen. Wir haben aber nicht die finanziellen Mittel, um uns mit Profis für die Position eins und zwei einzudecken. Dass wir Spieler aus unserer Jugend auf Bundesliga-Niveau bekommen, ist auf absehbare Zeit auch nicht gegeben", erzählt Lankes und prophezeit: "Wenn wir aus der Bundesliga gehen, dann ist sie hier gestorben."

Es mache ihn traurig, sagt Lankes, "wenn die Plattform, die wir Spielern und Verein gebaut haben, zusammenbricht". Armin Hameed etwa sei "sehr gerne bei uns". Sollte Deisenhofen sein Team abmelden, würde Hameed den Klub aber wohl verlassen, da er "unbedingt weiterhin Bundesliga" spielen wolle. Kendall-Torry überlegt, ob er überhaupt noch in der Bundesliga spielen möchte: "Chris ist ein Spieler, der über das Läuferische kommt. Ihm fehlt aufgrund seines Studiums derzeit seine Fitness", sagt Lankes und fügt hinzu, dass dieser "nicht dauerhaft abgeschossen werden will". Gegen Worms und Gerlingen musste Kendall-Torry jeweils klare 0:3-Niederlagen hinnehmen.

Philippe Marin, ein 18-Jähriger, der vergangenes Wochenende seine Saison-Premiere bei Deisenhofen feierte, startete gar auf der Position eins. Auf ihn muss Lankes allerdings in Zukunft auch verzichten: Marin geht bald zurück nach Paris, um dort Medizin zu studieren. "In der nächsten Spielrunde im Februar werde ich schon nicht mehr hier sein", sagt der Franzose.

Zurzeit stehe Lankes mit einem neuen Thomas Müller, also einer potenziellen Nummer zwei auf Bundesliga-Niveau, in Kontakt, die eventuell zur neuen Saison für Deisenhofen spielen könnte. Klappt der Wechsel nicht, würde sich der SCD vermutlich aus der Bundesliga verabschieden, das Landesligateam, in dem Lankes selbst spielt, zu einem Seniorenteam umwandeln und mit der ersten Mannschaft in der Bayernliga an den Start gehen.

Im Februar werden für die Deisenhofener wohl die letzten Spiele auf Spitzenniveau anstehen. Der Mann mit dem Durchschnittsnamen heuert allem Anschein nach beim ST Aplerbeck in Dortmund an, in der Bundesliga Nord.

© SZ vom 14.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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