Sportschießen:Raus aufs Land

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Die Luftgewehr-Schützen von Germania Prittlbach schicken sich an, den renommierten Münchner Großstadtklubs HSG und Bund den Rang abzulaufen

Von Julian Ignatowitsch, München

Trainer und Funktionär Ralf Horneber hat in diesen Tagen besonders gute Laune. Am Dienstag war er auf dem Oktoberfest. "Der Minister war da", sagt er - und meint den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann. Man habe ein bisschen die PR-Trommel gerührt. Nach den Erfolgen bei den Olympischen Spielen lässt sich auch ein Mann des Staates wie Herrmann gerne mit den Schützen ablichten. Herrmann griff sogar selbst zum Luftgewehr, die Frage nach dessen Ergebnis entlockte Horneber aber nur ein Lachen.

Nun ist Horneber nicht nur Sportdirektor des Bayerischen Sportschützenbundes (BSSB), in dessen Funktion er derzeit gerne und ausführlich über den Imagewandel des Schießsports spricht (natürlich hat er diesbezüglich viel Positives zu berichten); Horneber ist auch Trainer des Vereins Germania Prittlbach, für den an diesem Wochenende die Luftgewehr-Bundesliga beginnt. Auch als solcher ist Horneber bestens gelaunt. "Die Vorbereitung lief sehr gut, unsere Schützen sind in Top-Form und das Team ist insgesamt stark besetzt."

Abschiedsrunde: Die HSG um Selina Gschandtner hat ihren Ausstieg aus der Bundesliga angekündigt. (Foto: Robert Haas)

Von den drei Münchner Mannschaften, die in diesem Jahr wieder in der Bundesliga starten, ist ausgerechnet Prittlbach der aussichtsreichste Kandidat. Der kleine Verein aus Hebertshausen, der nur 160 Mitglieder zählt und zwischenzeitlich zweitklassig war, hat sich in den vergangenen Jahren still und leise von der Nummer drei zum Spitzenteam der Landeshauptstadt entwickelt. In der vergangenen Saison verlor er zwar im Kampf um Platz drei knapp gegen die HSG München, aber bereits in der Hauptrunde hatte er die Nase vorne. In dieser Saison könnte sich das Bild eindeutig zugunsten Prittlbachs verschieben.

Denn anders als die Lokalkonkurrenz hat sich die Germania erneut verstärkt: In Sebastian Franz wechselt das derzeit größte deutsche Luftgewehr-Talent in den Münchner Norden. "Auf diese Verpflichtung bin ich richtig stolz", sagt Horneber. Der 21-jährige Franz schießt im Nationalkader und war zuletzt bei den deutschen Meisterschaften Zweiter. Warum so ein aufstrebendes Talent lieber für Prittlbach antritt als für die traditionsreiche Konkurrenz, die HSG oder den "Bund" München? Die gute Stimmung und eine Freundschaft zur Prittlbacherin Isabella Straub sind die Gründe. Zuletzt sind die jungen deutschen Talente fast alle nach Prittlbach gewechselt: Straub, die mittlerweile sehr konstante Nummer eins, kam bereits 2013 von der HSG, wo sie nicht immer die angemessene Wertschätzung erfuhr. In Julia Bauer und Anna-Lena Kinateder entschieden sich zuletzt zwei weitere junge Schützinnen für den Verein vom Land. So hat sich der Kader über die Jahre sukzessive verbessert und besitzt das mit Abstand größte Potenzial für die Zukunft. Sechs Topschützen stehen für die vier Startplätze zur Auswahl. Trainer Horneber rotiert gerade auf den hinteren beiden Positionen gerne, jeder bekommt seine Chance. Während sich bei den großen Teams immer wieder Vereinspolitik oder persönliche Befindlichkeiten auswirken, wie jetzt wieder bei der HSG (siehe Infokasten), ist Prittlbach seit Jahren Musterbeispiel an Harmonie und unaufgeregter Arbeit. "Problem-Schützen brauchen wir nicht", sagt Horneber. Dazu passt, dass er erst mal nur die Finalteilnahme, also einen Platz unter den ersten Vier, als bescheidenes Saisonziel ausgibt - und nebenbei strahlend vorrechnet, dass die Fahrten zu den Auswärtswettkämpfen diesmal besonders kurz seien. "So sparen wir rund 1500 Euro", erklärt er.

Einen Platz im Finale nehmen sich auch "Der Bund" und die HSG vor. "Allerdings wird das in diesem Jahr nicht so einfach", weiß Bund-Teammanager Simon Muschiol. In Bundeskaderschützin Silvia Rachl ist eine der Leistungsträgerinnen gegangen. Muschiol nennt "interne Gründe" für den Wechsel. Gleichwertiger Ersatz kam nicht. Olympiasiegerin Barbara Engleder wird gleich am Eröffnungswochenende fehlen, sie entspannt in Granada beim "Champion des Jahres", einer Veranstaltung der deutschen Sporthilfe. Wie oft sie in der Liga überhaupt noch an den Start gehen wird, ist unklar, da sie ihre internationale Karriere beenden wird und in Zukunft Beruf und Familie in den Vordergrund stellt.

Bei der HSG ist zwar Selina Gschwandtner, die zweite deutsche Olympiaschützin, am Start, doch die Nummer zwei Nina-Laura Kreutzer fehlt: Bei einem Reitunfall brach ihr ein Brustwirbel. Ihr Ausfall ist umso schmerzhafter, da der Kader an den hinteren Positionen dünn besetzt ist. Im Verein findet nun ein Umdenken statt, künftig will die HSG mehr auf die eigene Jugend setzen. Klar ist: Für Schützen, die einen neuen Klub suchen, lautet die erste Adresse in der Bundesliga zurzeit: Weilbacher Straße 12, Prittlbach.

© SZ vom 01.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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