Skateboarder Sean Malto:Knickfuß aus der Hölle

Lesezeit: 6 min

Ein Gespräch über Frontside-Crooked-Grind-Kickflips, das Lebensgefühl vor den Toren Hollywoods und die Kreativität beim Bierbrauen.

Interview von Sebastian Winter

Am kommenden Freitag beginnt Munich Mash, das Actionsport-Fest im Münchner Olympiapark. Neben Wakeboardern und BMX-Fahrern messen sich dort auch die besten Skateboarder der Welt. Ihr Stopp in München ist Teil der Street League, der Profitour der 30 weltweit führenden Skateboarder. Einer von ihnen ist Sean Malto, US-Amerikaner wie so viele seiner Konkurrenten. Eine Woche vor dem Festival sitzt der 27-Jährige in Los Angeles und erklärt der SZ, was Freiheit beim Skaten bedeutet. Und wie der ideale Tag für ihn aussieht.

SZ: Mister Malto, Sie waren schon zweimal in München, 2013 bei den X-Games, quasi die Olympischen Spiele des Actionsports, und 2016 bei deren Nachfolger Munich Mash. Welche Erinnerungen haben Sie?

Sean Malto: Ich mag diese Stadt, die großartige Restaurants hat, tolle Parks. Ja, und es scheint mir, dass die Skaterszene in München sehr stark ist. Es ist wirklich eine schöne Stadt, ich hatte die bisherigen Male viel Spaß dort. Im Hofbräuhaus war es ziemlich lustig, und da war noch eine andere Sache, diese natürliche Welle ...

... die Eisbach-Welle ...

Ja, das war verrückt. Cool, wie die Leute sie geritten haben. So etwas habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen.

Sind Sie selbst aufs Board gegangen?

Nein, ich habe die Welle nicht geritten, ich bin kein Surferboy.

Sie waren nicht nur zum Sightseeing in München, sondern vornehmlich als Skateboard-Profi.

Ja, 2016 bin ich beim Mash die Street League gefahren. An meine Platzierung kann ich mich allerdings nicht mehr so recht erinnern. Zwölfter oder Dreizehnter bin ich glaube ich geworden.

Achtzehnter.

Oh. Ins Finale hab ich es jedenfalls nicht geschafft. Es ist aber auch hart, weil die anderen 29 Skater genau dasselbe Ziel haben: ins Finale zu kommen. Die Street League ist schließlich der Contest für Skateboarder. Hier treiben sich die besten Talente der Welt herum, die Konkurrenz ist riesig.

Im Gesamtranking der Street League sind Sie derzeit Dreizehnter.

Das Format funktioniert so: All or nothing. Ob du Zweiter wirst oder Achter, ist eigentlich egal. Du brauchst auf einer Skala bis zehn Punkte nicht mit einem Sieben-Punkte-Trick zu kommen, wenn die anderen einen Neun-Punkte-Trick zeigen. Man muss Risiko gehen, Sicherheit bringt nichts. Ich fühle mich aber bereit. Auch weil es ein ganz schön weiter Weg ist von Los Angeles nach München. Dann sollte es sich auch lohnen. Da fällt mir ein: Meinen ersten Neun-Punkte-Trick habe ich in München gezeigt. Einen Frontside-Crooked-Grind-Alley-Kickflip-Out.

Ah ja. Wo trainieren Sie solche Tricks?

Seit ein paar Jahren wohne ich mit meiner Freundin, einer Profitänzerin, in Los Angeles, im Valley, nicht so weit weg von Hollywood. Wie viele Skateboarder. Hier können wir Street fahren, uns in den vielen privaten Skateparks treffen. Und dann haben wir natürlich die Berrics, ein riesiger Park für jedermann, der alles bietet, was man braucht. L.A. ist gut abgedeckt.

Wollten Sie deshalb in die Metropole?

Das war sicher ein Grund. Wobei es nicht einfach war am Anfang. Ich komme ja aus dem Mittleren Westen, Kansas City, dort habe ich mein erstes Skateboard gekauft. Ich habe drei ältere Brüder, zwei von ihnen skaten. Ich war der Jüngste, wollte mit ihnen Schritt halten. Ich habe es geliebt, mit ihnen durch Kansas zu fahren. Und wollte natürlich ihre Tricks lernen. Sie fahren nicht professionell, mittlerweile haben sie Familie, Kids. Und ich bin nach L.A., habe ein Jahr direkt in Hollywood gelebt. Dort war mir aber alles zu schnell, das hat mich blockiert. Ich wollte raus da, die Geschwindigkeit runterfahren. Im Valley fühlt sich jetzt alles etwas leichter an, das Leben geht langsamer voran, entspannter. Das erinnert mich ein bisschen an zu Hause.

Wie muss man sich Ihr Leben als Skateboard-Profi vorstellen?

Es gibt eine Menge zu tun. Magazin-Geschichten, Videodrehs und solche Sachen. Als Profi bist du selbständig. Abhängig von deinem Talent angelst du dir Sponsoren. Jeder Street-League-Fahrer hat eine ganze Reihe: Sportsponsoren, Schuhsponsoren, Kleidungssponsoren, Getränkesponsoren. Und dann bewerben wir ihre Produkte auf den Contests. Die Street League ist eine Präsentationsplattform für uns. Und bei den Contests bekommen wir auch Geld. Wenn du Erster wirst, gibt es einen netten Scheck für dein Bankkonto. Ich versuche bei jedem Street-League-Contest zu starten - wenn ich mich fit fühle.

Gesundheit ist so eine Sache unter Skateboardern, das Verletzungsrisiko ist groß. Aber selten hat es jemanden so übel erwischt wie Sie im Herbst 2013.

Ich war damals in Kansas City, es war Thanksgiving, am nächsten Tag wollte ich am Liberty Memorial skaten. Es war eine ganz normale Session, Routine, nichts Außergewöhnliches. Und dann hatte ich diesen verrückten Unfall. Ich bin Treppenstufen runtergesprungen in einen Brunnen, aus dem Wasser abgelassen war, weil es im Winter in Kansas kalt wird. Das Board flog durch die Luft, doch ich landete nicht drauf, sondern auf dem Betonboden.

In einem Video ist zu sehen, wie Sie mit dem rechten Fuß fürchterlich umknicken, aufstehen, weiterhumpeln und nüchtern rufen: "Ich habe mir gerade den Fuß gebrochen." Als Sanitäter später Ihren Schuh ausziehen, ist er voller Blut.

Es war aber gar nichts gebrochen. Ich habe mir die Außenbänder gerissen, Knochenabsplitterungen kamen hinzu, was schlimm genug ist. Ich musste mich rekonstruktiver Chirurgie unterziehen, und das braucht Zeit. Ich meine, das Sprunggelenk ist eine Schlüssel-Komponente für Skater. Letztendlich hat es zwei, drei Jahre gedauert, bis ich wieder bereit war, rauszugehen und zu skaten.

Warum so lange?

Es war kompliziert. In Kansas habe ich Reha gemacht, sieben, acht Monate, bevor ich wieder mit dem Skaten begann. Aber es fühlte sich nicht wieder normal an. Wenn ich den Fuß in eine bestimmte Richtung geknickt habe, tat es immer weh. In L.A. war ich dann bei einem Arzt, der herausfand, dass immer noch Knochensplitter im Gelenk waren. Das wurde gesäubert, drei Monate später konnte ich wieder fahren. Das Gefühl war zurück. Nur brauchte ich mental noch eine Weile, um das Vertrauen zurückzugewinnen.

"Ich bin kein Surferboy", sagt Sean Malto, hier bei einem Wettbewerb in Costa Mesa, Kalifornien. Die Münchner Eisbach-Welle findet er "verrückt": "So etwas habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen." (Foto: Zuma Press/Imago)

Ihre Verletzung ging als "Ankle roll from hell" durch die Skateboarder-Szene. Warum haben Sie während ihrer Reha trotzdem nicht den Mut verloren?

Drei Jahre klingt verdammt lang, aber ich habe mich jung gefühlt, wollte auf meinen Körper achten, ganz gesund werden - auch um noch eine lange Karriere zu haben. Aber auch einfach nur, um zu skaten, solange es geht in meinem Leben. Auch deshalb habe ich mir die Zeit genommen.

Sind Sie Skateboarder, weil dieser Sport etwas für Individualisten ist?

Ich liebe das Skaten, weil man reisen kann, neue Menschen kennenlernen. Ich muss die Welt sehen, und das mit meinen besten Freunden. Dafür bin ich sehr dankbar. Ja, und die Freiheit ist unglaublich. Wie du skatest, ist deine Sache. Du musst in keine Fußstapfen steigen, es gibt keinen Leitfaden, den du befolgen musst. Jeder Pro-Skater kann einen Trick namens Kick-Flip, und jeder macht ihn auf seine Weise. Der eine schneller, der andere langsamer, der dritte höher, der vierte niedriger, die Rotation ist unterschiedlich: Es ist schön, solche verschiedenen Styles zu haben.

Wie sieht für Sie ein idealer Tag aus?

( überlegt lange) Da fällt mir gestern ein. Was habe ich da gemacht? Bin aufgewacht, morgens ein wenig Physiotherapie, dann habe ich meine Freunde in diesem privaten Skatepark in Nord-Hollywood getroffen. Wir sind dann für zwei, drei Stunden geskatet, haben ein paar Videos auf Instagram gepostet. Danach Basketball gespielt, später ein bisschen Golf. Nach der Dusche sind wir mexikanisch Essen gegangen und haben nebenbei die NBA-Finals geschaut. Danach in eine Skaterbar, "Black" heißt die, in Hollywood. Skaten, ein bisschen Sport zum Spaß, abhängen mit meinen Freunden: Das ist es.

Ganz nebenbei haben Sie zusammen mit anderen 2013 eine Mikrobrauerei in San Diego gegründet, die Saint Archer Brewing Company. Wie passt das denn zum relaxten Skateboarder-Leben?

Die Idee war, einen Haufen Skateboarder, Snowboarder und Surfer zu finden, die eine Bierfirma aufmachen - und einfach stolz darauf sind. Es war schön zu sehen, wie man mit Kreativität expandieren kann, wie sich so etwas entwickelt.

Was haben Sie genau gemacht?

Wir hatten nicht so viel Zeit, täglich dort zu sein, es war ja eher ein Nebenbusiness. Aber wir haben die verschiedenen Aromen getestet, das Design der Dosen entwickelt, es war eine schöne Zeit. Bei Skate-Events haben wir unser Bier beworben. Und Partys in der Brauerei gab es auch. Vor eineinhalb Jahren haben wir die Brauerei wieder verkauft. Ich hoffe, sie läuft gut. Aber wir sind raus aus diesem Projekt.

München ist Bierstadt, haben Sie hier Pläne für eine neue Mikrobrauerei?

Ich bin generell keiner, der gern große Pläne macht. Ich mag es easy-going, relaxed, und so geh ich einfach in die Stadt und schaue, was mich dort erwartet. Ich skate umher, versuche, ein paar gute Restaurants zu finden. Ich liebe japanisches Essen, aber in Deutschland findet man auch großartige Küche, gerne auch ein Schnitzel. Aber erst einmal will ich ins Finale der Street League kommen.

Damit Ihr Vater stolz auf Sie ist?

Tja, mein Vater ist Oberstleutnant, Absolvent der Westpoint-Militärakademie, mittlerweile im Ruhestand. Er wollte immer, dass einer seiner Söhne in seine Fußstapfen tritt. Beim ersten passierte nichts, beim zweiten nicht, beim dritten nicht. Bei mir? Nichts. Mittlerweile ist er tatsächlich stolz auf den Weg, den ich gefunden habe.

© SZ vom 16.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: