Saisonende für Herrschings Volleyballer:Reife Gurken

Lesezeit: 3 min

Herrschings Volleyballer verabschieden sich im Viertelfinale gegen Friedrichshafen mit einem weiteren Spektakel würdig aus der Meisterschaft. Mit geringfügig besserem Etat und den zentralen Figuren Steuerwald, Tille und Malescha möchte der Klub in die neue Saison gehen - wenn er sein Hallenproblem lösen kann

Von Sebastian Winter, Herrsching

Stelian Moculescu wollte sich vor dem Anpfiff nicht auf den Thron setzen, den ihm Herrschings Volleyballer am Donnerstagabend angeboten haben, natürlich nicht, für solchen Klamauk war er sich dann doch zu schade. Aber es hat ihm gefallen, dass ihm, dem 19-maligen deutschen Meister und 18-fachen Pokalsieger, der mit dem VfB Friedrichshafen 2007 die Champions League gewann, 1000 Zuschauer in der ausverkaufen Nikolaushalle stehend applaudierten. "Der größte Volleyballer in Deutschland", rief Herrschings königlich gekleideter Hallensprecher, und bot Moculescu, der nach dieser Saison als VfB-Trainer abtritt, seine goldene Krone an. Doch auch sie lehnte der 65-Jährige ab.

Moculescu, der kautzige Grantler mit den Angela-Merkel-Mundwinkeln, wollte kein Brimborium, sondern dieses zweite Playoff-Viertelfinalspiel seriös gewinnen und ins Halbfinale einziehen. In einer ihm verhassten, engen, alten Turnhalle, gegen einen leidlich professionellen Klub, was er ebenso sehr verabscheut. "Den Moculescu kotzt das immer an, wenn er in unsere Halle kommen muss, weil die Decke so niedrig ist. Und weil er dann immer gegen unsere Gurkentruppe spielen muss", sagte Mittelblocker Roy Friedrich später süffisant.

Abschluss-Klasse: Trainer und Lehrer Max Hauser gibt seinen Spielern die Saisonnote "Zwei" und formuliert gleich das nächste Ziel: "Halbfinale". (Foto: Georgine Treybal)

Kurzum, die "Gurkentruppe" hat sich famos gewehrt gegen Friedrichshafen, nach knapp zwei Stunden Spielzeit aber doch mit 1:3 (33:31, 20:25, 14:25, 14:25) verloren. Für die Herrschinger ist die Saison damit beendet, die beste ihrer erst zweijährigen Erstliga-Geschichte. "Wir haben unser Ziel erreicht", sagte TSV-Kapitän Patrick Steuerwald, der trotz seiner Daumenblessur drei Sätze mit Schmerzmitteln durchgehalten hatte, Trainer und Gymnasiallehrer Max Hauser gab dem Team "Note zwei".

Das Spiel war ein würdiges Viertelfinale gewesen, auch wenn Friedrichshafen die Herrschinger nach dem Spektakel im ersten Satz mehr und mehr erdrückte mit seiner Dominanz. Das erste Kuriosum ereignete sich aber schon lange vor der Partie, als der Hallensprecher dem Publikum von einem Stau bei Landsberg berichtete - in dem das Schiedsgericht stand. Das Duell begann mit halbstündiger Verspätung, die Zuschauer durften bis dahin nur kurz hinaus an die frische Luft (Ruhestörung, zum Nachbar-Grundstück sind es nur fünf Meter), Herrschings Teammanager Fritz Frömming bat sie eigenhändig wieder in die Halle. Nachdem die Schiedsrichter angekommen waren und Moculescu seine Krönung verweigert hatte, begann der erste Satz - und Herrsching lag mit 1:8 hinten.

Das Aus gegen Friedrichshafen lässt Herrschings Libero Ferdinand Tille erst einmal fassungslos zurück. (Foto: Georgine Treybal)

Doch Moculescus Hoffnung auf einen schnellen Erfolg erlosch bald. Angeführt von Steuerwald und garniert mit schier unglaublichen Abwehrreflexen von Nationalspieler Ferdinand Tille kämpfte sich Herrsching heran, zwang Friedrichshafen in eine dramatische Verlängerung und gewann 33:31. "Wir waren anfangs nicht gut justiert", sagte Moculescu, während Herrschings Trainer Max Hauser frohlockte: "Ich weiß nicht, ob Friedrichshafen überhaupt schon mal so etwas passiert ist." Herrschings Hauptproblem danach war, dass es zu wenige Punkte machte, auch Hauptangreifer Daniel Malescha kam kaum ins Spiel. Friedrichshafen aber stabilisierte sich in der Annahme, Zuspieler Simon Tischer verteilte die Bälle gekonnt, Ex-Nationalmannschafts-Kapitän Björn Andrae, Michal Finger und Baptiste Geiler verwandelten sie oft brachial. Ein Ass besiegelte die am Ende einseitige Partie.

Und doch regnete es danach auf die Herrschinger goldfarbene Lamettaschnipsel herab, sie tanzten. Der letztjährige Tabellenachte, der in den Pre-Playoffs gescheitert war, hat sich wieder gesteigert. Trotz fehlender Trainingszeiten, der Mischung aus Amateuren und Profis, des geringen Etats, der auch kommende Saison Frömming zufolge nur ganz leicht auf 450 000 Euro wachsen soll. Und doch wollen sie sich auch kommende Saison steigern, das Playoff-Halbfinale ist das Ziel - obwohl noch nicht einmal geklärt ist, ob sie für ihre Nikolaushalle eine Ausnahmegenehmigung bekommen bis zum Bau einer möglichen neuen Arena, die sie noch händeringend suchen. Bis Pfingsten soll Gewissheit herrschen, wie und wo es weitergeht. Zugleich ist es kaum vorstellbar, dass die Volleyball-Bundesliga einen ihrer innovativsten und vermarktungsstärksten Klubs fallen lässt, zumal er, nach allem, was man weiß, im Gegensatz zu anderen wie Coburg oder Straubing, solide wirtschaftet.

Hauptangreifer Daniel Malescha schlägt die Hände vor das Gesicht. (Foto: Imago)

Die Kaderplanung schreitet jedenfalls voran, Trainer Hauser baut auf die Führungsachse Steuerwald, Tille und Malescha, die noch nicht unterschrieben haben, aber in guten Verhandlungen mit dem Klub stehen. Nachdem Julius Höfer und Benedikt Doranth, die vor fünf Jahren mit Herrsching noch in der Bayernliga spielten, nun wohl ins zweite Glied rücken, "sind sie mein neuer harter Kern, meine Stakeholder", sagt Hauser: "Ich muss sie aber noch menschlich catchen, von mir überzeugen, die haben mein System noch nicht ganz verstanden." Drumherum möchte Herrschings Trainer ein noch weitaus professionelleres Team als bisher formen. "Ich möchte auch einige junge, bayerische Spieler zurückholen", sagt Hauser, offenbar handelt es sich dabei auch um die Ex-Hachinger Tom Strohbach (TV Rottenburg) und David Sossenheimer (TV Bühl).

Aber zunächst einmal möchte Hauser noch bei Moculescu hospitieren in dessen letzten Trainerwochen am Bodensee. Darum hatte der 32-Jährige den mehr als doppelt so alten Doyen gebeten. Er blieb auch am Donnerstagabend dabei, trotz der Dreistigkeit, die sich Friedrichshafens Trainer nach dem Spiel erlaubt hatte. "Mit Tille und Steuerwald haben sie jetzt zwei Spieler, die Volleyball spielen können." Moculescu sehe eben "in uns lauter Eierköpfe, die aus der Landesliga aufgestiegen sind".

Ob nun Gurken oder Eier: Sie haben Friedrichshafen sehr geärgert. Allein das kann ein Signal für die Zukunft sein.

© SZ vom 02.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: