Pferdesport:Fahrende Legende

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Gerd Biendl ist einer der erfolgreichsten deutschen Trabertrainer. Auch mit knapp 60 gewinnt er jedes dritte Rennen. Zur Ruhe setzen will er sich noch nicht, obwohl die Glanzzeiten seines Sports längst vorüber sind

Von Fabian Swidrak, München

Gerd Biendl spannt noch eben den Sonnenschirm auf, der gefüllte Weißbierkrug steht schon auf dem Tisch bereit. Ein wenig nach rechts den Schattenspender, Kontrollblick, perfekt. Zufrieden setzt sich Biendl auf die kleine Holzbank am Teich hinter seinem Haus. Es ist kurz nach 17 Uhr an einem sonnig-warmen Montagnachmittag. Die Vögel zwitschern, die Grillen zirpen. Biendl beobachtet die Fische im Teich, dann lehnt er sich zurück und streckt entspannt die Füße von sich: Urlaub für einen, der nie Urlaub macht.

Na ja, im Winter gehe er übers Wochenende schon mal Skifahren, erzählt Biendl. Und im Sommer mache er auch mal einen Tagesausflug. Der 59-Jährige tut sich schwer, die Verantwortung für seinen Hof und die Pferde längere Zeit abzugeben. Biendl ist ein Arbeiter, immer beschäftigt, so etwas wie Feierabend gebe es im Grunde auch nicht, sagt er. Den halben Tag trainiere er die Pferde, den anderen halben Tag halte er den Hof instand. "Ich mag jede Arbeit selber machen", sagt Biendl - weil er die Arbeit liebt, aber auch, weil er glaubt, dass sie keiner so gut macht wie er. Vermutlich darf Biendl so etwas glauben. Immerhin ist er einer der erfolgreichsten deutschen Trabrennfahrer der Geschichte.

"Gestern", ist seine trockene Antwort auf die Frage nach dem letzten Rennsieg. An den allermeisten Montagen wäre sie das. Auch wenn er sagt, keinen allzu großen Wert auf Statistiken zu legen, die Fachzeitschriften erinnerten ihn ja doch regelmäßig an die Anzahl seiner Erfolge. 4450 seien es grob, sagt Biendl. Unter den aktiven deutschen Trabrennfahrern ist er damit klar die Nummer eins. Zuletzt waren andere Fahrer und Trainer erfolgreicher, so wie der Sauerlacher Josef Franzl, vor der Selbstständigkeit bei Biendl angestellter Berufsfahrer. Einholen wird Franzl, 44, seinen ehemaligen Chef in absehbarer Zeit jedoch ebenso wenig wie dies Michael Nimczyk, 30, derzeit das Maß aller Dinge im deutschen Trabrennsport, gelingen wird.

Biendl hat die großen Zeiten seines Sports miterlebt. Ende der 1980er gewann er mehr als 200 Rennen pro Jahr, seit knapp einem Jahrzehnt hat kein deutscher Trabertrainer mehr diese Zahl erreicht. Biendl selbst kommt inzwischen kaum noch über 40 Erfolge pro Saison hinaus. Und das, obwohl sich seine Leistung nicht verändert hat. "Im Schnitt gewinne ich nach wie vor jedes dritte Rennen", sagt Biendl. Nur dass es immer weniger werden. Der Sport lebt von den Wettumsätzen auf den Rennbahnen. "Pro Rennen sind das noch zehn Prozent im Vergleich zu den besten Zeiten", klagt Biendl. Zahlreiche Bahnen mussten ihre Rennkalender daher in den vergangenen Jahren stark ausdünnen oder gar schließen. Die Menschen wetten unverändert auf Pferderennen, sie tun es nur nicht mehr auf den Bahnen, sondern bei den Buchmachern oder im Internet, wo das Geld oft an den Sportlern und Besitzern vorbei ins Ausland fließt. 60 Pferde hatte Biendl im Training, als das Geschäft brummte, sogar zusätzliche Stellplätze außerhalb seines Hofs musste er anmieten. Heute trainiert er noch 25 Pferde.

In seiner Jugend war nicht einmal absehbar gewesen, dass Biendl überhaupt eines Tages Traberpferde trainieren würde, obwohl seine Eltern in Straubing ein Pferdetransportunternehmen führten. Im Gegensatz zu seinem sechseinhalb Jahre älteren Bruder Helmut, der ebenfalls einer der besten deutschen Trabrennfahrer wurde und seine Karriere bereits beendet hat, interessierte sich Biendl lange Zeit eher für schnelle Fahrzeuge und starke Motoren. Biendl lernte nach der Schule Elektriker, wegen einer Baukrise in Niederbayern aber musste sein Arbeitgeber Insolvenz anmelden. Bei seinem Bruder bekam er schließlich einen Job, arbeitete zunächst als dessen Angestellter. Erst 1989 machte sich Biendl in Dornach, zwei Kilometer von der Rennbahn in Daglfing entfernt, selbstständig. Einige Pferde, die zuvor sein Bruder betreut hatte, nahm Biendl gleich mit. Sie gehörten Max Stadler, damals Präsident des Münchner Trabrenn- und Zuchtvereins. Aus den gemeinsam erfolgreichen Brüdern wurden Konkurrenten. Für Biendl war das zunächst nicht immer leicht, der familieninterne Vergleich lag auf der Hand. Es habe nach Beginn seiner Selbstständigkeit aber nicht lange gedauert, da habe er mehr Rennen gewonnen als sein Bruder, sagt Biendl. "Ich habe wohl allen Leuten bewiesen, dass ich es genauso kann." 1990 und 1994 war er der Deutsche mit den meisten Rennsiegen. 1993 und 2002 gewann er das deutsche Traber-Derby, das prestigeträchtigste Rennen des Landes, das stets Anfang August in Berlin stattfindet und bei dem nur dreijährige Pferde starten.

In diesem Jahr nahm Biendl nicht am mit 275 692 Euro dotierten Wettkampf teil. Er hat derzeit kein dreijähriges Pferd im Stall, das auf höchstem Niveau konkurrenzfähig ist, sagt aber: "So ein Pferd kann jeden Tag wieder kommen." Wie lange Biendl auf diesen Tag warten will, weiß er nicht. "Man kann in unserem Sport lange fahren, aber irgendwann kommt die Zeit, wo die Jungen besser sind." Biendl kann sich vorstellen, von ihm trainierte Pferde irgendwann nur noch mit Nachwuchsfahrern ins Rennen zu schicken. Sollte er die Tiere jedoch eines Tages nicht mehr trainieren können, brauche er auch keine Pferde mehr. "Ich muss die Tagesform sehen und entscheiden, welches Tempo gefahren wird. Da verlasse ich mich auf niemanden. Mir kann es keiner recht machen."

Bisher erschienen: Carlo Thränhardt (9.8.), Rudi Vogt (6.8.), Michael Hahn (4.8.), Monika Schäfer (30.7.), Kurt Szilier (28.7.), Andrea Eisenhut (23.7.)

© SZ vom 18.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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