Pferdesport:Ausreißer in einer Männerwelt

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Erfolgreiche Reiterinnen im Galoppsport sind selten, doch es gibt sie. Nicht zuletzt in Riem, wo am Dienstag der Saisonabschluss stattfindet

Von Philipp Jakob

München - Stefanie Hofers Siegerlächeln konnte nichts und niemand kaputt machen. Zu groß war die Freude über ihre Leistung und die ihres Pferdes Smooth Operator an jenem Maifeiertag im Jahr 2012. Mehrere Tausend Besucher waren zur Galopprennbahn Riem gekommen. Höhepunkt des Tages war das erstmals in München ausgetragene Rennen um die Silberne Peitsche. Die mit 55 000 Euro dotierte Gruppe-III-Veranstaltung hatte auch Hofer in ihre Geburtsstadt gelockt, die sie als kleines Kind verließ. Es sollte sich lohnen. Etwas mehr als eine Minute dauerte das Spektakel, dann war klar: Der damals sechsjährige Wallach hatte sich mit hauchdünnem Vorsprung gegen die Konkurrenz durchgesetzt. Sich selbst sicherte er damit eine wohlverdiente Abkühlung, seiner Reiterin einen Platz in den Geschichtsbüchern. Stefanie Hofer ist die erste deutsche Jockette (das ist die weibliche Form des Jockeys), die ein Gruppe-Rennen gewann. Keine Frau schaffte das vor ihr.

Schon ein Jahr zuvor war ihr Sporthistorisches gelungen. Beim Deutschen Derby in Hamburg, dem wichtigsten Rennen im deutschen Galopprennsport, ging Hofer als erst zweite Frau in 142 Jahren Derby-Geschichte ins Rennen. "Das waren definitiv die beiden Höhepunkte in meiner Karriere", sagt die 29-Jährige im Rückblick auf ihr Leben im Turfsport. Das begann schon im Kindesalter. Ihr Vater Mario war ebenfalls Jockey und gilt als einer der besten Trainer Deutschlands. "Ich bin damit groß geworden. Ich kenne es nicht anders." Dennoch ist sie eine Ausnahme. In das von Männern dominierte Feld der Berufsrennreiter verirren sich selten Frauen. Oder sie scheitern auf dem Weg. An diesem Dienstag findet in Riem der letzte große Renntag der Saison statt, Hofer hat ihre geplanten Rennen abgesagt. Wieder sind kaum Berufsreiterinnen am Start. Dabei seien "unter den Auszubildenden fast nur Frauen", weiß Hofer. "Viele brechen aber irgendwann ab, weil sie schwanger werden oder denken, es gehe hier zu wie auf dem Ponyhof. Das ist aber nicht der Fall." Der Beruf ist ein Knochenjob. Mehrere Hundert Rennen im Jahr in ganz Europa und der Welt sind keine Seltenheit. Zu den Reisestrapazen kommen tägliche Stallarbeit und ein rigoroses Fitnessprogramm, das im Falle Hofers darauf abzielt, das Körpergewicht von 54 Kilogramm (bei einer Größe von 1,48 Meter) nicht zu überschreiten. Und das ist noch nicht alles. Um physische Vorteile der Männer auszugleichen, "muss man als Frau noch fitter sein", sagt Hofer.

"Wir brauchen keine zarten Persönlichkeiten", weiß auch Michael Figge. "Ein Jockey soll nicht nur sein Pferd gerne haben, er muss ein stark belastbarer Sportler sein." Der 43-Jährige ist einer der erfolgreichsten Trainer in Riem und sieht ähnlich wie Hofer männliche Jockeys dank ihrer Konstitution im Vorteil. Schließlich müssten sie die Englischen Vollblüter, echte Kraftpakete, "im Zaum halten", um im Rennen deren Tempo zu kontrollieren, sie gut zu positionieren und auf der Zielgeraden alles aus ihnen herauszuholen.

Für Hofer ist das offenbar kein Problem. Seit 2007 reitet sie als Profi auf der ganzen Welt, 2015 feierte sie ihren 400. Sieg. "Mittlerweile sind ein paar hinzugekommen", sagt sie lapidar. Stets hat sie sich dabei gegen männliche Kollegen durchgesetzt - eine Geschlechtertrennung gibt es im Turfsport nicht. Die Besitzer, die sich die größten Siegchancen erhoffen, setzen zumeist auf Jockeys. Um als Jockette eine Chance zu bekommen, muss man richtig gut sein.

Etwas leichter ist es bei den Nachwuchsreitern. Die bekommen eine sogenannte Erlaubnis: Ihre Pferde müssen bis zu fünf Kilo weniger Gewicht tragen. Leichtere Pferde sind natürlich schneller, so haben Nachwuchsreiter eine gute Chance, gegen erfahrenere Jockeys zu bestehen - auch Frauen. Aktuell sind sechs der zehn besten Nachwuchsreiter Jocketten. Die Rangliste führt Eva-Maria Geisler an. Sie ist Dauergast in München und wird von Riemer Trainern immer wieder eingesetzt. Für den Saisonabschluss in Riem macht sie sich Hoffnungen auf das Nachwuchsreiter-Championat. Aber: Den Sprung in die Klasse der Berufsrennreiter wird auch sie nicht wagen. Zum Jahreswechsel plant sie ihr Karriereende. Mit Galopptrainer und Ehemann Gerald Geisler möchte sie sich ganz der Familienplanung widmen. Wieder geht der Jockeyszene also ein vielversprechendes weibliches Talent verloren. Ehe es soweit ist, möchte sie die männlichen Kollegen noch ein letztes Mal hinter sich lassen. Mit dem Championat am Dienstag wartet vielleicht der schönste Erfolg ihrer Karriere. An jener Stätte, an der auch Hofer ihren größten Sieg feierte.

© SZ vom 29.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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