Luftpistole-Bundesliga:Verwackeltes Schussbild

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Die hochkarätig verstärkte HSG München muss sich am ersten Wettkampf-Wochenende mit nur einem Sieg begnügen. Trotzdem sieht sich der Verein für die Belastungen in der vorolympischen Saison gut gerüstet

Von Julian Ignatowitsch, München

René Potteck war für einen kurzen Moment irritiert. Gerade als er den Abzug seiner Luftpistole lösen wollte, blitzte hinter ihm ein helles Licht auf. "Ich habe so ein kurzes Flackern gesehen, bin ein wenig erschrocken, der Finger hat leider intuitiv abgedrückt", schilderte er die Situation. Ein Zuschauer hatte ein Foto geschossen, Pottecks Konzentration war gestört, sein Schuss verunglückte: nur sieben statt möglicher zehn Punkte. Im Schießsport reicht so ein kurzes Ablenkungsmanöver aus, um über Sieg oder Niederlage zu entscheiden.

In diesem Fall also: eine Niederlage. Der HSG München fehlten am Ende des ersten Wettkampftages der Bundesliga genau drei Ringe zum Sieg gegen den SV Waldkirch. Das Duell ging mit 2:3 Punkten verloren. Was passiert wäre, wenn Potteck statt des blitzschnellen Fehlschusses ins Schwarze getroffen hätte, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. "Aber ich glaube, wir hätten dann gewonnen. Alles sehr, sehr unglücklich", resümierte der gelernte Koch, der seit 2012 für die HSG aktiv ist. Die Münchner legten sogar Einspruch beim Kampfrichter ein, dieser wurde aber abgelehnt. Das Reglement sieht für so einen Fall keine Revision vor. Ein ärgerlicher Auftakt also, zumal die HSG mit 1898 Ringen auch noch das bessere Teamergebnis hinlegte als der Gegner.

"Sport ist eben keine Mathematik", fasste HSG-Präsident Helmut Fischer zusammen, der die Mannschaft beim Auswärtswettkampf in Kelheim zum Saisonstart betreute. "Zum Glück gab es ja noch einen zweiten Tag." Und an diesem zeigten die Münchner Schützen, was in dieser Saison ihr Anspruch ist. Mit 5:0 Punkten besiegten sie am Sonntag den SV Altheim Waldhausen. Ein Beleg der Stärke: 1908 Ringe insgesamt, 381,6 im Durchschnitt, alle Duelle wurden gewonnen. "Das war extrem gut", sagte Fischer, "und unterstreicht die Qualität unserer Schützen."

Ganz vorne: Zugang Olena Kostevych, die am ersten Tag noch geschwächelt hatte. Sie zeigte an Tag zwei mit 388 Ringen eine olympiareife Vorstellung. Überhaupt kennt sich die aktuelle Europameisterin mit Spitzenergebnissen aus, 2004 war sie Olympiasiegerin in Athen. "Sie fühlt sich wohl bei uns und ist sehr umgänglich", sagte Fischer. An Position eins wird sich die Ukrainerin Kostevych in dieser Saison mit der Bulgarin Antoaneta Boneva abwechseln. Damit hat die HSG das stärkste internationale Duo der Liga. Und auch dahinter ist die Qualität im Kader hoch: Arben Kucana (381 Ringe) überzeugte gegen Waldhausen genauso wie Tobias Heider (382), auch Potteck (378) und die international erfahrene Munkhbayar Dorjsuren (379) konnten zufrieden sein. "Dabei sind wir ja gar nicht in Bestbesetzung angetreten", erklärte Fischer. Mit den Zwillingen Andreas und Michael Heise, die bei den Weltspielen in Südkorea am Start waren, hat die HSG noch zwei weitere Hochkaräter in der Mannschaft. Der Kader ist breit aufgestellt. Man ist also gut vorbereitet für die höhere terminliche Belastung, einerseits vor den Olympischen Spielen, andererseits durch die gestiegene Zahl an Bundesliga-Wettkämpfen. Denn die Liga wurde im Sommer von acht auf zwölf Teams aufgestockt, wodurch es zwei Wettkampfwochenenden mehr gibt. Die HSG-Verantwortlichen begrüßen diesen Schritt. Sie erhoffen sich mehr Aufmerksamkeit für den Ligabetrieb im Besonderen und den Schießsport im Allgemeinen. "Davor konnte man ja kaum von einer richtigen Liga sprechen. Da war die Saison ja schon vorbei, bevor sie überhaupt angefangen hatte", meint Trainer Detlef Polter. Nun habe die Bundesliga einen ganz neuen Stellenwert. Die Münchner wollen ins Finale, dazu müssen sie in der Hauptrunde unter die ersten Vier kommen.

Das sieht auch Potteck so. Er nennt sich angesichts der hohen Leistungsdichte in seiner Mannschaft nur einen "guten Reservisten". Wenn alle Schützen an Bord sind, ist er für die zweite Mannschaft vorgesehen. "Aber ich kann auch Bundesliga", sagt er. "Ich sammle mit jedem Einsatz neue Erfahrungen." Wie es ist, im Blitzlicht zu stehen, weiß er jetzt auch.

© SZ vom 05.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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