Linksaußen:Wir sind ärmer, ätsch!

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Die Deutsche Basketball-Liga führt eine neue Disziplin ein: das "Der-hat-mehr-Geld-als-wir"-Petzen

Von Ralf Tögel

Als die 16 Tonnen schwere Urania-Weltzeituhr am Alexanderplatz aufgestellt wurde, herrschten noch andere Zeiten in Berlin. Seit dem 30. September 1969 erfüllt das tickende Bauwerk seine Funktion, und das, obwohl es von einem umgebauten Trabant-Getriebe bewegt wird. Die Technik des Chronometers, das sei noch erwähnt, befindet sich mitsamt Elektromotor zwei Meter unter dem Alex in einem fünf mal fünf Meter großen Raum. Tempus fugit, wie der alte Berliner sagt, wen wundert es da, dass auch die Basketballer auf ihrer Homepage die Sekunden bis zu den Playoffs gezählt haben.

Richtig, die Basketball-Bundesliga (BBL) ist in die K.o.-Phase eingebogen, jeder Klub, der einen Platz im elitären Kreis der letzten Acht ergattern konnte, hat die Playoffs auf seine Weise begrüßt. Der deutsche Meister rief die "Geilste Zeit des Jahres" aus - und hat sich mit dem 83:72 gegen Frankfurt gleich für mehr in Stimmung gebracht. Bamberg heißt fortan "Bamback", was wohl daran erinnern soll, wie sehr man die dominanten Zeiten der jüngeren Vergangenheit zurücksehnt. Mit dem 87:79 gegen Ludwigsburg ist schon ein bisschen Vergangenheit angekommen. Allenthalben blicken Basketballer böse drein, präsentieren wilde Tattoos wie Kriegsbemalung und erzählen Dinge wie: "Unser Weg ist noch nicht zu Ende" (Oldenburg), oder "Wir sind bereit" (Ludwigsburg). Es ist halt "Playoff-Time Baby", dieser Slogan konnte nur von der BBL stammen.

Ohne den anderen Klubs zu nahe zu treten, der Meister wird wohl aus dem Kreis der drei großen Bs bestimmt, Bayern, Berlin oder Bamberg. Die sind dem Rest sportlich enteilt - wie auch finanziell. Was eine völlig neue Disziplin im Ringen um den Titel hervorgebracht hat: das "Der-hat-mehr-Geld-als-wir"-Petzen. Die Reichsten sind die Bayern, sagen Berlin und Bamberg, ätsch. Die Franken haben aber einen ehrgeizigen Milliardär im Rücken, erinnern die Münchner, selber ätsch. Und überhaupt, die ärmsten, heul, das sind die Berliner. Allein aus guter, alter Tradition, denn alles andere würde gar nicht zum Image unser aller Hauptstadt passen: "Arm aber sexy", erfunden von Klaus Wowereit. Der ist aber genauso Geschichte wie die DDR. Und das ist gut so.

© SZ vom 11.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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