Linksaußen:Stehen bleiben!

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Weiter, immer weiter: Der Alltag lässt keine Pausen mehr zu. Zumal im Sport. Es wird gespielt, bis dem letzten Energiegetränke-Riesen der Saft ausgeht. Ein Plädoyer für mehr Stillstand

Von Johannes Schnitzler

Ist es nicht merkwürdig? Kaum ist Weihnachten vorbei, der Jahreszyklus vollendet, die anstrengendste Zeit im Kalender abgerissen, ja der ganze Kalender abgearbeitet, und das neue Jahr, frisch und weiß verpackt in der wie immer leicht verspäteten, jeden Misston dämpfenden Schneewatte, lächelt einem entgegen, einfach so, ganz unschuldig - da verspürt man auf einmal diese unbezähmbare Lust auf: Abschalten. Ausspannen. Absolut gar nichts tun. Null neue Energie, null Elan. Nur: Müdigkeit. Melancholie. Misanthropie.

Alles geht einfach immer so weiter, ohne Zäsur. Der Alltag erlaubt einfach keinen Stillstand mehr. Zumal im Sport. Die Basketballer des FC Bayern wissen vor lauter Bundesliga und Championseuroleaguecup schon gar nicht mehr, in welchem Wettbewerb sie gerade gegen Ulm gewonnen haben. Oder verloren. Oder, anderes Beispiel, Eishockey: Das galt, die Alten werden sich erinnern, in grauer Vorzeit als Wintersport. Als noch "Eishackler" über Natureis flitzten, dauerte eine Saison vier Monate. Dann war Sommerpause, von März bis Oktober. Dank perfekt klimatisierter, Energie verschlingender Arenen ist Eishockey längst zum Ganzjahresgewerbe geworden. Mit der Betonung auf Werbung. Die Profis des EHC Red Bull München etwa mussten am 30. Dezember noch schnell die Olympiahalle bespielen, um auf sich und ihren Geldgeber aufmerksam zu machen, und an Neujahr gleich wieder. Nach dem 1:2 gegen Köln klagte Trainer Don Jackson: "Uns hat es deutlich an Energie gefehlt." Ja wie? Grenzt es nicht an Rufschädigung, wenn ausgerechnet beim Flügelverleiher der Saft ausgeht? Aber es gibt keine Pausen. Auch am Dienstag, Donnerstag und Sonntag stand Jacksons Team auf dem Eis. Bis Ende Februar wird um die Playoffs gespielt, dann bis Mitte April um die Meisterschaft. Im Mai, einst als Liebes- oder Wonnemonat besungen, findet die Weltmeisterschaft statt, in Köln und Paris, den Welthauptstädten der Liebe. Immerhin. Auf dem Eiffelturm kann man deshalb, kein Witz, nun Eishockey spielen. In einer Höhe von 57 Metern haben die Organisatoren eine Eisfläche installiert. Geworben wird hier allerdings nicht um Liebe, sondern um zahlende Kundschaft. Käufliche Liebe, wenn man unbedingt will.

Maskottchen dieser WM sind übrigens die dank ihres Zaubertranks nimmermüden Comic-Helden Asterix und Obelix, die weniger für Liebe stehen als für Hiebe, was ja irgendwie auch wieder passt. Wie aber sagte einst der Gallier-Häuptling Majestix: "Manchmal, da gibt es Augenblicke, da fühl ich mich richtig müde, aber so richtig." Das Jahr läuft. Bleiben Sie mal stehen. Pause.

© SZ vom 09.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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