Linksaußen:Mehr Amateurfußball!

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Als Boris Becker im August Anno Domini 2016 folgenden Satz kundtat, war ein Erdbeben biblischen Ausmaßes zu erwarten: "Es läuft meines Erachtens zu viel Fußball." Im Fernsehen, meinte der Tennis-Messias. Hat er recht?

Von Ralf Tögel

Als Boris Becker das Wort erhob, kam die Menschheit ins Grübeln. Der Tennis-Messias hat zwar manche Weisheit in die Sportwelt geschickt, der man, nun ja, nicht zu viel Bedeutung schenken sollte. Als er aber im August Anno Domini 2016 folgenden Satz kundtat, war ein Erdbeben biblischen Ausmaßes zu erwarten: "Es läuft meines Erachtens zu viel Fußball." Im Fernsehen, war gemeint, angesichts von erster und zweiter Bundesliga, Pokal, Europa League, Champions League, Regionaliga-Derbys und vielem mehr ein guter Einwand. Der Zuschauerzuspruch bei den Olympischen Spielen brachte den Grandseigneur der Sportphilosophen zu dieser Eingabe. Zu Recht?

Ein Blick ins Programm dieser Tage bringt vielleicht Erleuchtung. An Christi Himmelfahrt, dem Tag, der im christlichen Glauben die Rückkehr Jesu zu seinem Vater in den Himmel feiert, übertrug die ARD: den Finaltag der Amateure, von 12.35 Uhr bis 22.30 Uhr, fast genau zehn Stunden. 2,27 Millionen Zuschauer in der Spitze bei der Live-Konferenz der 20 Landespokal-Endspiele haben dabei so prickelnde Spiele wie VfR Hausen gegen 1. FC Rielasingen-Arlen (der mit 6:1 und damit den südbadischen Pokal gewann), oder Wacker Burghausen gegen Schweinfurt (der 1:0 und den bayerischen Landespokal gewann) gesehen. Man lernte interessante Dinge, zum Beispiel, dass die Schweinfurter "Schnüdel" genannt werden. Und es geht weiter: Relegation zur dritten Liga, zur zweiten Liga, zur Bundesliga, ebenfalls umfänglich und live im TV zu verfolgen. Mal ehrlich: Muss das sein? Fußball, wohin das Auge wann immer blickt?

Es geht doch auch anders, ARD, Primetime, Samstagabend, Königsdisziplin Familienshow: "Wetten dass" ist tot, heutzutage unterhält unsereinen Eckart von Hirschhausen, der auch noch Arzt und Zauberer ist und mit seiner näselnden Stimme an einen überdrehten Flugkapitän erinnert, mit "Frag doch mal die Maus". Eine Wucht, mit bekannten Menschen wie der Komikerin Lisa Feller oder der Frau von Axel Milberg (der ist ein einigermaßen bekannter Schauspieler und war wenigstens auch dabei) und mit lustigen Spielen, wie dem: Die Kandidaten müssen raten, wie viele Wäscheklammern man braucht, um ein Kind an eine Leine zu hängen. Das probiert dann der Maus-Co-Moderator Ralph Caspers aus, den jedes Kind kennt (aber auch nur Kinder), mit einer Schutzbrille, hihihi. Man lernt wichtige Sachen, zum Beispiel, dass man beim Achterbahnfahren Haare trocknen kann, oder dass ein Freerunner schneller als ein Springreiter durch einen Hindernisparcours kommt. Das hat übrigens Sportreporter Tom Bartels moderiert. Und um 23.15 Uhr war es schon wieder vorbei.

Wem das zu kindisch war, der konnte zu "Schlag den Star" zappen, wo Lena gegen Lena (Sängerin gegen Model) in noch lustigeren Spielen antraten. Blöd, dass man ihnen alles dreimal erklären musste und sie beim Getränke-mit-verbundenen-Augen-erkennen-Spiel dauernd fluchten. Moderator war Elton, der meist (zum Glück) Kindersendungen moderiert. Eine Bitte bei der Gelegenheit: Konnte man nicht öfter Amateurfußball übertragen? Oder Tennis? Nicht nur Boris Becker würde sich freuen.

© SZ vom 29.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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