Großhaderns Judofrauen:Leichte Ausfallerscheinungen

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Kleine Unaufmerksamkeit: Viola Wächter (oben) verliert ihren ersten Kampf gegen Backnangs Sappho Coban. (Foto: Lukas Barth)

Der deutsche Meister kann gleich zu Saisonbeginn die niedrigste Gewichtsklasse nicht besetzen und unterliegt.

Von Julian Ignatowitsch, München

Die Matte blieb leer. Gleich zweimal. Der vierte und elfte Kampf des Tages in der Siegi-Sterr-Halle fanden einfach nicht statt. Der TSV Großhadern hatte die Position im Leichtgewicht bis 48 Kilogramm am Auftaktwochenende der Judo-Bundesliga der Frauen nicht besetzen können. Es stand schlichtweg keine einsatzbereite Athletin zur Verfügung.

Es gibt sicherlich bessere Tage, um eine Titelverteidigung zu beginnen. Der aktuelle deutsche Meister Großhadern war im Duell mit der TSG Backnang am ersten Maiwochenende gnadenlos unterbesetzt und verlor den ersten Kampf der neuen Saison entsprechend mit 5:9 Punkten. "Ein unglücklicher Start", räumte die neue Trainerin Theresa Diermeier ein. Dass sich die Bundesligatermine mit internationalen Wettkämpfen und Trainingslagern überschneiden, ist im Judo keine Seltenheit. Aber dass einem Verein auf diesem Niveau, noch dazu dem Meister, tatsächlich die Sportler ausgehen, ist dann doch eher die Ausnahme. Eliana Pielmeier verletzt (Innenbandriss im Knie), Taciana de Lima beim Grand Prix in Zagreb, Jessica Keil bei den internationalen deutschen U18-Meisterschaften in Berlin und Nadine Thiel auf Uni-Exkursion: So blieb die Matte eben leer. Weil es ausgerechnet die unterste Gewichtsklasse betraf, konnte Großhadern auch nicht mit einer Aufwertung tricksen, die Waage ist nur nach oben offen.

Zwei Punkte mussten die Münchnerinnen also kampflos abgeben - und auch sonst lief nicht alles nach Plan. Viola Wächter (-57 kg) verlor ihren ersten Kampf in Führung liegend nach einer Unaufmerksamkeit überraschend doch noch, und die sonst formstarke Maria Ertl (-52 kg) hatte in zwei sehr intensiven Duellen mit Birgit Ente jeweils das Nachsehen. Sie hatte bereits unter der Woche in Zagreb gegen Ente gekämpft und verloren, beide waren zusammen nach München geflogen. Beim dritten Kampf der beiden innerhalb weniger Tage war für die 23-Jährige dann physisch wie mental die Luft raus. Auf österreichische Verstärkung mussten die Münchnerinnen diesmal zudem ganz verzichten. Bernadette Graf und Magdalena Krssakova (beide -63 kg) weilten mit der Nationalmannschaft im Trainingslager. Die Niederlage kann also angesichts der extremen Personallage verschmerzt werden.

Generell ist die Perspektive für die Saison bei Großhadern erneut gut. Die Mannschaft ist bis auf den Wechsel von Kay Kraus ins Trainerteam, die sich sportlich eine Auszeit nimmt, exakt dieselbe wie im Vorjahr. Und da waren die Frauen erstmals in der Vereinsgeschichte deutscher Meister. Die Berlinerinnen Laura Vargas Koch (-70 kg) und Carolin Weiß (+78 kg) sind im Team geblieben und haben sich gut integriert. Ansonsten vertraut der Klub weiterhin seiner "Süd-Alpen-Philosophie" mit überwiegend bayerischen und einigen österreichischen Athletinnen. Die größte Veränderung gab es auf der Trainerposition, wo die 25-jährige Diermeier ihre Freundin Verena Birndorfer als Hauptverantwortliche ablöst. Birndorfer hatte den Posten wegen privater Angelegenheiten abgegeben. "Das Coachen hat mir schon immer sehr viel Spaß gemacht", sagt Diermeier, die auch weiterhin selbst auf der Matte stehen wird. Sie war schon vorher Teil des Trainerteams, jetzt sind ihre Aufgaben umfassender. "Schwergewicht zu trainieren, ist für mich am gewöhnungsbedürftigsten", meint sie, die selbst im Leichtgewicht unterwegs ist. Auch organisatorisch sei manches neu. Verein und Teamkollegen unterstützen sie. "Wir legen weiterhin viel Wert auf Teamgeist und Zusammenhalt", sagt Diermeier, weshalb die Mannschaft auf teure internationale Verstärkung größtenteils verzichtet und lieber den eigenen Nachwuchs nach oben holt. Von der Titelverteidigung möchte die Trainerin nicht explizit sprechen, Backnang oder Speyer sind schlagkräftige Konkurrenten. "Das ist dann auch von der Tagesform abhängig", sagt sie. "Aber die Finalrunde und eine Medaille sind auf jeden Fall unser Ziel."

Ähnlich wie bei den Männern wird man in der Vorrunde öfters auf die hochkarätigen Kämpfer verzichten müssen, der Terminplan ist im Jahr vor den Olympischen Spielen noch voller als sonst. Die Bestbesetzung ist deshalb erst in der Finalrunde vorgesehen. Zumal die deutsche Meisterin Vargas Koch nach einer Knie-OP erst wieder fit werden muss. Ohne sie wird es auch beim nächsten Kampf in Speyer schwer werden. "Danach kommen die leichteren Gegner", sagt Diermeier. Eine Sache hat sie vor dem kommenden Samstag aber schon telefonisch geklärt. "Taciana de Lima wird für uns im Leichtgewicht auflaufen", sagt sie mit Blick auf die Auswärtsfahrt. Zwei Punkte einfach kampflos abgeben, will Großhadern nicht noch einmal.

© SZ vom 04.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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