Großhadern ist neuer deutscher Judomeister:Befreit nach 14 Jahren

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Bei der Endrunde um die deutsche Judomeisterschaft lässt der TSV Großhadern den Gegnern in Esslingen keine Chance - auch wegen der Tiefe seines Kaders. Die Münchner folgen nach langer Durststrecke auf Dauermeister Abensberg, der keine Bundesliga-Mannschaft gemeldet hatte

Von Julian Ignatowitsch, Esslingen/München

Und plötzlich war der TSV Großhadern nicht mehr zu stoppen. Teambetreuer Gerhard Dempf ballte energisch die Faust, seine Athleten sprangen am Mattenrand jubelnd auf und ab - und Trainer Ralf Matusche krächzte mit heißerer Stimme: "Auftrag erfüllt!"

Nach 14 Jahren sind die Judo-Männer aus München wieder deutscher Meister, zum elften Mal in der Vereinsgeschichte. Die Endrunde: eine Machtdemonstration. 10:3 gegen den Gastgeber KSV Esslingen im Finale, davor 10:3 gegen Hamburg im Halbfinale. "Wir sind hierher gekommen, um deutscher Meister zu werden. Wir sind deutscher Meister", stellte Matusche scheinbar nüchtern fest. Die Genugtuung war ihm indes anzumerken. Lange musste Großhadern auf diesen Moment warten, nach vielen zweiten und dritten Plätzen stand diesmal die einfache Erkenntnis: Das stärkste Team hat verdient gewonnen.

Rechtzeitig zum Finale war Großhadern in Bestbesetzung. Auf jeder Position doppelt besetzt, angeführt vom WM-Zweiten Karl-Richard Frey, mit den Bundeskaderathleten Igor Wandtke, Julian Kolein, Alexander Wieczerzak und Aaron Hildebrand, dazu die internationalen Stars Colin Oates, Aleksandar Kukolj und Roy Meyer - diese Mannschaft war schlichtweg nicht zu schlagen. "Ganz stark", resümierte Matusche. "Unser großer Trumpf heute war die Tiefe im Team. Wir hatten im zweiten Durchgang keinen Qualitätsverlust, das war der große Vorteil gegenüber der Konkurrenz."

In einem Judo-Bundesligakampf, der aus 14 Einzelkämpfen besteht, muss jedes Team nach dem ersten Durchgang mindestens drei Athleten auswechseln. Das ist gut für denjenigen, der eine gleichwertige Bank hat. In dem Fall: Großhadern. "Wer einen Weltranglisten-Achten mit einem Weltranglisten-Zehnten ersetzen kann, kriegt keine Probleme", brachte Matusche die Erfolgsstrategie auf den Punkt. In beiden Finalkämpfen war der Verlauf nahezu deckungsgleich: Vor der Halbzeit umkämpft und knapp, im zweiten Abschnitt marschierte Großhadern davon. Sechs Kämpfe in Serie gewannen die TSV-Judoka in einem furiosen Schlussspurt gegen Esslingen. Jeder dieser Kämpfe endete klar mit einer großen Wertung. Wieczerzak brauchte nicht mal 30 Sekunden, und Kukoljs Gegner Sandro Makatsaria trat gar nicht mehr an, weil ihm die Verletzungsgefahr zu groß und zu diesem Zeitpunkt sowieso schon alles entschieden war.

Großhaderns Plan ging also auf. Im Finale wolle man alle Mann an Bord haben, hatte Matusche die Saison über stets beteuert. Während in der Vorrunde oft der Nachwuchs ran musste, starteten pünktlich zum Finale die Besten. Das bedeutete allerdings auch, dass in Kolein und Christoph Köberlin nur zwei Kämpfer vom bayerischen Stützpunkt für die Münchner auf die Matte gingen. Lokalmatador Tobias Englmaier fehlte verletzt, Talente wie Lukas Vennekold, David Karle oder Timo Cavelius, die in Großhadern ausgebildet werden, waren zwar dabei, schauten aber nur zu. Betreuer Dempf betonte deshalb explizit: "Heute haben die Stars gekämpft. Aber den Titel haben wir als Mannschaft gewonnen." Langjährige Vereinsmitglieder wie Stefan Friedrich oder Felix Ditschek, die regelmäßig in der Bundesliga antreten, wenn Not am Mann ist, durften sich angesprochen fühlen. "Viele Leute haben dazu beigetragen, dass wir hierher gekommen sind", sagte Dempf, der beim letzten Titelgewinn 2001 selbst mitgekämpft hatte.

Und dennoch muss an dieser Stelle noch einmal das Fehlen von Rekordmeister TSV Abensberg erwähnt werden. Die Niederbayern hatten zuletzt 13 Mal in Serie den Titel gewonnen und waren für Großhadern nicht zu bezwingen. Sie hatten aufgrund der Sommerspiele 2016 in diesem Jahr kein Bundesliga-Team gemeldet. Wie das Finale mit Abensberg ausgegangen wäre, lässt sich natürlich nicht beantworten. Eigentlich schade, denn in dieser Saison hätte Großhadern dem Erzrivalen wohl tatsächlich gefährlich werden können.

So hisste die Mannschaft kurz nach der Medaillenübergabe stolz die bayerische Flagge. Während die Stars um Frey gleich zu den nächsten Terminen weiterfuhren, zog der harte Kern in München nachts um die Häuser. In weißen Siegershirts, auf denen in roten Druckbuchstaben eine so simple wie frohe Botschaft stand: "Deutscher Meister".

© SZ vom 12.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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