Gröbenzellls Drittliga-Handballerinnen:Schmerz lass nach

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Die Gröbenzeller Handballerinnen verlieren das Spitzenspiel der dritten Liga gegen Ketsch unglücklich und unverdient. Aber sie beweisen vor einer großen Kulisse, dass der für die kommende Saison angepeilte Aufstieg keineswegs eine Utopie ist

Von Ralf Tögel, Gröbenzell

Vera Balk lachte. Das ist an sich nichts Besonderes, die Gröbenzeller Handballerin hat ein sonniges Gemüt. In diesem Fall aber war es durchaus bemerkenswert, denn gerade war die Partie gegen die TSG Ketsch zu Ende gegangen. Und an der Torjägerin war die Intensität der Spiels bestens zu sehen: Die Ärmel ihres Trikots hingen in Fetzen herunter, Balk hatte Würgemale und einen großen, blutigen Kratzer am Hals. Das gehöre dazu, meinte sie tapfer lächelnd, doch als es ums Ergebnis gingt, wurde ihre Miene einen Moment ernst: "Uns hat das Quäntchen Glück gefehlt." Und ja, sie sei "enttäuscht". Das Drittliga-Gipfeltreffen hatte indes gehalten, was man sich versprechen durfte - mindestens. Der Tabellenzweite HCD Gröbenzell empfing den ungeschlagenen Tabellenführer Ketsch, mehr geht nicht. Und beide Teams bestätigten diese Einschätzung, Ketsch bleibt nach dem 36:33-Triumph weiter ohne Verlustpunkt und wird wohl in die zweite Bundesliga aufsteigen. Gröbenzell unterlag als erster Herausforderer unglücklich, agierte aber stets auf Augenhöhe und hat den Aufstieg in der kommenden Saison selbst als Ziel formuliert.

Kein vermessenes Anliegen, den ultimativen Nachweis erbrachten die HCD-Frauen in einem sehenswerten Schlagabtausch auf hohem Niveau, in einer torreichen Partie vor zahlreichen Zeugen. Die Gäste hatten die knapp 320 Kilometer lange Reise aus der Nähe von Heidelberg mit zwei Bussen angetreten, galt es doch, die Vorentscheidung im Kampf um die Meisterschaft zu feiern. So hatten insgesamt 600 Zuschauer den Weg in die Wildmooshalle gefunden - Saisonrekord. Handball dieser Güteklasse kann man in Südbayern auch nur in Gröbenzell bestaunen.

Vera Balk erzielte trotz viel gegnerischer Härte sieben Treffer. (Foto: Günther Reger)

Von der ersten Sekunde an hatte die Partie eine immense Intensität, mit hohem Tempo ging es hin und her, keine Mannschaft bekam Zeit zum Luftholen. Schnell war klar, dass es ein hohes Ergebnis wird, denn vor allem in der Anfangsphase bekamen die Torhüterinnen kaum einen Ball zu fassen. Was nur bedingt an ihnen selbst lag, die Ursache war vielmehr in der Qualität der Abschlüsse zu suchen. Auf Gästeseite tat sich erwartungsgemäß die wuchtige Katrin Schneider hervor. Die 25-Jährige ist nicht nur eine gestandene Bundesligaspielerin, in der vergangenen Saison ging sie noch für den Erstligisten DJK/MJC Trier an den Start und wurde sogar Torschützenkönigin in der Eliteliga. Auch beim HCD untermauerte die robuste Rückraumspielerin mit 13 Treffern ihre Ausnahmestellung in der dritten Liga und brachte die Kulisse mit einem Unterarmwurf, der aus großer Distanz unhaltbar hinter Lidija Radovanic einschlug, zum Raunen. Die überragende Saison der Gäste nur an Schneider festzumachen, würde dem restlichen Personal nicht gerecht, das fand auch Vera Balk: "Sie sind auf jeder Position herausragend besetzt", was sich gerade in den Schlussminuten gezeigt habe. Denn da war es vor allem Samira Brand, die ihre Farben mit zwei Treffern zum 34:32 entscheidend in Vorteil brachte.

Davor jedoch war die Partie ein elektrisierender Vergleich zweier absolut gleich starker Teams. Die Führung wechselte mehrmals hin und her, keiner Mannschaft gelang es, sich weiter als zwei Treffer vom Gegner abzusetzen, der dann umgehend ausglich. 17:17 stand es bereits zur Pause, und das Torfestival sollte im zweiten Durchgang ungebremst weitergehen. Auf HCD-Seite war es einmal mehr Vera Balk, von der die größte Torgefahr ausging. Im Vergleich zu ihrem Gegenüber Schneider wirkt Balk fast zierlich, doch sie versteht es, mit viel Energie und ohne Rücksicht auf die eigene Unversehrtheit das gegnerische Tor zu attackieren. Weder die ruppige Ketscher Abwehr noch eine Sonderbewachung verhinderten Balks sieben Treffer. Die Fischer-Schwestern Sina und Aline, ebenfalls Schlüsselspielerinnen, steuerten je fünf Tore bei. Ausnahmetalent Amelie Bayerl und die umsichtige Svenja Jänicke verdienten sich ebenfalls Bestnoten, doch Trainer Hendrik Pleines wollte niemanden herausheben und fand für jede Spielerin ein Lob. Er sah in der Ausgeglichenheit seines Kaders sogar einen Vorteil.

Für die Werferinnen konnte es schmerzhaft werden, was Svenja Jänicke erfuhr. (Foto: Günther Reger)

Fehler allerdings, die bei beiden Teams die Ausnahme blieben, werden auf diesem Level umgehend bestraft. Gröbenzell versäumte zweimal die große Chance zur 33:32-Führung - ein letztlich entscheidendes Versäumnis. Denn Ketsch nutzte diese Chancen. "Ausgerechnet zum Schluss fängt die an, Bälle zu halten", entfuhr es Pleines direkt nach Schlusspfiff, damit meinte er die feinen Paraden der Ketscher Keeperin Hannah Melching, die in der Tat bis dahin nicht viel zu halten bekam.

Letztlich waren es Kleinigkeiten, die dem HCD-Trainer die Laune vermiesten, er war einfach nur "sehr enttäuscht". Was verständlich, aber kein Beinbruch war. Ketsch wird sich bei dieser Qualität nicht aufhalten lassen, der HCD hat bewiesen, dass die neu formierte Mannschaft bereits einen famosen Entwicklungsprozess hinter sich hat - der so schnell noch kein Ende finden wird. Das sah auch Gäste-Trainer Rudi Frank so, er gab erleichtert zu, dass die Vergleiche mit dem HCD "die mit Abstand schwersten Spiele waren".

Es war kein Tag für Torhüterinnen. Weder Lidija Radovanic (li.) noch Lisa Sagert bekamen viel zu greifen. (Foto: Günther Reger)

Pleines merkte noch spitz an, dass es in der Schlussphase drei Zwei-Minuten-Strafen gegen sein Team gegeben hatte. Was die Mannschaft zwar bravourös kompensierte, was aber auch viel Kraft gekostet hatte. Ketsch bekam im Verlauf der gesamten Partie keine einzige Zeitstrafe, was allein schon der Anblick von Vera Balk kurios erscheinen ließ. "Es war schon sehr körperlich", meinte sie freundlich zurückhaltend. Sie lächelte. Den riesigen Kratzer am Hals hatte sie noch gar nicht bemerkt.

© SZ vom 23.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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