Fußball-Regionalliga:Zum Sterben zu früh

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Daniel Bierofka jubelt über die Dominanz seines Teams gegen Memmingen - doch in der Schlussphase war der Trainer der Löwen-U21 eher ratlos. (Foto: Foto2press/Imago)

1860 II lässt seinen Trainer Daniel Bierofka beim Sieg gegen Memmingen verzweifeln

Von Matthias Schmid, München

Daniel Bierofka stand lange nach Spielende im kleinen Pressestüberl des Grünwalder Stadions und malte an die Wand. Er bewegte seinen Zeigefinger dabei auf und ab, von links nach rechts, von oben nach unten, im Kreis herum. Er malte eine imaginäre Gedenktafel. Auf ihr müsste der Satz stehen, merkte der Trainer des TSV 1860 München II keck an: "In Erinnerung an Daniel Bierofka, der im Grünwalder Stadion verstarb." Er lächelte dabei, es gibt bestimmt viele Sechziger, die sich diesen Ort als letzte Ruhestätte wünschen würden. Der 36-Jährige erfreute sich nach dem letzten Regionalliga-Spiel vor der dreimonatigen Winterpause gegen den FC Memmingen allerdings bester Gesundheit und auch bester Laune. Seine Spieler hatten ihren Trainer noch einmal vor einem plötzlichen Ableben, vor einer bösen Herzattacke, bewahrt, weil sie nach einer lockeren 3:0-Führung am Ende doch noch 3:2 gewannen und das Jahr auf Rang acht abschließen. "Wahrscheinlich haben sie mich ärgern wollen und das mit Absicht gemacht", argwöhnte Bierofka, "ich wäre fast auf dem Rasen gestorben."

In der Tat war es ein seltsames Spiel, das seine Spieler darboten. Überlegener kann man eine Partie eigentlich nicht führen. Die Sechziger gewannen alle Zweikämpfe, sie kombinierten kunstvoll und flott durchs Mittelfeld, sie spielten schneidige und schlaue Pässe auf die schnellen Außenstürmer. Und noch viel wichtiger: Sie schossen drei Tore, eines schöner als das andere. "Wir haben nach dem Derby-Sieg viel Selbstvertrauen bekommen", sagte Nicolas Andermatt. Das sah man ihm und seinen Mitspielern fast in jeder Aktion an, sie hatten richtig Lust am Fußballspielen. Der Schweizer, der in allen Spielen von Beginn an auflief, spielte in der 22. Minute mit einem Flankenwechsel Jimmy Marton frei, dieser dribbelte in den Strafraum und legte so präzise nach innen, dass Dominik Stahl nur noch einzuschieben brauchte.

"Für ihn freue ich mich am meisten", sagte Bierofka. Stahl spielt ja eigentlich bei den Profis, doch im vergangenen halben Jahr spielte er überhaupt nicht mehr, eine Knieoperation verhinderte das. Mit dem Mittelfeldspieler hatte Bierofka noch in der zweiten Liga zusammen auf dem Rasen gestanden. "Es war schon komisch, Dominik jetzt die Anweisungen als Trainer zu geben", bekannte der Sechziger-Coach.

Aber es funktionierte genauso wie die gesamte erste Hälfte. Sechs Minuten nach der Führung sahen die 400 Zuschauer fast eine Duplizität der Ereignisse, wieder über links legte ein Münchner den Ball nach innen, wo ein Mitspieler richtig stand und zum 2:0 einschob. Diesmal war es Marton, der den sauberen Pass von Nico Karger nutzte. "Das war ein Topspiel von uns, weil wir die offenen Räume sehr gut gefunden haben", lobte Andermatt. Bis zur 72. Minute. Dann folgte plötzlich etwas, was kaum einer deuten konnte. "Man hätte ein Unentschieden oder eine Niederlage niemandem erklären können nach einem solch überlegenen Spiel", erkannte Bierofka völlig richtig. Vorher hatte Karger noch das 3:0 erzielt (54.), er war allein auf der linken Seite losgesprintet, schnell und schnörkellos nach innen gezogen, um mit rechts wunderbar ins lange Ecke zu schlenzen. "Im Training macht er das immer so", erzählte Bierofka.

Aber zurück zum Bruch: In der 72. Minute kamen die Memminger durch Sebastian Schmeiser mit einem Volleyschuss nach einer Ecke zum 1:3-Anschlusstreffer und wussten gar nicht so recht warum. Doch spätestens als eineinhalb Minuten später der eingewechselte Fabian Krogler das zweite Tor nach einem groben Aussetzer von Innenverteidiger Michael Kokocinski gelang, glaubten sie an die Existenz des Fußballgottes. Plötzlich spielten sie wie verwandelt, wie elf kleine Messis. Dennoch waren die Sechziger dem vierten Treffer etwas näher, Florian Pieper verfehlte allerdings nach feiner Vorarbeit von Andermatt aus fünf Metern das leere Tor. So endete das letzte Spiel vor der Winterpause doch noch so, dass Bierofka aufrecht das Stadion verlassen und zufrieden sein Fazit ziehen konnte: "Wir stehen auf dem Rang, den wir verdient haben, weil wir Stammspieler nach oben verloren haben."

Zwei Wochen wird er noch mit seiner Mannschaft trainieren, ehe er sie in den Urlaub schickt. Anfang Januar versammeln sie sich wieder, dann fliegen sie ins Trainingslager. Nach Indien. "Wenn nichts mehr dazwischenkommt, werden wir dort bei einem Einladungsturnier mitspielen", erzählt Bierofka. Mit dabei in Kozhikode, im Südwesten des Landes, sind unter anderem die spanische und die argentinische U-21-Nationalmannschaft. "Wir freuen uns schon sehr darauf, weil wir alle noch nie in Indien waren."

© SZ vom 30.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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