Fußball-Regionalliga:Stabilisator auf der Suche nach Stabilität

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Gut gemacht: Trainer Heiko Vogel umarmt Holger Badstuber nach dessen Gastspiel in der Amateurmannschaft des FC Bayern. (Foto: Foto2Press/Imago)

Der von Verletzungspech geplagte Holger Badstuber sammelt beim 2:0 des FC Bayern II gegen Seligenporten Spielpraxis

Von Christoph Leischwitz, München

"Der Trainer kommt jetzt", krächzt es aus dem Funksprecher eines Ordners. Sekunden später fährt ein schwarzes Auto in die Volckmerstraße ein, es parkt unter der Westtribüne. Die Straße ist leer, das Stadion auch, noch leerer als sonst, wenn die U23 des FC Bayern ein Heimspiel hat. Die Ankündigung, dass Holger Badstuber für die zweite Mannschaft auflaufen wird, hat also keine zusätzlichen Fans angelockt - 317 sind an diesem unfreundlichen Freitagabend gekommen. Unter ihnen Carlo Ancelotti, Block C, Reihe 3.

Es ist fast drei Jahre her, dass ein Cheftrainer des Rekordmeisters im Grünwalder Stadion letztmals ein Spiel sah - die Kluft zwischen erster und zweiter Mannschaft ist riesig. Damals war Pep Guardiola zu einem U 19-Derby gekommen. Diesmal war der Anlass ein lange, sehr lange verletzter Profi, der in der Länderspielpause Spielpraxis sammeln will - die Idee dazu stammte übrigens von Ancelotti.

Der Gegner hieß SV Seligenporten. Badstuber fand das vom Niveau her genau richtig für ihn, nicht zu viel, nicht zu wenig Arbeit für sein erstes Spiel über 90 Minuten seit neun Monaten. "Ich habe Spaß gehabt. Und ein Zu-null ist das Schönste für einen Abwehrspieler", sagte der 27-Jährige nach dem 2:0-Erfolg. Badstuber spielte fehlerfrei, setzte ein paar gut getimte Grätschen, gab laute Kommandos und hätte in der 64. Minute beinahe auch noch ein Tor erzielt, als er nach einem Freistoß den Ball am Fünfmeterraum knapp verpasste. Nach dem Schlusspfiff ging er als Erster zu den wenigen Fans auf der Gegengeraden, warf sein Trikot über den Zaun, bedankte sich klatschend und ging mit nacktem Oberkörper in die Kabine. Später, im Presseraum, wurde er für einen kurzen Moment nostalgisch, wieder einmal in jenem Stadion zu sein, das Bayern-Fans gerne die "Hermann-Gerland-Kampfbahn" nennen - auch Badstuber spielte hier unter diesem Trainer. Sein Besuch werde aber eine Ausnahme bleiben, weitere Spiele für die U 23 seien nicht geplant.

Trainer Heiko Vogel war mit der gesamten Mannschaft zufrieden, auch wenn ihm die Nummer drei ganz besonders gefallen habe, sagte er schmunzelnd. Am Freitag hatte Badstuber, die Nummer drei, mit der U 23 trainiert. "Er hat von Anfang an das Kommando übernommen", sagte Vogel, allein seine Anwesenheit habe "bei der Mannschaft für das eine oder andere Prozent mehr an Aufmerksamkeit gesorgt". Im Spiel sei er ein "Stabilisator" gewesen, defensiv wie auch im Spielaufbau. "Es ist schon ein Highlight, gegen so einen Klassemann zu spielen", sagte auch Gästetrainer Florian Schlicker, der gar nicht verärgert wirkte, dass sein Team ausgerechnet dann gegen Bayern spielen musste, da seltene Unterstützung in der Startelf stand.

Wobei Badstubers Einsatz zumindest auf dem Papier den Angriff schwächte: Weil nur drei Spieler älter als 23 sein dürfen, musste Stürmer und Kapitän Karl-Heinz Lappe auf die Bank. Dafür trumpfte ein anderer auf, wenngleich nicht zum ersten Mal: Marco Hingerl erzielte beide Treffer, in der 39. Minute nach Zuspiel von der rechten Seite, in der 61. Minute nach einem Eckball am ersten Pfosten stehend, mit dem Außenrist. Trainer Vogel bescheinigt ihm "Torinstinkt", mahnte aber zugleich an, dass Hingerl eigentlich vier Tore an diesem Abend hätte erzielen müssen. Über den anderen Trainer, den auf der Tribüne, sagte Hingerl dann verblüfft: "Ich wusste nicht, dass er da war." Vogel sagt, seine Spieler hätten diese Zusatz-Motivation gar nicht nötig.

Badstuber musste nach dem Spiel noch viele Fragen über sich ergehen lassen, irgendwie gehört wohl auch das zum Aufbauprogramm eines Berufsfußballers. Was ihm noch zu 100 Prozent fehle? "Die vollkommene Spritzigkeit, die letzte Kraft." Ob er schon am nächsten Wochenende gegen Borussia Dortmund wieder dabei sein wolle? "Um die Top-Spiele zu spielen, braucht man 100 Prozent." Sein Vertrag läuft zum Saisonende aus, ob er verlängern wolle? "Ich habe ja schon immer gesagt, darüber werde ich öffentlich nicht reden." Nach dieser Antwort beendete Badstuber die Pressekonferenz recht abrupt.

Er will erst einmal wieder ankommen und Stammspieler werden, nachdem er in den vergangenen vier Jahren zusammengerechnet fast drei Jahre verletzt war. Und es gibt für ihn wohl keinen besser geeigneten Ort als das Grünwalder Stadion, um nun sozusagen seine zweite Karriere zu starten.

© SZ vom 14.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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