Fußball-Regionalliga:SpVgg Superlativ

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Unterhaching beendet das Kalenderjahr ungeschlagen. Selbst ein vergebener Elfmeter bringt den Tabellenführer gegen den ebenbürtigen FC Bayern II nicht aus der Fassung: Fehlschütze Bigalke trifft in letzter Sekunde zum 2:1

Von Christoph Leischwitz, Unterhaching

Vielleicht konnte das Kalenderjahr im Unterhachinger Sportpark einfach gar nicht anders enden, triumphal nämlich. Die Nachspielzeit lief, Einwurf auf der rechten Seite, der Ball kommt zu Stephan Hain. Ein herrlicher Hackentrick des Stürmers, Sascha Bigalke ist freigespielt. Und zimmert den Ball zum Sieg ins Kreuzeck. Die Südtribüne flippt aus, der Trainer flippt aus und rennt aufs Feld, der Schiedsrichter pfeift ab. "Letzte Spielsekunde: Toooooooor für die SpVgg Unterhaching", ruft der Stadionsprecher.

Ein paar Minuten später steht Bigalke am Zaun vor dem Fans, mit einem Megafon vor dem Mund fasst er dieses unglaubliche Jahr zusammen, und wie von einem Echo wird jedes seiner Worte wiederholt: "Derbysieger! Spitzenreiter! Ungeschlagen! Ausrufezeichen! Gebt mir ein H ...".

Das Last-Minute-Tor zum 2:1-Erfolg über den FC Bayern II war ein fußballerischer Silvesterkracher, der stimmungsvolle Ausklang eines überaus erfolgreichen Jahres. Eines, in dem kurzzeitig die Zukunft des Präsidiums zur Diskussion stand. In dem die SpVgg aber sportlich immer und immer noch mehr überzeugte. Und nun mit sage und schreibe 19 Punkten Vorsprung in eine Phase von 96 Tagen ohne Pflichtspiel geht. "Wir haben alle Punktspiele im Sportpark gewonnen. Und jetzt schon mehr Punkte als am Ende der vorigen Saison geholt", rechnete Trainer Claus Schromm vor (57 gegenüber 56). Das Team hat im Übrigen auch schon mehr Tore geschossen als 2015/16 (67 gegenüber 59). Dabei stehen noch 13 Spiele aus.

Last und Lust des Tabellenführers: Alexander Winkler, Schütze des Hachinger 1:0 gegen den FC Bayern II, mit Huckepack-Jubelrucksack Thomas Steinherr. (Foto: Lukas Barth)

Bei aller Überlegenheit: Im letzten Pflichtspiel des Jahres hätte es mit ein wenig Pech durchaus noch die erste Niederlage setzen können. Bayerns Trainer Heiko Vogel sagte später, er habe "keine klar bessere Mannschaft gesehen". Ausgerechnet Nicolas Feldhahn, ein ehemaliger Unterhachinger Zweitliga-Spieler, haderte am meisten mit dem Schicksal. Als der Sportpark nach dem 2:1 in Jubel versank, lief der Abwehrchef der Bayern zum Schiedsrichter-Assistenten und redete wütend auf ihn ein. "Er steht beim Einwurf zwanzig Zentimeter weit im Feld", sagte er über Luca Marseiler, der in der Nachspielzeit das Tempo hoch halten wollte. Diese eine Fehlentscheidung allein wurmte Feldhahn aber nicht. Schon beim 1:0 der Hachinger in der 22. Minute sei er gefoult worden - der Hachinger Innenverteidiger Alexander Winkler hatte nach einem unübersichtlichen Getümmel im Strafraum den Ball über die Linie gedrückt. Auch da waren die Proteste im Jubel untergegangen, der als introvertiert geltende Winkler freute sich extrovertiert über seinen Treffer. Trainer Vogel stimmte Feldhahn hernach zu, auch er hatte ein Foul gesehen. Und fasste zusammen: "Es war das beste Spiel meiner Mannschaft in dieser Saison." Womöglich sogar das beste Regionalliga-Spiel, das er jemals gesehen habe. Nur der Schiedsrichter habe "nicht an das Niveau der beiden Teams heranreichen" können.

Seiner Mannschaft hatte Vogel vor dem Spiel klargemacht, dass sie gegen Unterhaching sehr "leidensfähig" sein müsse. Sie war es, was man gegen Ende auch daran sehen konnte, dass der eine oder andere Bayern-Spieler Krämpfe bekam. Doch sie hatten stark begonnen und wären auch beinahe in der ersten Spielminute in Führung gegangen. Leon Fesser hatte nach einem Freistoß aufs Tor geköpfelt, Hachings zweiter Torwart Korbinian Müller, der für den angeschlagenen Stefan Marinovic im Kasten stand, konnte gerade noch zur Ecke klären. Zu keiner Phase der Partie ließ sich die Mannschaft so in die Abwehr drücken wie noch im Hinspiel, als sie ein glückliches 2:2 rettete. Zwar kombinierte Haching auch diesmal gefälliger nach vorne, vor allem Bigalke streute mal wieder den einen oder anderen Traumpass ein. Viele gute Chancen ließ die Bayern-Abwehr aber nicht zu.

Ein letzter Fingerzeig an die Konkurrenz: Die SpVgg Unterhaching um Trainer Claus Schromm geht mit 19 Punkten Vorsprung ins neue Jahr. (Foto: Lukas Barth)

Trotzdem hätten die Gastgeber die Partie auch ohne die große Dramatik in der Schlussphase entscheiden können, durch einen Foulelfmeter nämlich: Bayerns Abwehrspieler Korbinian Burger hatte nach einer Flanke seinen Gegenspieler Jim-Patrick Müller zu Fall gebracht - ebenfalls eine strittige Entscheidung. Sascha Bigalke verschoss jedoch, FCB-Keeper Leon Weinkauf hatte das richtige Eck erahnt (54.).

Drei Minuten später fiel auf der anderen Seite der Ausgleich durch Karl-Heinz Lappe. Der Kapitän staubte nach einem Lattentreffer von Torsten Oehrl ab. "Wenn ich den Elfmeter verwandle, läuft es sicher früher in unsere Richtung. Aber wir haben danach auch mehr auf das 2:1 gespielt", sagte Bigalke. Immerhin habe er seinen Fehler wieder gutmachen können.

"Das ist die denkbar bitterste Niederlage: Ein Gegentor, und dann wird gar nicht mehr angepfiffen", sagte Vogel. Er habe danach seiner Mannschaft gesagt: Man könne sich nicht aussuchen, wie man verliert. Man könne sich aussuchen, wie man hernach zurückkommt. Dabei geht es freilich nicht darum, in 96 Tagen damit zu beginnen, die 19 Punkte Rückstand aufzuholen. Sondern darum, langfristig besser zu werden. Den Hachingern wünschte er dann viel Glück für die Relegation. Das war einerseits durchaus ernst gemeint. Aber mit Blick auf die kommende Saison natürlich auch ein wenig im eigenen Interesse.

© SZ vom 28.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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