Fußball-Regionalliga:Sechs-Punkte-Spiel

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Der FC Pipinsried gewinnt das Aufsteiger-Derby beim FC Unterföhring 1:0 und erhält zusätzlich drei Punkte aus dem Abbruchspiel gegen Fürth II.

Von Sebastian Leisgang, Kirchheim

Spätestens Mitte der ersten Halbzeit musste man sich Sorgen um Thomas Reichlmayr machen. Man musste befürchten, dass er, einsam in seinem Strafraum ausharrend, einen Herzinfarkt erleidet. In erster Linie ist Reichlmayr zwar Torwart beim FC Pipinsried. An diesem Dienstagvormittag in Heimstetten trat er allerdings als Lautsprecher in Erscheinung, als Kommandeur und als Einpeitscher. Schon in der zweiten Minute brüllte Reichlmayr mit einer beachtlichen Vehemenz beim ersten Eckball des FC Unterföhring: "Verteidigen! Verteidigen!" Nur wenige Augenblicke später rief er seine Kollegen zum Pressing auf: "Ja! Ja! Ja!" Später schrie er: "Alle! Geht an! Geht an!" Und dann: "Weiter so! Gut Blau!" Kurzum: Reichlmayr brüllte sich ohne Unterlass die Seele aus dem Leib.

Hinterher, nach dem 1:0 im Aufsteigerduell, dem ersten Pipinsrieder Regionalligasieg, bekannte der Torwart mit einem Lachen: "Ich bin ein bisschen heiser." Ein Problem, so fügte er an, sei das jedoch nicht. Es sei schließlich jede Woche so. Und doch war Reichlmayrs Stimmgewalt ein unüberhörbarer Ausdruck dessen, was sein Trainer Fabian Hürzeler nach der Partie einräumte: "Wir waren angespannt. Wenn du zweimal 0:4 auf die Fresse kriegst, dann bist du mental angeschlagen." Nach nur einem Punkt aus den ersten vier Regionalligaspielen und den angesprochenen beiden jüngsten Packungen gegen die Reserven von Nürnberg und Augsburg begann Pipinsried verhalten. Zu Beginn war Unterföhring das agilere Team, der FCP brauchte etwa zehn Minuten, um die Eingangstür zu dieser Partie zu finden. Doch spätestens Mitte des ersten Abschnitts wurde Hürzelers Mannschaft zusehends selbstsicherer und verlagerte das Geschehen in die gegnerische Hälfte.

"Man hat gemerkt, dass wir noch Zeit brauchen für die Regionalliga", sagt Seethaler

Christoph Burkhard zielte allerdings per Freistoß über das Tor und Emre Arik fand mit einem gefühlvollen Schlenzer seinen Meister im gut disponierten Unterföhringer Torwart Daniel Sturm.

Dann hatte Pipinsried Glück, dass Leonardo Mayer nach knapp einer halben Stunde freistehend an der Fußabwehr Reichlmayrs scheiterte und Schiedsrichter Florian Riepl kurz vor der Pause keinen Elfmeter verhängte: Der in seiner Spielweise etwas an Jan Koller erinnernde Philipp Schmidt legte per Hacke für Pascal Putta auf, dieser umkurvte Denny Herzig - und der Pipinsrieder Innenverteidiger berührte auf dem Boden liegend den Ball mit dem Arm. Referee Riepl ahndete dies jedoch nicht. "Ich muss zugeben", sagte Hürzeler später, "den Elfmeter kann man pfeifen - muss man vielleicht auch." Diese Szene aber mal ausgeklammert, wirkte seine Auswahl im ersten Abschnitt vor 370 Zuschauern im Sportpark Heimstetten reifer als der gastgebende Mitaufsteiger aus Unterföhring. Hürzelers Gegenüber, Thomas Seethaler, gab später dann auch bemerkenswert offen zu: "Heute hat man definitiv gemerkt, dass wir noch Zeit brauchen für die Regionalliga." Gerade die englischen Wochen, räumte er ein, würden seiner Mannschaft doch gehörig zusetzen.

Pipinsried wirkte auch anfangs der zweiten Halbzeit etwas gieriger und entschlossener - und bezeichnenderweise brach ein Innenverteidiger nach exakt einer Stunde den Bann: Denny Herzig überwand Unterföhrings Schlussmann Sturm im Anschluss an eine Ecke per Kopf. "Wir kriegen die Gegentore zu einfach", haderte Seethaler und war sich letztlich mit Hürzeler einig: Ein Unentschieden wäre das leistungsgerechte Resultat gewesen. So aber musste der Unterföhringer Trainer hinterher geknickt resümieren: "Ich bin enttäuscht. Das haben wir uns anders vorgestellt."

Hürzeler jubelte derweil über einen "ekligen Auswärtssieg, einen Arbeitssieg". Schon bald hat Pipinsried nicht nur vier, sondern gar sieben Zähler auf der Habenseite. Denn das vor zwei Wochen beim Stand von 2:1 in der 85. Minute abgebrochene Spiel gegen die SpVgg Greuther Fürth II wird nach SZ-Informationen für den FC Pipinsried gewertet werden. Hürzeler wollte dies auf der Pressekonferenz allerdings noch nicht bestätigen. "Ich bin positiv gestimmt", sagte er nur und sprach von einer "Spielverweigerung, die mit Absicht herbeigeführt wurde". Fürth war nämlich nach einer halbstündigen Gewitter-Pause in der Kabine geblieben, wollte vom Versuch der Fortsetzung nichts mitbekommen haben. Dann war es ohne Flutlicht zu dunkel dafür.

Da Pipinsried die Punkte jedoch am grünen Tisch erstreiten wird, erklärte Hürzeler nach dem Sieg gegen Unterföhring: "Es fühlt sich an wie ein erster richtiger Dreier." Und wenn die Punkte aus dem Fürth-Spiel noch hinzukommen, "dann sieht die Welt schon wieder ganz anders aus als noch vor drei Tagen", so Hürzeler. Dennoch richtete der Spielertrainer einen Appell an das Umfeld: Dieses müsse nun endlich begreifen, "dass man nicht den maximalen Erfolg mit dem minimalen Aufwand haben kann". Er meinte: Dass er mit seinem Team nur zweimal in der Woche trainieren darf, da Präsident Konrad Höß mehr nicht zulässt. Als Rüge am Klubpatron wollte er das jedoch nicht verstanden wissen. Hürzeler sagte, wenngleich erst auf Nachfrage: "Das ist nicht an Konrad Höß direkt gerichtet - sondern an alle."

© SZ vom 16.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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