Fußball-Regionalliga:Krächzen in Stereo

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Nach dem 2:1-Sieg des TSV 1860 II beim VfR Garching versichern sich beide Trainer ihrer gegenseitigen Hochachtung. Die 90 Minuten davor laufen deutlich kontroverser ab

Von Fabian Swidrak, Garching

Daniel Bierofka bekam als Erster das Mikrofon. Mit krächzender Stimme erklärte er, eine krächzende Stimme zu haben, so sehr hatte sie während des Spiels gelitten. Als Sieger eines Heiserkeitsduells war der Trainer der zweiten Mannschaft des TSV 1860 München jedoch nicht auszumachen. Auch die Stimme von Daniel Weber, Coach des VfR Garching, war an diesem Samstagnachmittag strapaziert worden. Abwechselnd schilderten Bierofka und Weber den im Garchinger Stadion verbliebenen Zuschauern ihre Sicht auf die vorangegangenen 90 Minuten Regionalliga-Fußball, die der TSV knapp mit 2:1 (1:0) Toren für sich entschieden hatte.

Weber lobte die Münchner, Bierofka lobte die Garchinger. Er selbst hatte Anfang der neunziger Jahre in der C-Jugend des VfR gespielt, sein Vater Wilhelm war damals Trainer der ersten Mannschaft gewesen. Freundschaftlich sprachen die beiden mit- und übereinander. Von kommender Woche an werden sich Bierofka und Weber in der Sportschule Hennef, wo sie ihre A-Lizenz machen, wieder ein Zimmer teilen. Eine lustige Anekdote hier, ein paar wohlwollende Worte da. Wäre das Stereo-Krächzen nicht gewesen, die Zuschauer hätten glatt vergessen, wie emotional es in der Partie davor zugegangen war - gerade in der Schlussphase.

Knapp unterlegen: Florian de Prato (vorne), VfR Garching, gegen Junglöwe Nicholas Helmbrecht. (Foto: Claus Schunk)

Drei, vier Meter war Weber aus seinem Arbeitsbereich herausgeeilt, geradezu gesprungen in einem Satz, über die weiße Linie hinweg auf den Rasen, die Hände ungläubig über dem Kopf zusammengeschlagen. Früh hatte Simon Seferings die Löwen mit einem direkt verwandelten Freistoß in Führung gebracht (3.). Direkt nach dem Seitenwechsel hatte Christoph Daferner im Anschluss an eine Ecke per Kopf den zweiten Münchner Treffer erzielt (51.). Kurz darauf hatte Mike Niebauer den Garchingern mit seinem Tor wieder Auftrieb verliehen (57.). Und nun stand Weber eben dort auf dem Platz, inzwischen zornig mit beiden Armen fuchtelnd. Brüllend ließ er wissen, sich um den möglichen Ausgleich gebracht zu fühlen. Garchings Manuel Eisgruber war Sekunden zuvor im Strafraum gefallen, vermeintlich nach einem Schubser seines Gegenspielers (72.). "Ich habe die Hände am Mann gesehen, die gehören da nicht hin", sagte Weber nach der Partie. Der Schiedsrichter dagegen ließ weiterspielen, zeigte Augenblicke später Daniel Suck wegen eines taktischen Fouls an der Mittellinie die gelbe Karte und ermahnte danach Weber, der sich auch über die Verwarnung für seinen Mittelfeldspieler lautstark beschwerte.

Garching, das die Anfangsphasen beider Halbzeiten wie schon in den vorangegangenen Spielen verschlafen hatte, drängte auf den Ausgleich. Den Münchnern dagegen ging allmählich die Kraft aus. Bereits nach einer Stunde hatte Bierofka zum dritten Mal gewechselt, um dem sichtbar frühen Verschleiß einiger Spieler entgegenzuwirken. Lautstark dirigierte auch er seine Mannschaft im Kampf gegen den zunehmenden Druck der Gastgeber. Erneut kochten die Emotionen an der Seitenlinie hoch, als Löwen-Keeper Maximilian Engl einen bereits sicher geglaubten Ball fallen ließ, sich dem Spielgerät hinterher warf, um seinen Fehler wieder auszubügeln, und der Schiedsrichter dann auf Stürmerfoul entschied, obwohl zwei Garchinger zwar einschussbereit lauerten, zu Engls Aussetzer aber nicht beigetragen hatten. Engl, der es mit seinen 18 Jahren bereits erstaunlich gut versteht, sich gleichsam glaubwürdig und diplomatisch auszudrücken, sagte anschließend: "Ich habe mich nur auf den Ball konzentriert, lag dann außerhalb des Fünfers. Einen Kontakt habe ich gespürt. Ich weiß nicht, ob es nur ein Mitspieler oder der Gegner war. Der Schiedsrichter hatte da bessere Sicht."

Es waren Szenen, in denen die Garchinger am Samstag glücklos blieben und daher im dritten Heimspiel der Saison erstmals verloren - in der Tabelle steht Garching mit sechs Zählern nun auf Rang elf, die Löwen haben nach Punkten (12) mit Spitzenreiter Unterhaching gleichgezogen. Szenen, über die kommende Woche in Hennef auch Weber und Bierofka noch einmal sprechen werden. "Natürlich reden wir über solche Spiele und tauschen Erfahrungen aus", sagte Weber, der sicher ist, stark von diesem Austausch zu profitieren: Mehrmals wird es in dieser Spielzeit noch so sein, dass Garching auf Gegner trifft, die zuvor gegen die Löwen gespielt haben.

Weber und Bierofka sind beinahe damit fertig, den im Stadion verbliebenen Zuschauern zu erzählen, warum wer die jeweils andere Mannschaft beeindruckend, den anderen Verein großartig findet, da stichelt Garchings Trainer dann doch noch kurz in Richtung seines Kollegen: "Alles in allem wäre ein Unentschieden heute verdient gewesen. Aber dann holen wir die Punkte eben im Grünwalder", sagt Weber schelmisch grinsend ins Mikrofon. Auf eine Gegneranalyse von Bierofka braucht er vor dem Rückspiel im November trotz aller Freundschaft wohl nicht zu hoffen.

© SZ vom 08.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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