Fußball-Regionalliga:Eine Frage der Liebe

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Ungemütliche Zeit: Der FC Bayern enttäuscht im Regionalliga-Derby gegen 1860. Dabei hilft sogar der Champions-League-erfahrene Jan Kirchhoff (li.). (Foto: Claus Schunk)

Nach der Derby-Niederlage gegen 1860 II zweifelt FC-Bayern-Trainer Vogel an der Einstellung der U23. Vom Titel spricht er erst mal nicht mehr

Von Christoph Leischwitz, München

Natürlich hatte Heiko Vogel diese Frage auch schon zu Saisonbeginn gestellt bekommen, und er hatte damals eine passende, vielsagende und dem FC Bayern München angemessene Antwort gegeben. Ob sein Kader gut genug für den Aufstieg sei? Der damals neue Trainer des FC Bayern München II hatte gerade erst begonnen, die Regionalliga Bayern zu beobachten, diese hatte im Juli ja schon einige Spiele absolviert, ehe der Favorit ins Geschehen eingriff. Ganz grundsätzlich, hatte Vogel also gesagt, sei es ja immer der Anspruch in diesem Verein, den "größtmöglichen Erfolg" zu erzielen. Was die Qualität des Kaders betraf, da zögerte Vogel kurz. Dann sagte er mit einem selbstbewussten Lächeln: "Schaun mer mal."

Knapp vier Monate später hat Vogel offensichtlich genug gesehen, er beantwortet die Frage, bevor sie überhaupt gestellt wird. Nach der 0:2-Niederlage im Derby gegen die U21 des TSV 1860 München sagte er von sich aus: "Wir sind jetzt sehr gut beraten, die Tabelle Tabelle sein zu lassen". Denn "in der aktuellen Verfassung haben wir mit dem Aufstieg nichts zu tun". Und Vogel merkte zusätzlich an, dass diese angesprochene Verfassung ja schon ziemlich lange andauere. Auf dem Papier sind die Meisterschaft und die daraus resultierende Aufstiegsrelegation indes nach wie vor gut möglich. Die Nachwuchs-Bayern haben zwar neun Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Jahn Regensburg. Sie haben allerdings auch zwei Spiele weniger bestritten, und nach der Winterpause stehen 14 weitere Partien für eine mögliche Aufholjagd an. In einer Woche soll das Nachholspiel gegen den Tabellennachbarn SpVgg Unterhaching stattfinden: Ein Sieg, und es wird im Frühjahr richtig spannend.

Doch gefühlt war man von besagtem größtmöglichen Erfolg schon lange nicht mehr so weit entfernt wie jetzt, nach sieben Spielen mit nur einem Sieg. Seit September hatte Vogel immer wieder kritisiert, dass sein Team gegen defensive Gegner zu wenige Torchancen herausspiele. Jetzt hat die Erfolglosigkeit Aufsehen erregt: Am Sonntag schaffte es seine Mannschaft auch gegen einen mitspielenden Gegner nicht, Chancen zu kreieren, und das vor 10 300 Zeugen. Weder der frühe Rückstand (11.) durch einen Freistoß von Sechzigs Nico Karger, noch das 0:2 durch Nicolas Andermatt (48.) konnten die Bayern zu mehr Offensivfußball animieren. In der Schlussphase gelang es phasenweise nicht einmal, den Ball in der gegnerischen Hälfte zu halten. Fehlpässe und Rückpässe, der FCB scheute das Risiko. Als ob ein hoher Prozentsatz an Ballbesitz irgendetwas bringen würde.

War schon im Heimspiel gegen den FC Schweinfurt, das gerade mal 600 Zuschauer sehen wollten, eine gewisse Lustlosigkeit zu spüren, in der aufgeheizten Derby-Atmosphäre trat diese noch deutlicher zutage. Es fehlte die Harmonie. Die einzelnen Spieler haben zweifellos viel Qualität: Julian Green hat für die USA bei der WM gespielt, Karl-Heinz Lappe Dutzende Zweitliga-Spiele absolviert. Patrick Weihrauch ist bei Dritt- und Zweitligisten begehrt, eine ganze Anzahl an Talenten trainiert mit den Profis. Die stellten am Sonntag zudem Jan Kirchhoff für die Innenverteidigung ab. Ihm gelang es zwar meist, die Abwehr zu stabilisieren, doch auch der lange verletzte Profi konnte dem Team nicht das geben, was so sehr fehlt: Leidenschaft. "Das war heute besonders augenscheinlich. Denn wir hatten mit den Löwen einen Gegner, der genau da eine unglaubliche Stärke gehabt hat", erkannte Vogel.

Er hat schon viel probiert. Der Millioneneinkauf Sinan Kurt zum Beispiel war nach mäßiger Leistung im Spitzenspiel Mitte Oktober gegen Jahn Regensburg (1:1) aus dem Kader gestrichen worden, ebenso wie der zurzeit verletzte Steeven Ribéry. Zumindest bei Kurt konnte man danach auch keine Leistungssteigerung feststellen. Die Peitsche scheint nicht zu helfen, und allzu süßes Zuckerbrot steht Vogel nicht zur Verfügung: Kaum ein Spieler kann sich eine Chance ausrechnen, mit guten Leistungen in Liga vier Pep Guardiola auf sich aufmerksam zu machen. Und wenn überhaupt, dann wohl nur als Teil einer B-Elf im kommenden Mai, wenn die Bayern schon als deutscher Meister feststehen. Angebote anderer Vereine, wie etwa für Weihrauch, können vielleicht einzelne Spieler anspornen, das Kollektiv profitiert davon offensichtlich nicht. Und es scheint auch kein Anreiz zu sein, eines Tages gemeinsam in der dritten Liga zu spielen.

So hat Vogel keine andere Möglichkeit, als in seiner öffentlichen Kritik ganz grundsätzlich zu werden und die Spieler bei der Ehre zu packen: "Wenn ich mich so wie in der zweiten Halbzeit gegen Sechzig präsentiere, muss ich mich fragen, ob ich Fußball als Sportart genug liebe." Deutliche Worte, denen Taten folgen werden. Denn wer am kommenden Samstag im Auswärtsspiel beim TSV Buchbach nicht einmal im Kader steht, der wird so schnell keine Möglichkeit mehr bekommen, seine Liebe zu beweisen.

© SZ vom 24.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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