Fußball:Löwe in der zweiten Generation

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Daniel Bierofka war für den TSV 1860 München noch in der ersten Liga aktiv. Als Nachfolger des beförderten Torsten Fröhling trainiert er nun die U21 - für die er zu Saisonbeginn noch selbst hätte kicken sollen. Der 36-Jährige setzt vor allem auf Einsatz und Leidenschaft

Von Christoph Leischwitz

Der neue Trainer sieht immer noch aus wie ein Spieler. Während die U21 der Löwen gerade ausläuft, hat Daniel Bierofka mit drei anderen ein Viereck gebildet, alle versuchen, den Fußball mit zwei Berührungen in der Luft zu halten, im Wechsel, einer nach dem anderen. "Wir haben das früher oft gemacht nach dem Training", erzählt Bierofka, neun Jahre war er Profi beim TSV 1860 München, es handele sich fast schon um eine Tradition.

Ein bisschen haben sie ihm wohl auch deshalb diesen neuen Job gegeben: Weil er eben ein echter Löwe ist, wie sein Vater Willi, der hier auch schon Spieler und Trainer war. Nun trägt der 36-Jährige seit gut einer Woche die Verantwortung für die U21, die in der Regionalliga auf Platz zwei überwintert hat, drei Punkte hinter den Würzburger Kickers. In zwei Wochen geht es weiter, mit einem Heimspiel gegen Schalding-Heining. Eine erneute Teilnahme an der Aufstiegsrelegation wie vor zwei Jahren ist gar nicht so abwegig. In dieser Phase würde man normalerweise einen Trainer mit Erfahrung erwarten, einen mit Ambitionen auf die dritte Liga. Bierofka sagt: "Es ist komisch: Ich fühle mich manchmal selber noch als Spieler. Letztes Jahr war ich noch auf der anderen Seite gestanden, jetzt muss ich die Ansagen machen." Aber er werde sich schon daran gewöhnen.

Er trägt ein Clipboard mit sich herum und macht sich Notizen, er ist ein akribischer Arbeiter, der sich unbedingt fortbilden will, das bestätigt auch sein U21-Vorgänger Torsten Fröhling. Doch in seinem Fall geht es um etwas anderes: Er hat irgendwann einmal, manche mögen schon vergessen haben, wann das war, für 1860 in der ersten Bundesliga gespielt. Mit dem VfB Stuttgart wurde er 2007 deutscher Meister. Davor hat er für Bayer Leverkusen in der Champions League gekickt. Und Bierofka war sich trotzdem nie zu schade, bei den Rheinländern wie bei den Schwaben auch mal in der zweiten Mannschaft aufzulaufen. So einem hört jeder 20-Jährige zu, der selbst Profi werden will.

Während also sein Vorgänger Torsten Fröhling versucht, den Profis wieder Löwenherzen zu transplantieren, ist Bierofka derjenige, der an der Basis weiter Identifikation geben und Leidenschaft verbreiten soll. Das sei im Übrigen gar nicht so schwer, findet Bierofka: "Mit den Jungs macht's einfach Spaß, die wollen kicken! Die haben eine super Vorrunde gespielt, die können nur noch gewinnen. Das Ziel ist es, Spaß zu haben und zwölf gute Spiele rauszuhauen."

Die verworrenen Rahmenbedingungen seines schnellen Aufstiegs: Im vergangenen Sommer hatte Bierofka seine aktive Karriere beendet und war Co-Trainer bei der U16 der Löwen geworden. Dort wurde er schon im September Cheftrainer, weil Chefcoach und Nachwuchsleiter Wolfgang Schellenberg sich selbst zur U19 befördern musste - Filip Tapalovic war nämlich Co-Trainer von Markus von Ahlen für das Zweitliga-Team geworden. Vergangene Woche schließlich, am Faschingsdienstag, beschloss Sechzigs Sportdirektor Gerhard Poschner, den bisherigen U21-Coach Torsten Fröhling zum dauerhaften Nachfolger für von Ahlen zu bestellen.

Bierofka lag gerade auf der Couch und guckte Champions League, als der Anruf von Schellenberg kam. "Ich war ein bisschen überrascht. Aber ich freue mich natürlich auf die Aufgabe", sagt Bierofka. Er hört sich beim Nacherzählen nicht so an, als hätte er eine Wahl gehabt.

Bevor die Regionalliga-Saison begann, war Bierofka kurz als Aushilfsspieler für die U21 vorgesehen gewesen. "Es war ja eine sehr junge Mannschaft, man hat nicht genau gewusst, wie es läuft", erzählt der einstige Mittelfeldspieler. Mit anderen Worten: Wäre die Mannschaft schlecht gestartet, Bierofka könnte jetzt ihr Spielertrainer sein. Seine Dienste wurden dann auch deshalb nicht benötigt, weil in Michael Kokocinski ein erfahrener Abwehrspieler im Kader stand.

Zurzeit trainiert übrigens der ehemalige Profi Necat Aygün, 34, bei der U21 mit. "Necat will sich fit halten. Ist für mich auch nicht schlecht, dann habe ich ein bisschen mehr Leute im Training", sagt Bierofka. Spielsystem und Taktik? Klar, alles nicht unwichtig, findet Bierofka. Aber er halte es da mit seinem Vorgänger Fröhling: "Das System sieht man sowieso nur beim Anstoß." Am wichtigsten seien ihm Leidenschaft und Einsatz, und für den letzten Rest Motivation hilft ihm indirekt auch sein Vorgänger: "Ich habe den Jungs gesagt: Der Profitrainer kennt euch. Wenn oben ein Leidenschaftlicher fehlt, wird er vielleicht noch mal auf die U21 zurückgreifen." Er selbst dürfte aber tatsächlich nicht mehr zur Verfügung stehen.

© SZ vom 28.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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