Formsache:Buch der Rekorde

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Nicht nur literarisch olympiareif: Schriftsteller Ilija Trojanow

SZ: Sport ist ...

Ilija Trojanow: ... die Reise vom Ich zum Selbst, zusammen mit anderen.

Ihr aktueller Fitnesszustand?

Miserabel! Nach vier Jahren strenger Disziplin überkam mich der Schlendrian.

Felgaufschwung oder Einkehrschwung?

Felgaufschwung ist mein größtes Kindheitstrauma (das sage ich als Flüchtlingskind); Einkehrschwung kenne ich nicht (bin in Kenia aufgewachsen).

Sportunterricht war für Sie?

Im britischen Internat die reinste Freude (täglich am Nachmittag), in der deutschen Schule einfallslose Zeitverschwendung (zweimal die Woche eine Stunde).

Ihr persönlicher Rekord?

Die Bestleistung erzielt man nur einmal im Leben. Aber da ich so viele verschiedene Sachen unternehme, vollbringe ich Rekorde selbst im fortgeschrittenen Alter.

Stadion oder Fernsehsportler?

Wenn es leichter wäre, Karten zu bekommen, und wenn die Karten billiger wären, wäre ich öfter im Stadion. Aber in zehn Wochen London, in zwei Monaten New York und in all den Jahren zu Besuch in München habe ich es sehr selten geschafft. Schade! Dafür einmal in Indien ein legendäres Test-Match im Cricket live erlebt, über fünf Tage hinweg.

Bayern oder Sechzig?

Früher war dies eine reelle Alternative.

Ihr ewiges Sport-Idol?

John Tarrant. Er war in den 1950ern ein Langstreckenläufer, der gerne boxte und eines Tages auf einer Kirmes siebzehn Pfund verdiente, weil er gegen den Standkämpfer drei Runden durchhielt. Dann beging er den Fehler, aus Pflichtgefühl den Verband davon zu informieren. Ihm wurde der Amateurstatus abgesprochen. Wochentags rackerte er sich in einer Kalkgrube ab, am Samstag tauchte er in einem langen Mantel bei Rennen auf, mischte sich unter die Zuschauer. Kaum ertönte der Startschuss, warf er den Mantel ab und sprintete in kurzen Hosen hinterher. Oft bog er als Führender kurz vor der Ziellinie ab, um das Band nicht zu durchreißen. Er starb im Alter von 42 Jahren an gebrochenem Herzen.

Ein prägendes Erlebnis?

Bei einem Tennisturnier einen Spieler zu schlagen, der viel besser war als ich, einfach indem ich die Bälle immer wieder zurückgebracht habe.

In welcher Disziplin wären Sie Olympiasieger?

In Literatur natürlich, das war 1912 olympisch. Es gewann - große Überraschung - Pierre de Coubertin, der Bob Dylan seiner Epoche.

Mit welcher Sportlerin/welchem Sportler würden Sie gerne das Trikot tauschen?

Muhammad Ali. Ich würde gerne das Trash Talking so gut beherrschen wie er. Aber dann kam Parkinson. Also doch nicht. Schreiben ist halt der schönste Leistungssport.

Unter der Rubrik "Formsache" fragt die SZ jede Woche Menschen nach ihrer Affinität zum Sport. Künstler, Politiker, Wirtschaftskapitäne - bloß keine Sportler. Wäre ja langweilig.

© SZ vom 26.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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