Fechten:Glückstreffer

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Nach einem Tief strichen Verband und Verein den Florettfechter Marius Braun aus der Förderung. In einem Wechsel zum KTF Luitpold sah er seine letzte Chance. Nun darf er auf seine erste WM-Teilnahme seit 2014 hoffen.

Von Jonas Kraus, München

Wenn jemand im Fußball von, sagen wir mal, Gelsenkirchen oder Hoffenheim nach München wechselt, dann ist das ärgerlich für alle, die an einer spannenden Bundesliga interessiert sind. Wundern aber werden sich die wenigsten, zu groß ist die Anziehungskraft des FC Bayern. Im Fechtsport ist die Lage komplett anders. Dort sind Münchens Vereine im bundesweiten Vergleich kleine Nummern. Die Größen der Szene heißen FC Tauberbischofsheim und OFC Bonn. Dennoch schloss sich im vergangenen Juli der Bonner Fechter Marius Braun dem kleinen Verein KTF Luitpold München an - und ist seitdem auf dem Weg zurück zu alter Stärke. Beim Weltcup um den "Löwen von Bonn" belegte der derzeit fünftbeste deutsche Florettfechter am Wochenende zwar nur den enttäuschenden 122. Rang unter 246 Startern. An seinen ehrgeizigen Zielen hat sich dadurch aber nichts geändert.

Wissenstransfer: Marius Braun, links bei der EM 2013 im Gefecht mit dem Polen Pawel Kawiecki, will seine Erfahrung an die Luitpold-Talente wie Anton Ziegon weitergeben. (Foto: Valdrin Xhemaj/picture alliance/dpa)

Der Vereinswechsel erfolgte nicht, weil die Luft in München so viel besser ist als in Bonn, sondern hatte, und da kann man eine Parallele zum Fußball ziehen, vor allem finanzielle Gründe. Anders als die Fußballer, die sich dem FC Bayern anschließen, wird Braun in München zwar nicht reich. Er kann aber seine Sportart weiter auf höchsten Niveau ausüben, was in Bonn nicht mehr möglich war. Immerhin.

"Ich war in einem richtigen Tief", erinnert sich Braun an die vergangenen Jahre. Die Resultate wurden laufend schwächer, eine schlüssige Erklärung dafür hatte er nicht. Bei der Weltmeisterschaft 2013 landete Braun, der im Weltcup bisher viermal auf dem Podest stand, noch auf Rang 36, 2014 wurde er immerhin noch 78. Danach gelang ihm nicht einmal mehr die Qualifikation. Und das hat in der Randsportart Fechten gravierende Folgen.

„Sie boten mir einfach ein super Gesamtpaket“: Marius Braun, 28, hat sich vor acht Monaten dem KTF Luitpold angeschlossen. Wie es aussieht, für beide Seiten ein Gewinn. (Foto: Tibor Illyes/picture alliance/dpa)

Der Deutsche Fechter-Bund (DFB) fördert nur die sechs besten Florettfechter vollumfänglich und ermöglicht ihnen die kostspieligen Reisen zu den Weltcuporten. Wer nicht dazugehört, der braucht entweder eigenes Kapital, potente Sponsoren oder einen Verein, der diese finanzielle Last stemmt. Anders besteht keine Chance, wieder nach oben zu klettern. Ein Teufelskreis, in dem sich auch Braun, viermaliger deutscher Meister mit dem Team, befand, als die Resultate ausblieben. Der OFC Bonn entschied sich, den 28-Jährigen nicht weiter zu fördern. "Klar war ich enttäuscht", sagt Braun, der in Bonn das Fechtgymnasium besuchte und 13 Jahre für den OFC startete, "aber was sollte ich machen?" Er musste sich nach Alternativen umschauen. Diese sind rar gesät. Bessere Trainingsmöglichkeiten als in Bonn gibt es nirgends, schon gar nicht beim KTF Luitpold, der in einer Schulturnhalle trainiert. Dass er nun trotzdem für den kleinen Verein aus dem Lehel startet, hat andere Gründe: "Sie boten mir einfach ein super Gesamtpaket." Der Verein ermöglichte Braun auch dann Weltcupstarts, als er aus der Verbandsförderung gefallen war.

Vielversprechendes Talent: der junge Fechter Anton Ziegon. (Foto: Robert Haas)

Dass der Wechsel geklappt hat, lag vor allem an Trainer Richard Breutner, der Braun aus gemeinsamen Bonner Zeiten kennt. "Marius kam auf mich zu und wir wurden uns schnell einig. Er ist ja ein unkomplizierter Typ", sagt Breutner.

Befreit von finanziellen Sorgen ging es sportlich wieder nach oben für Braun. "Alles eine Sache des Kopfes", sagt der Psychologiestudent, der nach guten Ergebnissen zu Beginn der Saison als Fünfter der deutschen Rangliste wieder von der Förderung des Verbandes profitiert und nun hohe Ziele hat: "Bei der nächsten Weltmeisterschaft im Oktober möchte ich dabei sein." Damit das klappt, muss er noch einen Platz nach oben klettern. Dafür stellt er gerade seine Technik um, er will athletischer fechten. "Ich glaube, dass ihm das gelingen kann", sagt Breutner, "er hat eine schnelle Auffassungsgabe".

"Anton hat riesiges Potenzial": Beim Weltcup am Wochenende liegt Talent Ziegon vor Braun

Die Wahrscheinlichkeit, dass man Braun in München über den Weg läuft, ist eher gering. Er wohnt und trainiert weiter am Stützpunkt in Bonn bei Bundestrainer Uli Schreck, der auch sein Heimtrainer ist: "Da kann ich mich jeden Tag mit den Besten messen." Das klappe problemlos, zwischen ihm und seinen ehemaligen Mannschaftskollegen gebe es kein böses Blut.

Nach München also nur des Geldes wegen? Nein, sagt Braun, er wolle auch immer wieder mal eine Woche vorbeikommen, um hier zu trainieren und sein Know-how an die Talente des KTF Luitpold weiterzugeben. Vom diesem Montag an ist er wieder da. "Das sehe ich schon als Teil meiner Aufgaben", sagt Braun. Eines dieser Talente ist der 18-jährige Anton Ziegon, der in Bonn ebenfalls am Start war und mit dem 105. Platz sogar besser abschnitt als Braun. "Anton hat ein riesiges Potenzial", glaubt Braun. Beim Löwen von Bonn war übrigens auch Marius' Bruder Fabian, 21, dabei, der noch für seinen Heimatverein FSV Klarenthal startet. Er landete auf Rang 128 knapp hinter seinem großen Bruder.

Wenn Braun mal nicht auf der Planche steht oder im Hörsaal sitzt, arbeitet der gebürtige Saarbrücker als Aktivensprecher der deutschen Fechter. Das sei eine fordernde und zeitaufwendige Aufgabe, die ihm aber viel Spaß mache. Besonders liegt ihm die Verbesserung der finanziellen Förderung der Athleten am Herzen: "Ich weiß, wie es ist, wenn man von der Förderung profitiert", sagt Braun. "Aber ich kenne auch die andere Seite."

© SZ vom 12.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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