Fan-Serie:Glocken­geläut zum Almabtrieb

Lesezeit: 3 min

Seit Anfang der Neunziger unterstützen die Wildbells das Football-Team der Munich Cowboys - auch wenn die Zuschauer schwinden.

Von Christoph Leischwitz, München

Es war ein Albtraum, der Heike Timper die Augen öffnete: Die Munich Nightmares spielten damals im Dantestadion. "Ich fand die Atmosphäre super, viel besser als beim Fußball", sagt sie. Irgendwann wurde es zum Ritual, sich die Heimspiele der Munich Cowboys anzusehen. Es war Anfang der 1990er Jahre, American Football boomte, Timper traf zunehmend auf Gleichgesinnte, immer öfter auch auswärts. "Dann können wir doch auch einen Fanklub gründen", hieß es irgendwann.

Im Dantestadion, dem Wohnzimmer der Cowboys, haben die Fans dann während eines Spiels Namensvorschläge gesammelt und darüber abgestimmt. Schon damals waren immer mal wieder Kuhglocken von der Haupttribüne zu hören gewesen, die die Cowboys anfeuern sollten. Wohl deshalb entschied sich eine Mehrheit für den Namen "Wildbells".

"Defense go", "First Down Muniiiiich Cowboys". Und dazu eben die Kuhglocken. Es sind immer wiederkehrende Geräusche auf der Haupttribüne des Dantestadions, Jahrzehnte alte, akustische Rituale. Timper ist so gut wie immer dabei, und sie hat logischerweise einen recht zeitlosen Blick auf das, was unten auf dem Rasen passiert. "Jetzt hyped es gerade wieder", sagt sie. Football ist dank Free-TV-Übertragungen wieder etwas angesagter.

4000 Zuschauer hatte das Team zu seinen besten Zeiten. Zuletzt waren es 1400

In München allerdings hat schon der Almabtrieb stattgefunden. An diesem Wochenende starten die Playoffs der deutschen Football-Liga GFL mit den Viertelfinal-Partien - die Cowboys sind auch diesmal nicht dabei. Diese Saison habe sie mal wieder ein wenig Hoffnung gehabt auf mehr, sagt Timper, "das Budget ist jetzt größer, ein Platz im Mittelfeld wäre möglich gewesen". Hätten nur nicht so viele Spiele knapp zu Ungunsten der Cowboys geendet. "Der Quarterback verletzt sich im ersten Spiel, ein paar andere Stützen auch", sagt Timper über Benjamin Wilkerson, der allerdings nach der Verletzung auch nicht immer glücklich spielte.

(Foto: N/A)

Sie habe außerdem das Gefühl, dass sich die jungen Spieler, von denen es wegen des Football-Booms gerade recht viele gibt, noch nicht so viel zutrauen. Die Folge: fallen gelassene Bälle, überflüssige Fouls und Raumstrafen, Nervosität, unnötige Niederlagen. Am Ende wurden die Cowboys Vorletzter und entgingen nur knapp der Abstiegsrelegation. Trotzdem sagt Heike Timper: "Ich glaube, der Cheftrainer Garren Holley tut der Mannschaft gut." Ohne die gestiegene Trainingsbeteiligung und die Stimmung im Team wäre die Saison vielleicht noch schlechter verlaufen, glaubt sie.

Fanklubs im Norden Deutschlands sind oft größer und näher an den Mannschaften dran, doch die Wildbells haben trotzdem mehr als ihre zum Vereinseintritt überreichten Kuhglocken, um auf sich aufmerksam zu machen: Sie wählen bei jedem Heimspiel einen "most valuable player", den wertvollsten Cowboy des Tages also. Auf einer Strichliste wird jede gute Aktion jedes Spielers vermerkt, Touchdowns, abgefangene Pässe, gute Tackles. Wer die meisten Striche hat, bekommt einen kleinen Pokal. Jahrelang hat Timper diese Pokale besorgt. Doch bei allen Statistiken, mit denen beim Football um sich geschmissen wird - es gibt immer noch viel Raum für Interpretationen. "Die Wahl geht nicht immer ohne Diskussionen ab", sagt Heike Timper lachend.

Gleichgesinnte auf Reisen: 1995 starten die Wildbells (re. Heike Timper) zur ersten großen Auswärtsfahrt, zum Viertelfinale der Cowboys in Berlin. (Foto: privat)

Die Wildbells kennen viele der Spieler gar nicht persönlich, traditionell sind die Beziehungen zur Vereinsspitze deutlich enger. Das liegt daran, dass im Umfeld immer wieder Leute gebraucht werden, die mit anpacken. Das langjährige Mitglied Geert Jäger etwa betreut den Infokasten im Stadion mit seinen aktuellen Aushängen; Timper selbst schreibt jedes Jahr das Protokoll der Jahreshauptversammlung, Christian "Texas" Leischnig ist Juniorencoach und steht als Stadionsprecher seit Jahren mit einem Mikrofon vor der Tribüne. Roland Schulz hilft während der Spiele an der Seitenlinie aus. Schulz und Timper gehörten auch einmal einer Art Not-Vorstand an. 2002 war ein Insolvenzverfahren gegen die Cowboys eingeleitet worden, die Mannschaft stieg in die dritte Liga ab. "Wir hatten ja keine Ahnung von den Geschäften, aber wir taten das Nötigste", erzählt Timper, ehe letztlich Präsident Werner Maier übernahm, der heute noch im Amt ist.

Zum Glück gebe es viele neue Spieler, der deutsche Football-Hype schlägt sich in München aber nicht in den Zuschauerzahlen nieder. Zu den besten Zeiten hatten die Wildbells 53 Mitglieder bei oft mehr als 4000 Zuschauern, jetzt sind es gut 30 Aktive, der Besucherschnitt lag in der vergangenen Saison bei 1400.

Schön wäre es für die Wildbells, wenn die Cowboys irgendwann mal wieder zu den beiden besten Teams im Süden gehören. Denn das würde bedeuten, dass die Glocken im Dantestadion endlich auch mal wieder in den Playoffs scheppern würden. Damit würde der Verein den guten, alten Zeiten wieder richtig nahekommen. Denn zum bislang letzten Mal war das 2001 der Fall.

SZ-Serie, Folge 10 und Schluss. Bisher erschienen: Bigreds, FCB-Basketball (10. August), Queerpass, schwul-lesbischer Fanklub des FC Bayern (16. August), Pooligans, BC Dachau (19. August), Hachinga Hammerblock, Alpenvolleys (23. August), Hoaschdenger Buam, SV Heimstetten (30. August), Trommler-Gruppe Diappo, TuS Fürstenfeldbruck (2./3. September), Rollwagerl 93, FC Bayern (5. September), Zwoa-Preiss'n-Fanclub, Tischtennis TSV Schwabhausen (7. September), 7. Mann, EHC München (8. September)

© SZ vom 16.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: