Eishockey:Opfer der Ansprüche

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Die Entlassung von Trainer Florian Funk bei den Tölzer Löwen hat sich lange angedeutet - und kam dann doch überraschend. Der Eishockey-Oberligist fürchtete zuletzt um seine Ausgangslage für die Playoffs. Außerdem sanken die Zuschauerzahlen

Von Andreas Liebmann, Bad Tölz

Vier Taschen, mehrere Klappboxen, ein ganzer Stapel Aktenordner, Beamer, Leinwand, Flipchart, Trainingsutensilien. Am Dienstag hat Florian Funk seine persönlichen Sachen aus dem Stadion der Tölzer Löwen abgeholt, er hätte damit fast schon ein Umzugsunternehmen beauftragen können. Nun steht dieser Berg von Dingen daheim, die sich in knapp zwölf Jahren Trainertätigkeit in Bad Tölz so angesammelt haben. "Ich weiß gar nicht, wo ich das ganze Glump unterbringen soll", sagt er.

Am Dienstag hat der Eishockey-Oberligist Funks Entlassung verkündet, "ein völlig neues Gefühl", sagt der 45-Jährige: "Ich bin noch nie entlassen worden." Fast fünf Jahre lang war der Mann, den alle nur "Flocko" rufen, der schon in seiner Jugend für Bad Tölz gespielt hat, hier ohne Unterbrechung Cheftrainer. Das ist Vereinsrekord.

Während Funk also überrascht war, von der Kündigung ebenso wie von ihrem Zeitpunkt, sagt der Tölzer Geschäftsführer Thomas Maban: "Dieser Schritt war zwingend notwendig." Sechs von sieben Partien und damit der fünfte Tabellenplatz gingen zuletzt verloren, die Gefahr sei groß, gar auf Rang sieben oder acht abzurutschen - und damit gleich zum Start der Playoffs eine unlösbare Aufgabe zu erhalten. Maban sagt: "Für mich war das die einzige Möglichkeit, diese Saison nicht ganz wegzuwerfen." Er hofft auf einen neuen Impuls durch den ehemaligen Stürmer Yanick Dubé, 40. Der Publikumsliebling der vergangenen Jahre wird den Job an der Bande zumindest bis Saisonende übernehmen.

Nun soll es Yanick Dubé richten, der Tölzer Rekordspieler und Publikumsliebling. (Foto: Hartmut Pöstges)

Mit Florian Funk verlieren die Tölzer auch dessen Vater Lorenz Funk und Peter Slapke, zwei der erfahrensten und renommiertesten Co-Trainer der Liga. Doch das war den Verantwortlichen klar. Vorstand, Beirat und Geschäftsführung hätten schon lange über die Personalie debattiert, sagt Maban, spätestens zum Saisonende hätten sie "definitiv" die Trainer gewechselt. "Einige Spieler trainiert Flocko jetzt seit zehn Jahren", erläutert Maban. "Irgendwann ist der Zeitpunkt da, an dem ein Trainer nicht mehr so ankommt, auch wenn er das selbst vielleicht anders sieht." Funk habe trotz allem "hervorragende Arbeit geleistet".

Es gab ein zweites Problem. Bereits im Oktober 2013, vor mehr als einem Jahr, gab es erste "Flocko raus"-Rufe. Florian Funk hakt das ab. "Am Ende sind wir Dritte geworden", sagt er schulterzuckend. Mit solchen Stimmungen müsse man eben klarkommen. "Ich habe mich in all den Jahren selten geärgert - und wenn, dann kurz", sagt er. Anders vielleicht als Manfred Gröger, Mabans Vorgänger als Geschäftsführer, der Funk stets gestützt, aber vergangenen Herbst entnervt aufgegeben hatte. Die Fans des Traditionsvereins sind auch nach zwei Insolvenzen und mehreren Abstiegen verwöhnt. Zu akzeptieren, dass die Rahmenbedingungen für den zweimaligen deutschen Meister derzeit selbst eine Rückkehr in die zweite Liga illusorisch erscheinen lassen, fällt ihnen schwer. "Der Anspruch des Umfelds ist nicht zu erfüllen", glaubt Funk. Dennoch habe er kein Problem damit gehabt, "in der Schusslinie zu stehen - sonst hätte ich nie Trainer werden dürfen". Auch Maban sagt zwar: "Wegen ein paar lärmender Fans entlässt man keinen Trainer", doch das Problem zwischen Funk und den Zuschauern, das schwele seit Langem. Zuletzt seien immer weniger ins Stadion gekommen. 672 waren es noch beim 5:6 nach Verlängerung gegen die Selber Wölfe - der Tabellenvierte ist ein möglicher Playoff-Gegner. "Zu wenig", weiß Maban, "wir müssen wirtschaftlich denken."

Seit dem Meistertitel 2012 ist Trainer Florian Funk (links, daneben Lorenz Funk) in die Kritik geraten. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Auch er kennt die Ansprüche des Publikums, auch er weiß, dass sie zurzeit nicht zu erfüllen sind. Doch in drei, vier Jahren, in vielen kleinen Schritten will er den Klub wieder nach oben bringen. Der aktuelle Kader genüge nicht, um mit Freiburg oder Regensburg mitzuhalten, auch wenn sich etwa mit der Verpflichtung des Topscorers Joseph Lewis bereits etwas getan habe. Vor allem der finanzielle Rahmen müsse sich verändern, das setze aber auch einen gewissen Zuschauerzuspruch voraus - und eine ordentliche Außendarstellung, die durch den Dauerdisput zwischen Funk und Fans nicht gerade gefördert wurde.

Sportlich ist Funk nicht nur mit den ersten, "extrem erfolgreichen Jahren" zufrieden - 2012 war das Team Oberliga-Meister. Auch mit der aktuellen Bilanz kann er leben. Zu Saisonbeginn sei es "vielleicht zu gut gelaufen". Die bisherige Tölzer Stärke, jeweils im neuen Jahr so richtig auf Touren zu kommen, sei wegen vieler Verletzungen dagegen noch nicht zum Tragen gekommen. "Aber die nächsten Gegner haben wir alle schon geschlagen", argumentiert er. Mit anderen Worten: Er hätte das schon geschafft. Funk hält generell wenig von Trainerwechseln, erst recht nicht jetzt, sieben Partien vor Hauptrundenschluss. "Yanick kann doch gar nichts mehr ändern", sagt er über seinen Nachfolger, mit dem er sich bereits ausgetauscht hat. "Es kann höchstens einen psychologischen Effekt geben. Aber er wird das schon hinkriegen." Dubé war überrascht vom Tölzer Angebot, er ist mit mehreren Trainerjobs eigentlich ausgelastet. Nun hofft er, den ehemaligen Mitspieler Benedikt Huß als neuen Co-Trainer und Motivator zu gewinnen.

Das Tölzer Publikum ist erfolgsverwöhnt. Zum Oberliga-Meistertitel 2012 trug auch das Winzerer-Denkmal der Kurstadt ein Klubtrikot. (Foto: Manfred Neubauer)

Florian Funk hat seinen Berg aus Trainerutensilien übrigens erst mal stehen lassen. Am Mittwochmorgen fettete er lieber einen selbst gemachten Lederbeutel ein. Am 15. Februar wird er nämlich über Bad Tölz herfallen, gemeinsam mit dem Reichersbeurer Faschingszug, den es nur alle zehn Jahre gibt. Eine uralte Tradition. Seit Monaten laufen die Vorbereitungen. Florian Funk wird dann in einem Wagen voller Neandertaler sitzen, er hat sich dafür extra einen stattlichen Rauschebart wachsen lassen. Damit hätte er natürlich auch während der Playoffs Eindruck gemacht.

© SZ vom 05.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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