Darts:Karneval mit Mighty Mike

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Tausende Fans erleben beim German Darts Masters in Unterschleißheim eine große Show. In teils skurrilen Kostümen feiern sie die Stars eines Sports, der hierzulande nur ein Nischendasein fristet - wie den Sieger Michael van Gerwen

Von Johannes Holbein, Unterschleißheim

Plötzlich geht das Licht aus im Unterschleißheimer Ballhausforum. Aus den Lautsprechern säuselt Musik von Phil Collins. Das Gegröle auf den Zuschauerrängen ist einem gespannten Tuscheln gewichen. Es sind noch wenige Sekunden bis zum Finale der German Darts Masters. Ein Moment der Ruhe, ein seltener. Dann leuchten Scheinwerfer auf, rote und blaue Lichter hasten durch die Zuschauer. Die stimmen schon wieder Sprechchöre an, tanzen auf und neben den Bierbänken. Der Rocksong "Seven Nation Army" dröhnt durch die Halle. Es ist die Einlaufmusik von Michael van Gerwen, dem aktuell erfolgreichsten Dartspieler der Welt. Der bullige, glatzköpfige Niederländer schlendert auf die Bühne, neben ihm eine junge Brünette in kurzen Lederhose. Er grüßt seine Fans mit Handschlägen, zwinkert in die Kameras. Auf der Bühne schlürft er einen Schluck Wasser und umarmt seinen Finalgegner. Der heißt John Henderson. Ein stämmiger Schotte mit roten Haaren und roten Backen, der in der Rangliste der Professional Darts Corporation (PDC) auf dem 40. Platz rangiert und überraschend im Finale steht. Auch er lässt sich feiern, auch er wurde von einer jungen Dame auf die Bühne begleitet.

Es ist eine große Show, die am Osterwochenende in Unterschleißheim geboten wurde. Von Samstag bis Montag fanden hier die German Darts Masters statt, 48 Spieler warfen ihre Pfeile. Dabei waren neben van Gerwen und Henderson auch der zweimalige Weltmeister Adrian Lewis und Publikumsliebling Peter Wright. Der groß angekündigte Phil Taylor, die Legende im Darts, sagte kurzfristig ab. "Krankheitsbedingt", wie Werner von Moltke, Geschäftsführer der PDC Europe und Veranstalter, mitteilte. 12 000 Zuschauer kamen dennoch, aufgeteilt in zwei Sessions pro Tag; auch am Finalabend am Montag waren 2000 in der Halle. "Überrascht sind wir nicht von den vielen Zuschauern, aber doch erleichtert, dass es so viele wurden", sagt Werner von Moltke. In England füllt die Sportart wöchentlich die Hallen mit tausenden Fans. Im Mutterland des Darts genießt der Sport große Anerkennung, die Spieler haben Kultstatus. In Deutschland sei Darts immer noch ein "Nischensport", sagt von Moltke. Um das zu ändern, brauche es Turniere mit bekannten Spielern. So wie am Wochenende. Es war das zweite Dart-Turnier dieser Größe in München, das erste fand 2006 statt. Dass es neun Jahre gedauert hat, bis ein weiteres großes Turnier stattfand, liege vor allem an dem Problem, eine geeignete Halle zu finden. "Sie muss für uns bezahlbar und nicht belegt sein und die entsprechende Kapazität mitbringen." Das Ballhausforum in Unterschleißheim sei sogar etwas zu klein. "500 oder 1000 Zuschauer mehr, das wäre schön", sagt der Geschäftsführer.

Die 2000 Fans, die am Montagabend da sind, verwandeln das Turnier in eine Mischung aus Oktoberfest und Karneval: Superman läuft Hand in Hand mit Schlumpfine zum Bierstand. Ihm torkelt das Pokemon Pikachu entgegen, das Mühe hat, fünf randvolle Becher in seinen Händen zurück zum Platz zu balancieren. Vor der Bühne tanzen Männer im Bademantel auf Bierbänken, auf der Bühne steht der Ansager Russ Bray in Lederhose und brüllt mit heiserer Stimme ins Mikrofon. Im Fünf-Sekunden-Takt, immer dann besonders laut, wenn einer der Spieler 180 Punkte wirft, den Höchstwert, der mit drei Würfen möglich ist. Van Gerwen gelingt das im Finale zweimal nacheinander. Er gewinnt 6:5 gegen Henderson, der einen 0:3-Rückstand ausgleicht und sich sogar ein 5:5 gegen den Holländer herausspielt. Mighty Mike, wie van Gerwen in der Dart-Szene gerufen wird, gewinnt 25 000 Pfund Preisgeld. In den vergangenen zwei Jahren hat er sich mehr als eine Million Pfund erspielt. Das gelang zuvor nur Phil Taylor. Dessen Trikot hängt an einem Verkaufsstand im Vorraum, abseits des Wahnsinns. Vielleicht streift er es sich nächstes Jahr in München über, dann sollen die German Masters wieder im Ballhausforum stattfinden.

© SZ vom 08.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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