Dachau unterliegt Ismaning:Eine Frage der Leidenschaft

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Ausgetanzt vom alten Mann: Dachaus Kapitän Alexander Weiser (links) ist kein wirkliches Hindernis für Ismanings Stürmer Mijo Stijepic. Der 38-Jährige war fünf Minuten vor Schluss noch leichtfüßig genug für den Siegtreffer. (Foto: Niels P. Joergensen)

Der FCI gewinnt das Derby, weil er mehr investiert als die Gastgeber. Das 2:1-Siegtor ist eine Koproduktion des ältesten Sturms der Bayernliga.

Von Gerhard Fischer, Dachau

Kurz vor Schluss ging der Ball kaputt. Dachaus Merlin Höckendorff und Ismanings Taiki Fujita hatten gleichzeitig gegen die Kugel getreten. Das hielt sie nicht aus. Zerbeult lag sie auf dem Rasen. Schiedsrichter Riedel zeigte Fujita die gelbe Karte. Da sprang Ismanings Trainer Rainer Elfinger von seiner Bank hoch, schnappte sich den kaputten Ball und hielt ihn Riedel vor die Nase. "Pressschlag", rief Elfinger, und die Botschaft, die er damit transportierte, hieß: beide Spieler treffen den Ball, kein Foul, keine gelbe Karte. Natürlich nahm Riedel seine Entscheidung nicht zurück, so etwas passiert nicht einmal in der Videoschiedsrichter-Bundesliga. Aber Elfinger zeigte kurz vor Schluss Leidenschaft. Und damit ist die Geschichte des Spiels zwischen dem TSV 1865 Dachau und dem FC Ismaning in seinem Kern erzählt: Die Ismaninger gewannen 2:1, weil sie mehr Leidenschaft zeigten.

Außerdem hatten sie die besseren Chancen. 1865 Dachau hat ja seine höchsten Würdenträger in der Innenverteidigung aufgeboten, den Spielertrainer Fabian Lamotte und den Kapitän Alexander Weiser. Beide sind groß und flößen Respekt ein, und beide haben Erfahrung - Lamotte etwa spielte schon bei Schalke 04 und beim TSV 1860 (was nicht allen Respekt einflößt). Aber diesmal hatten die Hünen Probleme mit dem quirligen, technisch famosen Stürmer Mijo Stijepic und manchmal auch mit der Ballbehandlung: Lamotte missriet ein Rückpass zu Torwart Maximilian Mayer, Ensar Skrijeli schnappte sich den Ball, ging links am Keeper vorbei, schoss dann aber auch am Tor vorbei (10.).

Ein kleiner Junge bemerkt zutreffend: "So gut ist Dachau jetzt auch nicht."

1865 Dachau gilt eigentlich als Mannschaft, die mit dem Ball umgehen und schön kombinieren kann. Nach 15 Minuten nutzte sie die Breite des Feldes für weite, punktgenaue Pässe und kurze, schnelle Zuspiele. Es sah gut aus - und musste aus Sicht der Gäste sofort sabotiert werden. "Druck, Druck", rief Trainer Elfinger seinen Leuten zu, und in diesem Fall lautete die Botschaft: Greift sie an, lasst ihnen keinen Platz zum Spielen! 1865 geriet daraufhin aus dem Konzept, und auf der Tribüne sagte ein kleiner Junge zutreffend: "So gut ist Dachau jetzt auch nicht."

Dann gehörte die Aufmerksamkeit der 150 Zuschauer den Ismaningern, namentlich Hugo da Silva Lopes und Anton Siedlitzki. Der Erste spielte den Zweiten auf dem linken Flügel frei, Siedlitzki stand vor Mayer, er schoss auf den Kasten, der Dachauer Keeper warf sich in die Flugbahn des Balles, doch dieser kullerte - bloß unzureichend abgebremst - über die Linie des Dachauer Tores (24.). Die Bemühungen von gleich zwei grätschenden Verteidigern, die Kugel davon abzuhalten, waren vergeblich. Wenigstens sah der Rettungsversuch gut aus - er zeugte von Willen und Einsatz.

Nach der Pause ließen die Gäste aus Ismaning etwas nach; es mag an den beiden Wechseln gelegen haben, die Elfinger vornehmen musste, weil Bastian Fischer sich am Fuß verletzte und Skrijelj über Schwindel klagte. Vielleicht fehlte deshalb erst einmal die Abstimmung. Beim Dachauer Ausgleich fehlte Ismaning allerdings auch Konzentration und Aggressivität. Onur Korkmaz, der sehr schöne, scharfe Standards schießen kann, zirkelte eine Ecke in den Ismaninger Strafraum, der frei stehende Merlin Höckendorff köpfelte auf den frei stehenden Weiser, der den Ball mit einem sehenswerten Drehschuss unter die Latte drosch (58.).

Das Spiel kippte, und immer wenn ein Spiel nach einem Tor kippt, werden folgende Formulierungen bemüht: Ein geschossenes Tor setzt Kräfte frei, es gibt Sicherheit, es beflügelt Körper, Geist und die ganze Gemeinschaft. Ein kassiertes Tor dagegen schürt die Angst, es hemmt die Abenteuerlust, es verleitet dazu, das Erreichte zu bewahren anstatt das Optimale anzustreben. Es sind Floskeln, aber sie treffen eben oft zu, und so war es am Samstag auch in Dachau. 1865 griff beherzt an, Ismaning stand nervös hinten drin. Aber das Ganze dauerte: höchstens 15 Minuten. Dann fing sich der FC Ismaning, und dann kam die Sache mit dem kaputten Ball; es war ein Fanal für die Gäste, die Schlussphase gehörte ihnen.

Als Alexander Weiser auf der halblinken Abwehrseite gemächlich den Ball führte, als würde er mit dem Hund Gassi gehen, rief Elfinger mal wieder "Druck, Druck" auf den Rasen, und Gianfranco Soave machte Druck auf Weiser, der prompt den Ball verlor. Soave passte zur Mitte und da stand Stijepic frei. Und wenn Stijepic frei vor dem Tor steht, dann wird das auch ein Tor - das ist so sicher wie die Meisterschaft von Bayern und, ja auch, von Sechzig. Der erfahrene Stürmer schoss flach ein (85.).

"Der älteste Sturm der Bayernliga hat das Siegtor gemacht", sagte Elfinger. Soave ist 36, Stijepic schon 38. Natürlich war Elfinger nach dem Spiel sehr aufgeräumt. "Nach meiner Rechnung brauchten wir - ohne auf andere Ergebnisse zu schauen - vor dem Dachau-Spiel vier Siege, um die Klasse zu erhalten", sagte er. "Heute haben wir den ersten geholt." Dachaus Spielertrainer Lamotte meinte: "Wir müssen uns langsam wieder straffen, damit es nach hinten nicht noch eng wird." Na ja, noch ist der Vorsprung zur Abstiegszone komfortabel - es müsste viel passieren, dass in Dachau nicht bloß ein Ball kaputt geht, sondern eine ganze Saison.

© SZ vom 16.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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