Bezirksliga-Serie:Gescheit oder gar nicht

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Heiß auf die Krönung: Im vergangenen Sommer hat Andreas Staude (re.) mit dem TSV Gilching in der Relegation gegen Kirchheim den Aufstieg verpasst. (Foto: Florian Peljak)

Der TSV Gilching-Argelsried klopft erneut an die Pforte zur Landesliga - diesmal als aktuell erfolgreichster Fußball-Bezirksligist Bayerns

Von Stefan Galler, Gilching

Markus Babbel wirkt auf den ersten Blick eher konservativ. Doch der frühere Fußball-Profi und heutige Trainer ist tätowiert. Und das im großen Stil. Weil die Laufbahn eines Sportlers Teil seiner Persönlichkeit ist, haben einige Motive auch mit seinen Karrierestationen zu tun. Auf dem rechten Oberarm sind jene vier Vereine verewigt, für die er so lange spielte, dass sich eine persönliche Beziehung entwickelte: Die Wappen des FC Bayern München, des VfB Stuttgart und des FC Liverpool hat sich der Fußball-Europameister von 1996 dort stechen lassen. Nicht dabei ist die TSG Hoffenheim, wo er nach nicht einmal zehn Monaten als Trainer entlassen wurde. Einen Stammplatz auf Babbels Körper hat indes das Logo des TSV Gilching-Argelsried - jener Klub, bei dem er als kleiner Bub das Fußballspielen gelernt hat.

Das ist gut 35 Jahre her, dennoch verfolgt Babbel, mittlerweile Coach des Schweizer Erstligisten FC Luzern (dessen Wappen ihm ebenfalls bereits unter die Haut gegangen ist), die Geschicke seines Stammvereins noch immer, das hat er vor etwa zwei Jahren einer Lokalzeitung verraten. Was er da in der Schweiz derzeit mitbekommt, sollte dem 43-Jährigen gefallen, immerhin ist der TSV Gilching aktuell der erfolgreichste Bezirksligist im ganzen Freistaat: 19 Spiele hat der Klub in der Süd-Staffel absolviert, davon 16 gewonnen, drei endeten unentschieden - macht 51 Punkte, so viele wie kein anderer in den 15 bayerischen Bezirksligen im Herbst erreicht hat.

Angesichts von sieben Zählern Vorsprung auf den Verfolger SC Olching (der allerdings ein Nachholspiel in der Hinterhand hat) ist es nicht überraschend, dass die Verantwortlichen ihre Zurückhaltung abgelegt haben: "Wir brauchen nicht herumdiskutieren, der Aufstieg ist unser Ziel", sagt Stefan Schwartling, Fußball-Abteilungsleiter beim TSV. Trainer Wolfgang Krebs, der die Mannschaft seit nunmehr siebeneinhalb Jahren führt, gibt sich zwar keineswegs vollmundig, aber doch bestimmt: "Die Landesliga war vor der Saison nicht das Ziel, aber wir sind auf einem guten Weg." Und was macht die Stärke des Teams aus, das noch im Sommer in der Relegation knapp am Aufstieg gescheitert war? "Fleiß, ein bisschen Glück und das starke Kollektiv", so Krebs. Und die Tatsache, dass die beiden Zugänge Maximilian König (vom SV Raisting) und Ramon Adofo (TSV Oberalting-Seefeld), der in 18 Spielen 14 Tore erzielte, voll eingeschlagen haben.

In Gilching legen sie wie viele erfolgreiche Vereine im mittleren Amateurbereich Wert auf eine hohe Identifikation der Spieler mit dem Verein. "Unsere momentan schöne Situation ist auch auf unsere Jugendarbeit zurückzuführen", sagt Spartenchef Schwartling. Bis auf eine Handvoll Akteure hätten alle Kaderspieler eine Vergangenheit beim TSV, manch einer schaffte es auf direktem Weg aus der Nachwuchsabteilung in die erste Mannschaft. Wie der heutige Kapitän Maximilian Hölzl, der vor sechs Jahren aus der A-Jugend hervorging und mittlerweile als torgefährlicher Innenverteidiger (acht Tore in 15 Saisoneinsätzen) die absolute Führungskraft im Team ist.

Torwart Markus Hartmannsgruber ist laut Krebs "das Flaggschiff hinten drin", davor zieht Routinier Basti Bootz, 32, die Fäden. "Er war körperlich am Ende, als er vor drei Jahren zu uns kam", sagt der Coach. Das Schambein chronisch entzündet, der Knöchel ramponiert. Doch in Gilching fand der ehemalige Fürstenfeldbrucker zu alter Form zurück. Thomas Beier und Andreas Staude spielten beim Landkreisrivalen Starnberg, als dieser noch bessere Zeiten durchlebte. Allerdings will Staude, 35, nach der Geburt seines zweiten Kindes spätestens im Sommer die Fußballschuhe an den Nagel hängen. "In der Rückrunde wird er schon noch einmal angreifen, der Aufstieg wäre das krönende Ende einer großen Karriere", sagt Schwartling. Mittelfeldspieler Staude hatte einst bei Starnberg in der Landesliga gespielt.

Auch Trainer Krebs war als Aktiver in Starnberg am erfolgreichsten, während der 1990-er Jahre kickte er in der Bayernliga, damals dritthöchste Spielklasse. "Einmal habe ich gegen die Löwen ein Tor gemacht, damals trugen wir unser Heimspiel im Sportpark Unterhaching vor 5500 Zuschauern aus und siegten 3:2." Das war im September 1992, Trainer der "Seelöwen" war zu jener Zeit Karl-Heinz Finsterer, ihm sollte Florian Hinterberger folgen. Krebs spielte in Starnberg mit Größen wie Michael Wiesinger, Ralph und Jörg Müller-Gesser, Robert Grätz, Milan Lapuh, Holger Schmidtke oder Toni Schmidkunz zusammen. "Sogar der Aufstieg in die zweite Liga schien zwischenzeitlich möglich, aber ehrlicherweise war die Bayernliga damals für mich das höchste der Gefühle", so Krebs.

Als Coach traut er, der einst in Pipinsried als Spielertrainer begann, sich diese Gefilde ebenfalls zu. Dennoch hat er noch nicht endgültig entschieden, ob er nach der Saison beim TSV in ein neuntes Jahr gehen soll. "Ich bin kein Guardiola, der wechselt, weil er neue Restaurants kennenlernen will", sagt Krebs. "Aber wenn ein neuer Reizpunkt nötig ist, würde ich nicht im Weg stehen, auch wenn ich immer noch gerne zum Training gehe und das Gefühl habe, die Jungs zu erreichen." Schwartling geht tiefenentspannt in die Vertragsgespräche. "Wolfi ist ein Top-Trainer, er schleicht das ganze Wochenende auf den Plätzen der Konkurrenz herum, um Gegner zu beobachten, integriert junge Leute ins Team und ist auch privat ein guter Freund." Es gebe keinen Grund, sich zu trennen.

Die Laune ist gut bei den TSV-Verantwortlichen, schließlich stimmt es auch im Umfeld: Ein paar engagierte Sponsoren machen es möglich, dass sich die erfolgreichen Fußballer ein paar Euro dazuverdienen. Und die Bürger im Ort nehmen ihre Mannschaft an, im Schnitt kommen mehr als 200 Zuschauer zu den Heimspielen. "Als ich vor sechs Jahren angefangen habe, dachte ich mir, ich mache es gescheit oder gar nicht", sagt Schwartling. "Es ist ein Haufen Arbeit, aber es macht auch sehr viel Spaß."

© SZ vom 05.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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