BCF Wolfratshausen gegen Pullach:Die Eineinhalb-Mann-Laufgruppe

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Trotz Überzahl kommen die Farcheter gegen die Isartaler kaum zu Torchancen. Eine nutzt der abstiegsbedrohte BCF dennoch zum 1:1 - und ist mit diesem Ergebnis sehr zufrieden.

Von Andreas Liebmann, Wolfratshausen

Zu Beginn der zweiten Halbzeit war der BCF Wolfratshausen kaum wiederzuerkennen. Zum einen begann er mit einem Distanzschuss von Marco Tomicic und einer gefährlichen Flanke von Marin Culjak an den Fünfmeterraum des SV Pullach, was weit mehr Offensivdrang ausstrahlte als alles, was der abstiegsbedrohte Bayernligist vor der Pause zuwege gebracht hatte. Zum anderen hatte er die Trikots gewechselt. Dunkelgrün statt zuvor neongrün, um eine bessere Unterscheidbarkeit zum Gelb des Gegners zu gewährleisten. Die neuen Trikots trugen die Wolfratshauser dann natürlich bis zum Schlusspfiff, bis Trainer Marco Stier die Fäuste ballte und den Endstand von 1:1 bejubelte. Ihren plötzlichen Offensivdrang legten sie aber sehr schnell wieder ab.

Es war der Plan der Gastgeber gewesen, defensiv stabil zu stehen gegen den spielstarken Tabellenzweiten, der gerne seinen Meistertitel aus dem Vorjahr verteidigen würde; auf Konter zu lauern, auf Standardsituationen zu hoffen oder auf irgendeine günstige Fügung des Schicksals. Anfangs deutete wenig darauf hin, dass dieser Plan aufgehen würde. Schon nach wenigen Sekunden und einer Ecke hatte Pullachs Lukas Dotzler an die Latte geköpfelt. "Wir hatten das Spiel sehr gut unter Kontrolle", sagte Pullachs Trainer Frank Schmöller später. Wieso sein Team nach dem Führungstor aufgehört habe, weiter druckvoll nach vorne zu spielen, sei auch ihm ein Rätsel.

Artistisch zum Ausgleich: BCF-Winterzugang Marin Culjak erzielt hier das 1:1 gegen seinen ehemaligen Klub SV Pullach. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Christoph Dinkelbach erzielte Pullachs Führungstreffer nach einer halben Stunde. Allzu große Mühe bereitete ihm der Treffer nicht. Mangels Anspielmöglichkeiten hatte BCF-Torwart Alexander Heep einen Rückpass von der Mittellinie erhalten, er hätte den Ball weit nach vorne prügeln können, er hätte ihn locker nach links passen können, doch er entschied sich, den zu Hilfe eilenden Florian Shalaj anzuspielen. Shalaj, 21, bekam mit dem Rücken zum Spielfeld Druck, er hätte den Ball noch ins Seitenaus befördern können, doch er entschied sich, erneut auf Heep zurückzupassen - so zaghaft jedoch, dass Dinkelbach locker dazwischen sprinten und den Ball an Heep vorbei ins Tor schieben konnte.

Nach Abpfiff vergrub Winterzugang Shalaj immer noch seinen Kopf in den Händen. "Es war eine blöde Situation", erklärte er, "ich wusste nicht, wie fest ich ihn zurückspielen soll." Er werde sich aber auch in Zukunft wieder anbieten, um einen solchen Ball abzuholen. Schmöllers Kommentar zu diesem geschenkten Treffer war das letzte Lob, das ihm in dieser Partie über die Lippen gehen sollte: "Gutes Pressing!"

Auch darin offenbarte sich die unterschiedliche Klasse beider Teams. Wenn Pullach Druck auf den ballführenden Gegner ausübte, dann als gesamtes Team. Wenn Wolfratshausen Selbiges versuchte, dann meist in Person des einzigen Stürmers Angelo Hauk, unterstützt von ein bis zwei anderen, hinter denen sich dann umso größere Löcher im Mittelfeld auftaten. Hauk lief sich vorne die Hacken wund, auf Steilpässe lauernd, die vorzugsweise Jona Lehr nach Soli im Mittelfeld versuchte, und auf Ballgewinne hoffend. Tatsächlich war es genau diese Eineinhalb-Mann-Laufgruppe, die kurz vor der Pause das Spiel veränderte: Pullachs Michael Hutterer ließ sich an der Mittellinie ohne Not den Ball abnehmen, diesmal war es Adam Puta, der Hauk ein wenig unterstützt hatte und ihn nun in den Sprint schickte. Die Gäste hatten keine Absicherung, Hutterer blieb nur die Notbremse, eine "völlig berechtigte rote Karte", wie Schmöller urteilte, war die Folge. Und das "in unserer Personalsituation", wie Schmöller klagte - was einmal mehr die Unterschiede zwischen beiden Klubs unterstrich. Denn auf der Bank des BCF saßen nach den Ausfällen der offensiven Marian Knecht und Wilson Onyemaeke exakt drei Menschen: Co-Trainer Michael Rödl, der angeschlagene Vincenzo Potenza und Innenverteidiger Chafi Gobitaka.

Am Kräfteverhältnis änderte sich wenig. Zwar erzürnten die Pullacher ihren Trainer fortan, weil sie zu oft quer spielten, weil sie auch die Marschroute der zweiten Halbzeit nicht einhielten, dennoch hatten sie auch zu zehnt die besseren Torchancen. "Für uns ging es trotzdem erst mal weiter darum, nur ein Tor Rückstand zu halten", erklärte BCF-Co-Trainer Rödl, und eben auf eine günstige Situation zu warten. In einer solchen erzielte Wolfratshausen den Ausgleich: Lehr passte den Ball aus der Luft in den Lauf des 19-jährigen Marin Culjak, und der ehemalige Pullacher traf ihn artistisch mit hohem rechten Bein neben den Pfosten (55.). Bis zum Schluss blieb der BCF vorsichtig, aus Angst vor der individuellen Klasse des Gegners. "Vielleicht hätten wir da einen Tick offensiver spielen können", glaubte Rödl, "aber letztendlich sind wir zufrieden mit diesem Punkt." Der beinahe noch verloren gegangen wäre: In der Nachspielzeit schlug Hauk eine Ecke nicht etwa hoch in den Strafraum, sondern flach in den Rückraum, was prompt zu einem Ballverlust führte - Lehr foulte Dinkelbach mit letzter Kraft, stoppte damit den drohenden Konter und sah Gelb-Rot.

"Für uns ist ein Punkt hier zu wenig", ärgerte sich Schmöller. Es sei bereits das fünfte oder sechste Remis gegen ein Team aus der Abstiegszone, "das spricht auch eine deutliche Sprache". Seine Mannschaft fühle sich da bisweilen zu sicher. Ob es die ersten Frühlingsgefühle waren, die sein Team nach einer halben Stunde übermannt hätten? Beim 0:0 gegen Schlusslicht Kornburg vor drei Wochen, entgegnete Pullachs Coach, "hatten wir auch solche Frühlingsgefühle. Da waren es minus zehn Grad."

© SZ vom 09.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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