Basketball:Aufschlussreiche E-Mails

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Mühling für Sovarzo: Regionalligist Dachau Spurs wechselt den Trainer

Von Matthias Schmid, Dachau

Harald Schirmann tauscht sich noch regelmäßig per E-Mail mit Roland Sovarzo aus. Das ist ungewöhnlich, weil der Abteilungsleiter des Basketball-Regionalligisten Dachau Spurs Sovarzo erst vor ein paar Tagen gekündigt hat. "Es muss wieder Ruhe einkehren in die Mannschaft", sagt Schirmann zu Entlassung des Cheftrainers. Es ist weniger die schier aussichtslose Ausgangslage des abgeschlagenen Tabellenletzten vor den abschließenden acht Saisonspielen, die den Klub zum Handeln gezwungen hat, als vielmehr die atmosphärischen Spannungen zwischen Trainer und Spielern. "Es hat einfach nicht mehr gepasst", sagt Schirmann. Beide Seiten hätten die Schuld für die schlechte Stimmung und die ausbleibenden Siege jeweils beim anderen gesucht "anstatt bei sich selbst anzufangen", sagt Dachaus Basketballchef.

Für den Rest der Saison beförderte Schirmann deshalb nun zunächst den Trainer der zweiten Mannschaft, Werner Mühling, zum neuen Chefcoach. Er hatte in dieser Saison schon einmal ausgeholfen, als Sovarzo mit der Gehörlosen-Nationalmannschaft unterwegs war. Mühling, 58, hatte sich erst vor dieser Saison dem Verein angeschlossen, nachdem er jahrelang höherklassige Teams, darunter auch den FC Bayern München, trainiert hatte.

"Ich mag solche Herausforderungen", sagt der frühere Bamberger, der schon mit 16 Jahren in der ersten Liga debütierte. Doch diese Aufgabe findet sogar Mühling fast schon zu herausfordernd. Am Samstag (19 Uhr, Jahnhalle) steht gegen Erfurt das Endspiel um den Klassenverbleib an. Sollten die Dachauer verlieren, wäre der Nicht-Abstieg nur noch rein rechnerisch möglich. Der Aufsteiger hätte dann vier Siege mehr als die Spurs, die in dieser Saison erst eine Partie haben gewinnen können. "Ich hätte gerne ein paar Tage mehr Zeit gehabt, um mit der Mannschaft zu arbeiten", gibt Mühling zu. In vielen Gesprächen will er nun versuchen, die Verunsicherung nach etlichen Niederlagen aus den Köpfen der Spieler zu bekommen. Der Lehrer ist in diesen Tagen mehr als Psychologe gefragt, taktische Systeme oder technische Übungen sind eher unerheblich. Es gehe vor allem darum, sagt Mühling, "dass wir im nächsten Spiel einen 0:8- oder 0:10-Lauf unter allen Umständen verhindern."

Nur wenn es der Mannschaft gelingt, Erfurt mit mindestens sechs Punkten Differenz zu besiegen, "kann die Hoffnung auf den Klassenerhalt zurückkehren", sagt Schirmann. Dann hätten die Dachauer nämlich auch den direkten Vergleich für sich entschieden, was die Aussicht erhöht, sich in der Tabelle an den Erfurtern noch vorbeischieben zu können. Mit dem "worst case", also mit dem Abstieg, hat sich der Klubchef natürlich auch schon auseinandergesetzt. Der Verein soll auch eine Klasse tiefer in der 2. Regionalliga stark genug sein, um den Wiederaufstieg planen zu können. Eine zentrale Rolle in seinen Überlegungen spielt dabei Werner Mühling. Aus der Interimslösung soll eine Dauerlösung entstehen. "Er hat hier schon mit unseren Nachwuchsleuten trainiert, soll das fortsetzen und sie an höhere Aufgaben heranführen", sagt Schirmann.

Dass er sich nach dem Pokalsieg und dem einstelligen Tabellenplatz in der vergangenen Saison überhaupt mit diesem Szenario beschäftigen muss, hatte sich schon Wochen nach Beginn der neuen Spielzeit angedeutet. Bisweilen hatte Sovarzo selbst mitmachen müssen, um im Training auf fünf Spieler zu kommen. Beispiellose Verletzungssorgen haben die Saison geprägt. Außerdem durfte US-Profispieler Nate Walker nicht mehr aus seinem Weihnachtsurlaub zurückkehren, weil er überfordert war. "Bei diesen Voraussetzungen kann auch der beste Trainer nichts bewirken", sagt Schirmann.

Er hätte gerne früher eingegriffen, um eine Entlassung Sovarzos zu verhindern. Aber Mentaltrainer oder zahlreiche Nachverpflichtungen waren nicht im Budget. "Wir sind schließlich der TSV Dachau und nicht der FC Bayern, wo auf der Bank noch mal fünf gleichstarke Spieler sitzen", sagt Schirmann. Sovarzo nahm seine Demission fast schon mit Erleichterung auf. Er hatte schon seit Längerem hinschmeißen wollen. Der Verein kam ihm nun zuvor. Diese Deutung der Ereignisse hatte Schirmann nicht zuletzt im E-Mail-Verkehr mit ihm gewonnen.

© SZ vom 19.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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