Baseball-Bundesliga:Gabriel und die Base-Diebe

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Lukas Steinlein, im ersten Spiel gesperrt, bewies in der zweiten Partie als Schlagmann und als Ersatzwerfer, wie wertvoll er für die Disciples ist. (Foto: Claus Schunk)

Früher haben die Haar Disciples knappe Playoff-Spiele oft verloren. Jetzt verwandeln sie sogar Schwächen in Stärken: Nach dem Ausgleich gegen Titelverteidiger Solingen winkt ihnen erstmals der Einzug ins Halbfinale

Von Johannes Knuth, München

Michael Stephan redete dann über Beine, über zwei Sportlerbeine, um genau zu sein. Der Spielertrainer der Haar Disciples hätte freilich genauso gut über Arme reden können. Über den Wurfarm von Pitcher Gabriel Sandersius zum Beispiel, der den Bundesliga-Baseballern am Sonntag den 5:3-Erfolg und damit den 1:1-Ausgleich in der Playoff-Viertelfinalserie gegen die Solingen Alligators ermöglicht hatte. Oder über den Arm von José Palacios, dem Catcher der Disciples. Palacios hatte seinen kräfteraubenden Job am Wochenende trotz gereizter Patellasehne und schmerzender Schulter verrichtet, wobei, die Schulterprobleme zählten nicht, um mildernde Umstände geltend zu machen, Schulterschmerzen gehören zum Grundbefinden eines jeden Baseballspielers. Stephan sprach dann jedenfalls über jene zwei Beine, die seinen Spieler Lukas Steinlein getragen hatten. "Er ist einer der wenigen von uns, die wirklich schnell sind", sagte Stephan. Das hatte am Sonntag eine überraschend große Rolle gespielt.

Die Haar Disciples haben nach einer 1:7-Niederlage im ersten Spiel die zweite Partie gegen den diensthabenden deutschen Meister 5:3 gewonnen, das war die eine Botschaft des Wochenendes. "Wieder eine knappe Partie für uns", sagte Stephan, das war ihm wichtig, die Disciples hatten in den vergangenen Jahren ja eine Vorliebe dafür entwickelt, knappe Playoff-Spiele unglücklich zu verlieren. Am kommenden Samstag geht es in Solingen weiter, das Team, das zuerst drei Spiele gewinnt, rückt ins Halbfinale auf. Dass die Disciples weiter gute Chancen besitzen, zum ersten Mal in ihrer Vereinsgeschichte in diesen elitären Kreis vorzudringen, das kann man durchaus mit ihrer gefestigten Selbstsicherheit erklären. Zu dieser Fertigkeit zählt auch, dass man nicht allein die Stärken der Mannschaft ernst nehmen muss. Sondern auch ihre Schwächen, die sie am Wochenende in Stärken verwandelte. Zum Beispiel die Sache mit der Schnelligkeit.

Wer im Baseball möglichst viele Punkte produzieren möchte, dem stehen mehrere Werkzeuge zur Verfügung. Das gängige Werkzeug ist jenes der Kraft, wenn möglichst viele Spieler hintereinander den Ball des gegnerischen Werfers druckvoll ins Spielfeld zurückbefördern und die Läufer gleichzeitig Mal um Mal aufrücken, bis sie punkten. Dann gibt es ein paar Spezial-Instrumente, jenes der Schnelligkeit zum Beispiel. Ein Spieler kann in der Offensive ein wenig schummeln, wenn er nicht darauf warten möchte, bis ihn ein Kollege mit einem Schlag ein Mal weiterschiebt. Er kann, während der Pitcher seinen nächsten Wurf vorbereitet, von einem zum nächsten Mal (Base) sprinten, er stiehlt der Verteidigung dann ein Base, sagen die Baseballer. Haar beschäftigt derzeit zwei bundesligataugliche Diebe, Richard Klijn und Steinlein. Klijn wird derzeit von einem Muskelfaserriss ausgebremst, Steinlein saß im ersten Spiel eine Sperre ab. Im zweiten wirkte er wieder mit. Wie wertvoll seine Schnelligkeit sein kann, bewies er im fünften Spielabschnitt. Steinlein klaute erst die zweite, dann die dritte Base. Solingens Catcher David Selsemeyer versuchte, Steinlein mit einem präzisen Wurf am Stehlen zu hindern, der Ball kullerte am Ziel vorbei, Steinlein rückte aufs vierte Base vor, was seiner Mannschaft eine 2:0-Führung bescherte und somit ein angenehmeres Arbeitsklima. Bei den übrigen Punkten halfen die Solinger eifrig mit, ihnen unterliefen vier teils gravierende Feldspielfehler. "Wir wussten, dass der Selsemeyer nicht den besten Arm hat", sagte Stephan, sie verfügen da in Haar über einige empirische Daten: Selsemeyer hat jahrelang für die Disciples als Catcher gespielt.

Am kommenden Samstag nehmen beide Mannschaften die Serie in Solingen also wieder auf. "Wir sehen unsere Chancen nach wie vor sehr gut", sagt Josh Petersen, Haars zweiter Spielertrainer. Nicht nur wegen Steinleins Beinen, auch wegen seines Wurfarms. Im vergangen Jahr hätten die Disciples ihrem Pitcher Sandersius wohl bis zum Spielschluss vertrauen müssen, das erhöht die Gefahr, dass einem Werfer das Spiel aus den Händen gleitet. In diesen Tagen können sie dann Steinlein aufbieten, den sie mittlerweile zum Einwechselwerfer umgebaut haben. "Ich kenne keinen, der solche starken Nerven hat", sagt Stephan. Er wird in Solingen vermutlich auch auf den zuletzt erkrankten Cedric Bassel zurückgreifen können. Bassel ist übrigens kein allzu schlechter Base-Dieb.

© SZ vom 11.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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