American Sports:Befremden in Baseball-Land

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Neue Regeln sollen deutschen Spielern Anschluss an die internationale Spitze verschaffen. Auch unter den Klubs in der Region stoßen die Pläne aber auf Widerstand

Von Christoph Leischwitz

Ein souveränes 4:0 zum Auftakt gegen Schweden, Kantersiege gegen Russland (16:2) und Belgien (14:2), aber auch ein 2:10 gegen Gastgeber Niederlande sowie ein 0:12 gegen Italien. Und im Halbfinale beim 0:3 gegen Spanien chancenlos: Für die deutsche Nationalmannschaft bedeutete das bei der EM Mitte September in Hoofddorp am Ende Platz vier. Nicht schlecht. Aber der Abstand zu den europäischen Spitzenteams will einfach nicht kleiner werden. Der deutsche Baseball hinkt der Entwicklung hinterher.

Der Deutsche Baseball- und Softballverband (DBV) hat sich danach einige neue Regeln ausgedacht, um einheimischen Spielern mehr Einsatzzeit in der Bundesliga zu verschaffen und sie an das internationale Niveau heranzuführen. Doch auf der Liga-Vollversammlung am 13. November stießen die Änderungen auf Widerstand. Eine knappe Mehrheit der Vereine (17 Ja-, 20 Nein-Stimmen, neun Enthaltungen) lehnte sie ab. An zwei Punkten entzündete sich der Streit: Die Zahl der Ausländer, die während eines Spiels gleichzeitig auf dem Feld stehen dürfen, soll bis 2019 stufenweise auf zwei herabgesetzt werden. Entscheidend ist, dass dann der Ausländerstatus nicht mehr relevant wäre - ein US-Amerikaner und ein EU-Ausländer etwa würden dann gleich behandelt werden. Zweitens dürften im ersten Spiel eines üblichen Doppelspieltags künftig nur noch deutsche Pitcher eingesetzt werden, also auch keine so genannten Baseballdeutschen mehr. Das sind zumeist Amerikaner, die in Deutschland aufgewachsen sind oder schon lange hier leben. Gegenüber Nicht-EU-Ausländern hätten sie trotzdem einen Vorteil, denn abgesehen von der Pitcher-Regel hätten sie keine weiteren Einschränkungen zu befürchten. Viele Vereine sehen deshalb darin eine Diskriminierung von EU-Bürgern.

Werfen verboten: Auch Caribes-Spielertrainer Steve Walker, der seit zehn Jahren in München lebt, wäre von den neuen Regeln betroffen. (Foto: Claus Schunk)

Der DBV-Ausschuss für Wettkampfsport, der am 11. Dezember tagt, kann die neuen Regeln auch gegen den Willen der Vollversammlung durchsetzen. Die Bundesligisten Hamburg Stealers und Mannheim Tornados haben der SZ bestätigt, dass sie sich für diesen Fall rechtliche Schritte vorbehalten. Die Klubs aus der Region haben zu den weitgreifenden Maßnahmen unterschiedliche Meinungen.

Haar Disciples

Der ambitionierteste Klub Oberbayerns wäre von der Neuregelung doppelt betroffen, denn neben der ersten Mannschaft in der Bundesliga spielt die zweite Mannschaft künftig in der neuen 2. Bundesliga Südost. Die Disciples haben ein großes Reservoir an deutschen Werfern und stellen zwei Nationalspieler auf dieser Position. Die Talente würden zudem in der zweiten Liga Spielpraxis bekommen. Manager Michael Stephan vermutet sogar, dass die Regel das Team im Kampf um die Meisterschaft bevorteilen könnte. Denn andere Spitzenklubs hätten größere Probleme, den "bullpen", den Pitcher-Kader, mit Deutschen aufzufüllen. Stephan glaubt, dass das Niveau der Liga erst einmal sinken würde. Schon allein deshalb, weil die guten ausländischen Pitcher auch die deutschen Schlagmänner besser machen - viele junge Pitcher, die stattdessen eingesetzt werden müssten, könnten mit der Situation überfordert sein. Stephan findet es generell gut, mehr Deutsche spielen zu lassen. Er würde sich aber auch wegen der Gefahr eines Rechtsstreits eher wünschen, die Zahl der einzusetzenden deutschen Spieler festzulegen, vor allem in Jugendteams, anstatt jene der Ausländer zu reduzieren. Der aktuelle Kader wäre von der Neuregelung kaum betroffen. Kurios wäre allerdings die Personalie Richard Klijn: Der Infielder mit britischem Pass wird nach dem Brexit höchstwahrscheinlich zum Nicht-EU-Ausländer. In diesem Fall würden die Disciples für Klijn aber einfach den Status eines Baseballdeutschen beantragen - was sogar verglichen mit dem EU-Status Vorteile hätte.

München Caribes

Der Zweitligist, 1994 von südamerikanischen Baseball-Liebhabern gegründet, sähe eine erhebliche Umstellung auf sich zukommen. Die neue Ausländerregelung "wäre nicht gut für unseren Sport", glaubt Spielertrainer Steve Walker. Einfacher Grund: Auf einen Schlag gäbe es weniger Spieler. Baseball sei ohnehin schon eine Randsportart mit Problemen, neue Akteure zu gewinnen. Die Änderung würde zudem ihn selbst betreffen: Auch der US-amerikanische Baseballdeutsche, der seit zehn Jahren in München lebt, dürfte im ersten Spiel nicht mehr pitchen. Der Verein müsste zusätzliche deutsche Werfer verpflichten - und sie dafür vermutlich von anderen Vereinen aus der Region abwerben. Dieses Werben würde noch aus einem anderen Grund forciert: Sollten schon bald weniger EU-Ausländer erlaubt sein, könnten die Caribes ihr Netzwerk zur Verpflichtung von Spielern mit spanischem Pass nur noch bedingt nutzen. Man habe zwar mehr deutsche Spieler als früher, sagt Walker. Doch die Caribes träumen seit Jahren davon, einmal in der ersten Liga zu spielen. Mit einem kleineren Kader dürfte das kaum möglich sein.

Freising Grizzlies

Der Aufsteiger freut sich auf die neuen Aufgaben, zumal in der zweiten Liga aufgrund der Ligareform noch mehr Derbys anstehen als zuvor in der Regionalliga. Doch der Klassenerhalt werde eine schwere Aufgabe, "die Mannschaft wird sich durchbeißen müssen", sagt Sportdirektor Armin Hegen. Und zwar ohne US-Amerikaner. Selbst nach der langwierigen Aufstiegsrunde sei nicht geplant gewesen, den Kader mit Spielern aus dem Ausland zu verstärken. "Wir sehen uns als Ausbildungsverein", erklärt Trainer Daniel Schober. Der ehemalige Nationalspieler sieht in der Neuregelung eine große Chance. Uneingeschränkt positiv fände aber auch er sie nicht: "Ausländische Spieler bringen ja auch noch andere Dinge mit ins Team: die ungeschriebenen Regeln, die Lebensart, die Mentalität."

Gauting Indians

Der ehemalige Bundesligist ist zurück in der zweiten Liga - und hat ähnlich wie die Grizzlies einen überwiegend deutschen Kader. Maßgeblich beteiligt am Aufstieg war US-Pitcher DJ Jauss, der von den Haar Disciples zurückkehrte. Die Indians müssten wie alle anderen Teams vor allem deutsche Pitcher verpflichten, um mehr als nur ein Spiel pro Spieltag gewinnen zu können. Zu konkreten Konsequenzen wollen die Indians allerdings keine Stellung nehmen.

© SZ vom 26.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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