Abschied in Pipinsried:Der große Sportsmann kann nicht mehr

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Nach dem Relegations-Aus gegen Garching wirft Pipinsrieds Spielertrainer Strobl hin

Von Matthias Schmid, Garching

Sekunden nach dem Schlusspfiff stand Tobias Strobl im Mittelkreis, mit seinem Trikot wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht, die Emotionen überwältigten den Spielertrainer des FC Pipinsried. Es war nicht das Gegentor des VfR Garching zum 0:1 in der Nachspielzeit durch Christoph Ball, das ihn aus dem emotionalen Gleichgewicht brachte. Es lief vielmehr in seinem Kopf plötzlich dieser Film ab, es waren bewegende Bilder, die er in seinem innerlichen Auge sah, in drei Jahren hatte sich viel Material angesammelt, positives wie negatives, "tolle Erlebnisse", wie er selbst sagte. Als der Film aufhörte und er wieder im Hier und Jetzt angekommen war, sprach er sehr leise, seine Worte gingen fast im Schluchzen runter. "Ich höre auf", sagte Strobl: "Ich brauche ein Pause."

Die vergangenen drei Jahre waren eine intensive Zeit für den 27-Jährigen. Er hat viel gelernt, sehr viel mitgemacht. Er hat den FC Pipinsried, ein Dorf mit 550 Einwohnern aus dem Dachauer Hinterland, fast in die vierthöchste deutsche Fußballklasse geführt. Schon im vergangenen Jahr war der Mannschaft in der Relegation der Regionalliga-Aufstieg verwehrt geblieben, wie diesmal gegen Garching. Strobl hatte schon vor der verstörenden 2:6-Niederlage unter der Woche geahnt, dass es das Aus war. Doch er war erst am Samstag bereit, seine Mannschaft von seiner Entscheidung zu unterrichten. Danach informierte er den Präsidenten Konrad Höß. "Ich wollte nicht, dass ich mich aus den Emotionen heraus noch mal umstimmen lasse", gestand Strobl am Mittelkreis des Garchinger Seestadions. Er konnte die Tränen nicht so einfach von sich fernhalten wie zuvor die Gegenspieler. "Ich bin mit der Mannschaft am Entwicklungsende ankommen", fuhr er fort: "Mit mir hätte es in der nächsten Saison keine erfolgreiche Runde mehr werden können."

Gerrit Arzberger und Garching siegten auch im zweiten Relegationsspiel 1:0. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Partie zuvor war noch mal ein Beweis dafür, dass seine Spieler zu ihrem Trainer gestanden hatten, "dass sie von seinem Entschluss schockiert waren", wie es Strobl ausdrückte. Sie rannten, sie rackerte und kämpften, als hätten sie das Hinspiel nur knapp verloren, als würde ein Sieg für die Finalrunde reichen, in der jetzt Garching im ersten Spiel am Mittwoch (18.30) beim Nord-Bayernligisten FC Amberg antreten muss, um eine weitere Saison in der Regionalliga spielen zu dürfen.

Nach dem klaren Sieg im Hinspiel waren die Zuschauer deshalb ziemlich erstaunt, dass die Pipinsrieder das Spiel machten und sich Chancen für drei Spiele erspielen konnten. Sie scheiterten aber jeweils an Garchings bestem Spieler, Torhüter Sebastian Seibold. Für den VfR ist die Saison ja noch nicht beendet, deshalb war es Trainer Daniel Weber ja auch so wichtig, dass seine Spieler sich nicht mit Sommerfußball begnügen sollten, "nicht zu passiv spielten", wie er sagte. Nach 20 Minuten verlor Weber aber völlig die Contenance. Er schleuderte eine Wasserflasche mit viel Wucht gegen den Plexiglas-Schutz der Ersatzbank. Sekunden davor hatte er sich einen kurzen heftigen Wortwechsel mit Spieler Gerrit Arzberger geliefert. "Ich kann dich auch auswechseln", schrie er den Mittelfeldspieler an, als der an der Seitenlinie ein bisschen mit dem Ball und dem Gegenspieler spielte, ihn ein wenig foppte. Weber kann Nachlässigkeiten nicht leiden, hasst ein fehlendes Arbeitsethos fast so sehr wie Niederlagen. Er will, dass seine Spieler auch ein Freundschaftsspiel ernst nehmen, will immer Leidenschaft und Einsatz sehen. Auch in einem bedeutungslosen Spiel wie diesem.

Dann trat Pipinsrieds Trainer Tobias Strobl unter Tränen zurück. (Foto: Toni Heigl)

Für Strobl war es dagegen das emotionalste Spiel seiner Karriere. Der ehemalige Regionalligakicker hat mit bescheidenen Mitteln die Mannschaft in drei Jahren an ihr Maximum und in die Bayernliga geführt. "Wir haben viel für die Außenwirkung des Klubs getan", bilanzierte er. "Ich wollte mit guten Erinnerungen von hier weggehen." Er will jetzt erst einmal eine Pause machen, Abstand gewinnen. Er habe keine anderen Angebote vorliegen: "Aber ich werde natürlich nicht mit dem Fußball aufhören", kündigte er an. Dafür ist er noch zu jung. Er will jetzt alles auf sich zukommen lassen. VfR-Kollege Weber spürte die innere Zerrissenheit seines Gegenübers und nahm ihn anschließend tröstend in den Arm, er sagte: "Heute läufst du mir nicht davon." Tobias Strobl war nicht nur bei seiner Mannschaft beliebt, sondern auch in der Liga als großer Sportsmann bekannt.

© SZ vom 08.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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