SPD in München:Claudia Tausend soll's richten

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Claudia Tausend gilt als wahrscheinlichste Nachfolgerin von Parteichef Hans-Ulrich Pfaffmann. (Foto: Stephan Rumpf)

Münchens SPD braucht eine neue Vorsitzende. Alles läuft auf Claudia Tausend hinaus. Die Bundestagsabgeordnete hat bereits wichtige Unterstützer - und bislang keine Gegenkandidaten.

Von Dominik Hutter

Schon beim Isarinselfest am Wochenende war sie nicht zu überhören: "I Got You, Babe", schmetterte Claudia Tausend ins Mikrofon - im Karaoke-Duett mit Stadtrat Christian Vorländer. Die SPD-Politikerin hat ein Faible fürs Singen, ist Mitglied beim Männerchor Milbertshofen und daher nicht ganz unerfahren, wenn es darum geht, gemeinsame Töne zu suchen. In der Musik wie in der Politik.

Tausend sieht sich als Teamworkerin - und sie gilt derzeit als die wahrscheinlichste Nachfolgerin des im Juli zurückgetretenen Parteichefs Hans-Ulrich Pfaffmann. Nach SZ-Informationen hat sie sich bereits mit mehreren Vorstandsmitgliedern abgestimmt, die die Bewerbung mittragen wollen. Als ihre Stellvertreter sind unter anderem die Landtagsabgeordneten Isabell Zacharias und Florian von Brunn im Gespräch. Die Entscheidung soll auf einem Parteitag im Herbst fallen.

Mehr Profil, mehr Diskussionsfreude

Leicht wird es nicht für Tausend, so sie denn gewählt wird - das ist auch der 50-Jährigen klar. Sie müsste den Vorstandsposten mit ihrem erst vor wenigen Monaten errungenen Bundestagsmandat vereinbaren. Und, was ungleich komplizierter ist, sie muss die Münchner SPD von Grund auf erneuern, damit sich ein Debakel wie bei der jüngsten Stadtratswahl nicht wiederholt. Was die Partei in der Vergangenheit falsch gemacht hat, haben drei Arbeitsgruppen bereits im Frühsommer in einer schonungslosen Analyse zusammengetragen.

Nun gilt es, die Vorschläge umzusetzen. Mehr Profil, mehr Diskussionsfreude und mehr Bürgernähe haben die Teams unter anderem empfohlen, und ein Parteitag im Juli hat die Anregungen denn auch als verbindlich übernommen. Wenn auch nicht in der Fassung, wie sie der damals noch von Pfaffmann geleitete Vorstand zur Abstimmung vorgelegt hat. Sondern auf Initiative der Jusos in einer Langversion, was der Parteichef als Misstrauensvotum auffasste und deshalb seinen Rücktritt erklärte. Ein Kollateralschaden? Es gibt durchaus Stimmen in der SPD, die hinter dem Ablauf des Parteitags eine Art Masterplan wittern, in dem der Sturz des Vorstands zumindest einkalkuliert, möglicherweise aber auch ganz bewusst angestrebt wurde.

Krise nach Parteitag
:Münchner SPD sucht neuen Chef

Vier Monate nach der Kommunalwahl steht die Münchner SPD ohne Vorstand da. Nach dem überraschenden Rücktritt von Hans-Ulrich Pfaffmann kursieren bereits Namen, doch bisher hat sich noch kein Kandidat aus der Deckung gewagt.

Von Dominik Hutter

Seitdem führen Tausend und Zacharias zusammen mit Heide Rieke und Volker Rastätter die Geschäfte. Sie müssen die Wahl des neuen Vorstands vorbereiten, und da wimmelt es noch von ungelösten Fragen. So hat der Bundestagsabgeordnete Florian Post eine Mitgliederbefragung nach dem Muster der Wahl von SPD-Bundeschef Sigmar Gabriel angeregt. Darüber ist bislang nicht entschieden worden. Es gilt zudem, nicht allein den Chefposten zu besetzen, sondern einen schlagkräftigen und konstruktiv eingestellten Münchner Gesamtvorstand zu schaffen, der die Defizite der Partei auch anpackt.

Dazu kommen technische Fragen: Wie sollen sich die Kandidaten bei der Basis bekannt machen? Per Regionalkonferenz oder per Besuch im Ortsverein? Soll es eine Art Anmeldeschluss für Bewerber geben? Bisher hat niemand erklärt, gegen Tausend antreten zu wollen - was den Aufwand für eine Mitgliederbefragung nicht unbedingt rechtfertigen würde. Allerdings ist in der Münchner SPD vor allem der frühere Bundestagskandidat Roland Fischer stets für eine Überraschung gut. Ihm trauen viele Genossen eine Spontankandidatur um das Amt zu, das er bereits 2011 im Duell mit Pfaffmann anstrebte. Erfolglos.

Typus selbstbewusste Frau mit Machtinstinkt

Tausends Chancen gelten als gut - zumal sich die in den vergangenen Monaten oft zerstritten wirkende Partei wieder ein wenig zusammengerauft hat. Die gebürtige Vilsbiburgerin ist als langjährige stellvertretende Vorsitzende der Münchner SPD sowohl in der Partei als auch im Rathaus verankert. Von 1996 bis Ende 2013 war sie Stadträtin, zuletzt als Planungssprecherin und stellvertretende Fraktionschefin. Sie verkörpert den Typus selbstbewusste Frau mit Machtinstinkt. Tausend trat mehrfach für den Bundestag an. Im Herbst 2013, als Kandidatin für den Münchner Osten, schaffte sie über die Landesliste den Sprung nach Berlin. Dort wohnt sie zusammen mit ihrem Kollegen Florian Post in einer Abgeordneten-Zweier-WG.

So beliebt die Diplom-Geografin auch bei vielen Genossen ist, unangefochten ist sie nicht. Am Montag waren aus der Partei heraus durchaus auch Zweifel zu hören, ob sich der Job in Berlin mit dem Vorstandsamt in München verträgt - gerade in einer derart schwierigen Phase. Zudem sieht mancher Sozialdemokrat Tausends Rathaus-Vergangenheit als Bürde. Denn die Stadtratsfraktion kam in der Ursachenforschung für das Wahldebakel ziemlich schlecht davon. Fast so schlecht wie der Vorstand.

© SZ vom 09.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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