Solln:Brunners letzter Anruf auf Tonband dokumentiert

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Der tödliche Überfall auf Dominik Brunner in Solln ist offenbar auf einem Tonband festgehalten. Der genaue Ablauf der Tat könnte sich so rekonstruieren lassen.

Der tödliche Überfall auf Dominik Brunner am S-Bahnhof Solln ist offenbar auf einem Tonband dokumentiert. Dies wurde erst jetzt bekannt, und zwar während des Prozesses um die Entführung von Ursula Herrmann am Ammersee im Jahr 1981. Im Landgericht Augsburg sagte eine Phonetik-Expertin des Landeskriminalamtes (LKA) als Zeugin aus und erwähnte eher beiläufig, dass am 12. September diesen Jahres vom Bahnsteig in Solln aus ein Anruf bei der Polizei eingegangen sei.

Womöglich wurden die letzten Worte Dominik Brunners am Bahnhof Solln von der Polizei aufgezeichnet. (Foto: Foto: ddp)

Dieser Mitschnitt könnte ein wichtiges Beweisstück im Prozess gegen die mutmaßlichen, 17 und 18 Jahre alten Täter Sebastian L. und Markus Sch. sein. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Mord an dem 50-jährigen Brunner vor.

Dagmar Boss, Sachverständige im LKA-Sachgebiet Phonetik, erklärte im Herrmann-Prozess anhand des Sollner Beispiels, wie wichtig das menschliche Gehör sei bei der Analyse von Tonbandaufnahmen. Auf dem Mitschnitt des Anrufs von Solln seien fünf oder sechs Stimmen zu hören, die durcheinander rufen. Das Tonband werde zur Zeit von Fachleuten im Landeskriminalamt ausgewertet. Bisher hatten Polizei und Staatsanwaltschaft nichts von einem solchen Anruf berichtet.

Offen ist noch, ob der Anruf vom Handy Dominik Brunners erfolgte oder ob einer der drei Schüler, die von den Schlägern bedroht worden waren, den Notruf wählte. Die Ermittler schweigen dazu. Aus der Zeugenaussage der LKA-Expertin ging auch nicht eindeutig hervor, ob es sich um einen absichtlichen, zweiten Notruf handelte.

Sollte er vom Handy Brunners stammen, wäre es auch möglich, dass während der Schlägerei die Wahlwiederholungstaste seines Telefons gedrückt wurde. In dem Gerät dürfte die Polizei-Nummer gespeichert gewesen sein.

Wie berichtet, hatte Dominik Brunner an jenem Nachmittag wenige Minuten zuvor vom Zug aus die Polizei verständigt und um Hilfe gebeten, wenn er die S-Bahn zusammen mit den drei bedrohten Schülern in Solln verlässt. Die Polizei erreichte den Tatort aber erst, als Brunner bereits bewusstlos am Boden lag und die Täter sich in einem Gebüsch neben den Gleisen versteckten. Der Manager aus Niederbayern verstarb kurz darauf in einem Krankenhaus.

Womöglich sind auf dem Band die letzten Worte Dominik Brunners zu hören, auch Rufe der Täter oder der Schüler könnten dokumentiert sein. Der genaue Ablauf der Tat lässt sich so wohl exakter rekonstruieren als allein auf der Basis der Zeugenaussagen.

Brunner erlitt 22 sehr schwere Verletzungen. Der Fall sorgte für großes Aufsehen und Entsetzen, weil Brunner sich schützend vor die drei Schüler gestellt hatte, die zuvor von den mutmaßlichen Tätern Sebastian L. und Markus Sch. bedroht worden waren. Dominik Brunner wurde für seine Zivilcourage posthum mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Die LKA-Phonetikerin Dagmar Boss ist seit mehr als zwanzig Jahren in die Ermittlungen im Fall Herrmann eingebunden, und bei diesem spielt ein Tonbandgerät eine wichtige Rolle: Die Ermittler hoffen, mit Hilfe dieses Geräts den Angeklagten überführen zu können. Er soll damit Erpresseranrufe bei der Familie Herrmann getätigt haben.

© SZ vom 22.10.2009/beka, wim, hh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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