Gedenktafeln:"Mehr Transparenz und Zusammenspiel"

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Gedenkort: Die Leonhard-Moll-Wohnblöcke wurden um 1927 gebaut. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Bezirksausschüsse Schwanthalerhöhe und Sendling pochen darauf, selbst entscheiden zu können, wo und aus welchem Grund Gedenk- und Hinweistafeln im Viertel angebracht werden

Von Birgit Lotze und Andrea Schlaier, Schwanthalerhöhe/ Sendling

Wie kleinteilig soll sich die Stadtgesellschaft erinnern dürfen und wer entscheidet darüber, wo entsprechende Hinweistafeln auf ehemalige Akteure oder Sehenswürdigkeiten Münchens aufgestellt werden? Im Rathaus will man das Zepter hierfür in der Hand behalten, einzelne Bezirksausschüsse (BA) wie die Politiker der Schwanthalerhöhe oder in Sendling fordern dagegen ein eigenes Stimmrecht. Eine Vorlage des zuständigen Direktoriums eruiert derzeit das Stimmungsbild in den Stadtteil-Gremien und bietet ihnen zwar ein Anhörungs-, nicht aber ein Entscheidungsrecht an.

Den Stadtteilpolitikern auf der Schwanthalerhöhe ist das zu wenig. Nirgends im Viertel gibt es bislang Hinweise auf Verbrechen des NS-Regimes, obwohl es die auch hier reichlich gab. Da man mit einzelnen Vorstößen in jüngster Vergangenheit bei der Stadt abgeblitzt ist, geht der dortige BA es jetzt fundiert an. Martin W. Rühlemann, Historiker, Mitglied im Kulturladen Westend und Archivar der Stadtteilgeschichte, sollte in der BA-Sitzung aufzeigen, wie tief die Spuren sind, die gerade die NS-Zeit in diesem Viertel hinterlassen hat. "Bislang existiert nichts, dabei gibt es viele Möglichkeiten des Gedenkens", sagte der Referent.

Zum Beispiel die "Moll-Blöcke", das Karree um den Georg-Freundorfer-Platz. "In den Dreißigerjahren gab es allein hier 50 jüdische Bewohner. 17 von ihnen sind deportiert und ermordet worden." Nächste Station: die ehemalige Gummifabrik Metzeler, in den 1880er Jahren gegründet, wo heute der Gewerbehof des Viertels steht. Die Firma beschäftigte während der NS-Zeit als kriegswichtiger Betrieb für Panzer und Wehrmachtsausrüstung Zwangsarbeiter. 1944 waren es knapp 1100. Rühlemann zeigt die Dimension auf: "Damit gehörte Metzeler zu den fünf größten Münchner Unternehmen, die am meisten Zwangsarbeiter beschäftigt hatten." Für einen Teil dieser Menschen diente die Guldeinschule als Lager, später war sie Kriegsgefangenenlager. In der Bergmannschule war die zweite Studentenkompanie stationiert. Die Mitglieder der späteren Widerstandsgruppe "Die Weiße Rose", Hans Scholl, Alexander Schmorell und Willi Graf, leisteten hier ihren Militärdienst ab. Bisher erinnert an diesen einzelnen Stationen kein Wort daran. Daniel Günthör (Grüne), Vorsitzender des BA-Unterausschusses für Bildung und Kultur, signalisierte einerseits Verständnis dafür, dass die Stadt sich nicht verzetteln wolle beim Gedenken und damit die Entscheidungshoheit beanspruche. Günthör: "Aber dafür braucht es mehr Transparenz und Zusammenspiel als in den letzten Jahren." Deshalb lehne man das Papier des Direktoriums ab und fordere fürs eigene Gremium Entscheidungsrechte.

Transparenz und Zusammenspiel vermisst auch das Sendlinger Stadtteilgremium beim Umgang der Stadt mit dem Gedenken in den Vierteln. Hier will man die städtische Einmischung begrenzen - am liebsten auf Null. "Über lokales Gedenken soll ausschließlich an Ort und Stelle entschieden werden", fordert Ernst Dill, der SPD-Fraktionssprecher. Vor rund einem Jahr wurde ein Streit zwischen Stadt und BA - es ging um die Beschilderung am Resi-Huber-Platz - entschieden: Der Stadtrat ließ sich nicht auf eine Aussprache ein und bemühte den Ältestenrat. Gegen dessen Votum waren die Sendlinger machtlos. Die Stadtteilpolitiker nannten das Verfahren undemokratisch und intransparent. Es negiere einen einstimmigen BA-Beschluss.

Die Sendlingerin Resi Huber war im Viertel als überzeugte Kommunistin und Friedensaktivistin unterwegs - das wollte der BA auch gewürdigt wissen. Der Ältestenrat ließ von der gewünschten Inschrift noch übrig: "Resi Huber half Häftlingen im KZ Dachau und riskierte dabei ihr Leben."

© SZ vom 12.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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