Schrebergärten in Sendling:Angst um ein Idyll

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In der fast 100 Jahre alten Kleingartenanlage Südwest 24 fürchtet man um die Zukunft. Zehn Parzellen sollen verschwinden, um dem Bau einer Flüchtlingsunterkunft Platz zu machen

Von Birgit Lotze, Sendling

Der Verwaltung im Münchner Rathaus liegt aktuell der Bauantrag für eine Flüchtlingsunterkunft an der Schäftlarnstraße 124 vor - in einer fast 100 Jahre alten Kleingartenanlage mit dem Namen Südwest 24 (SW 24) zwischen DAV-Kletterzentrum und Flaucher. Es geht um etwa ein Viertel der Anlage - um zehn Parzellen, die ein privater Investor vor einigen Jahren von der Deutschen Bahn gekauft hat. "Das würde die Kleingartenanlage zerstören", sagt die SW-24-Schriftführerin Hannelore Gegenfurtner. Fast alle Pächter seien bereits lange hier, seien in diesen Gärten aufgewachsen und hätten sie später von ihren Eltern übernommen.

Die Wut ist groß - nicht nur über den Investor, sondern auch über die Deutsche Bahn, die ihren Kleingarten vor einigen Jahren verkauft hat. "Da ist etwas nicht sauber gelaufen", vermutet die Schriftführerin. Hätte die Stadt davon gewusst, hätte sie die 2500 Quadratmeter, um die es geht, bestimmt selbst gekauft, glaubt Hannelore Gegenfurtner. Schließlich sei die Anlage wichtig für den Luftaustausch in Sendling und dürfe gar nicht bebaut werden. Der Bezirksausschuss Sendling hat die Stadt bereits aufgefordert, den Bauantrag abzulehnen und Verhandlungen mit dem Ziel aufzunehmen, das ehemalige Bahn-Grundstück zu kaufen oder zu tauschen. Die Kleingärten müssten dauerhaft gesichert werden. Die CSU, Initiator des Dringlichkeitsantrages, kündigte durch Fraktionssprecher Michael Kaiser "erbitterten Widerstand" gegen eine Bebauung an. Die SPD sprach ihrerseits von "massivem" Widerstand; "während meiner Amtszeit wird keine Kleingartenanlage zerstört", versprach der Vorsitzende Markus Lutz (SPD). Man sei sich mit der CSU einig: "Wir wollen keine Grünfläche aufgeben."

Der Bezirksausschuss hatte schon einmal mit dem Antragsteller zu tun. Der Grundstückseigentümer habe vor vier Jahren versucht, die Kleingärten für Wohnungsbau zu opfern, so Lutz. Die Lokalbaukommission hatte die Bauvoranfrage damals abgelehnt. Es sei davon auszugehen, dass nach einer Bewilligung des Antrages wohl kaum eine Flüchtlingsunterkunft entstehe, sagte Lutz. Der Eigentümer setze, so vermutete man im Ausschuss, die Flüchtlingsunterkunft "als Hebel" an, um die Kleingärtner zu vertreiben. Für Flüchtlingsunterkünfte gelten derzeit erleichterte Bedingungen für Baugenehmigungen.

CSU-Sprecher Michael Kaiser betonte, dass Kleingärten grundsätzlich wichtig und sehr beliebt seien bei den Münchnern. Interessenten für diese Form der quartiersnahen Erholung müssten oft Jahre warten. Zudem sind die Kleingärten ein wichtiger Beitrag zur Verkehrsvermeidung und zum Umweltschutz. Südwest 24 ist im aktuellen Flächennutzungsplan explizit als Kleingartenanlage und darüber hinaus als Bestandteil eines überregionalen Grünzuges ausgewiesen. Für die Wohnquartiere im Süden und Norden der Anlage gilt, dass dort sogar Maßnahmen zur Verbesserung der Grünausstattung notwendig seien - teils vordringlich.

Laut Michael Kaiser gibt es keinen Grund, durch eine Flüchtlingsunterkunft an der Schäftlarnstraße 124 eine ökologisch und sozial für die Münchner Innenstadt wichtige Kleingartenanlage zu zerstören; in München mangele es aktuell wegen der stark rückläufigen Flüchtlingszahlen nicht an Unterkünften. Bereits gebaute Unterkünfte würden nicht mehr benötigt, geplante nicht mehr gebaut. Das betreffe auch Sendling selbst. Kaiser verwies auf die Unterkünfte an der Meindlstraße, die immer noch nicht belegt sind.

Hier werde etwas zerstört, was seit Generationen aufgebaut worden ist, sagt die älteste Gartenpächterin, Regina Semler. Sie sitzt vor ihrem Häuschen, ist bereits 91 Jahre alt, hat vor 58 Jahren den Garten von ihren Eltern übernommen. Sie selbst sei von einem eventuellen Abriss zwar nicht unmittelbar betroffen, aber ihr Garten würde durch einen direkt angrenzenden Neubau komplett verschattet - "und da wächst nichts". In den Gärten herrsche eine "ausgesprochen nette Nachbarschaft", erzählt sie, man helfe sich, tausche Pflanzen, Obst oder Gemüse und besuche sich gegenseitig. Und: So ein Garten halte jung, sagt Hannelore Gegenfurtner. Da gehe es um Bewegung und frische Luft: "Man muss halt einfach jeden Tag nachschauen, ob die Gurke nun wächst oder nicht."

© SZ vom 31.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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