Schau:Display-Zombies

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Zu den künstlerischen Vorbildern von Benka gehört unverkennbar Jean-Michel Basquiat. In Lille und Nizza studierte er Psychologie, schon damals hat er sich mit Computer- und Smartphonesucht beschäftigt. (Foto: Claus Schunk)

Die Generation Facebook, die das Web 2.0 für das reale Leben hält, ist Thema in den Bildern des Pasinger Künstlers Taymour Benkhalef alias Benka. Der studierte Psychologe stellt zurzeit bei Galliani in Neubiberg aus

Von Franziska Gerlach

Bei Taymour Benkhalef alias Benka hat Facebook Zähne. Keine strahlend weißen Perlen hat der 33 Jahre alte Künstler dem in der Typografie des US-amerikanischen Medienkonzerns gehaltenen "F" verpasst, sondern die Beißer eines Vampirs. Nicht gerade sympathisch. Da infiziert man sich schnell - mit Benkas Groll auf die sozialen Medien und Smartphones, weil die den Zugang zu Facebook & Co ja überhaupt erst möglich machen.

Eigentlich ist Benka, der mit seiner Familie in Pasing lebt, Psychotherapeut. Lange Zeit war die Malerei nur Nebensache, Ende 2015 drehte er die Verhältnisse aber um. In der Kunst sieht er sich als eine Art Aufklärungskämpfer gegen den unreflektierten Mediengebrauch, er will warnen und aufrütteln. Das geht natürlich nur, wenn möglichst viele Leute seine Arbeiten sehen: Bis Ende des Jahres wird er noch vier Mal ausstellen, in München bei der ArtMuc und in einer Gruppenausstellung in den Kunstarkaden an der Sparkassenstraße, auf der Kunstmesse in Leipzig und in einer Berliner Galerie. In diesen Tagen zeigt die Galerie Galliani in Neubiberg im südöstlichen Landkreis München noch bis zum 28. Juli Benkas Arbeiten. "Human Robot" lautet der Titel der Schau, die insgesamt 24 seiner Bilder vereint.

Der erste Eindruck: Da setzt jemand auf die Kraft der Farbe. Als Spray, Ölkreide oder Acryl auf die Leinwand gebracht, verdichten sich Neongrün, Orange oder Pink bei dem Pasinger Künstler zu einer schallenden Ohrfeige für eine Gesellschaft, in der alle dauernd online sind und ewig gestresst. Ein zweiter: Benka ist ganz offenbar ein gutes Beispiel dafür, dass Autodidakten zuweilen mit mehr Experimentierfreude auffallen als die Absolventen arrivierter Kunsthochschulen. Eine solche hat er nämlich nie besucht, auch wenn er sich schon früh künstlerisch betätigte: Seit Benkhalefer vier Jahr alt war, spielt er Schlagzeug. Mit einer französischen Death Metal Band hat er sogar zwei Alben aufgenommen. Man würde sich gerne Fotos von Benka am Schlagzeug bei Facebook ansehen. Aber natürlich hat er dort gar kein Profil. Auch ein Smartphone besitzt er nicht, mais non, zum Beweis friemelt er ein uraltes Nokia-Modell aus der Hosentasche. "Ein anderes habe ich nie gehabt", sagt er und wiegt das Handy zärtlich in der Hand.

Charmanter Zungenschlag, die Haare zum Dutt aufgezwirbelt, sein Gegenüber duzt er lieber. Benka ist auch einer, der genau hinschaut: Zum Beispiel wenn er die "Zombies" in der Münchner U-Bahn beobachtet, die des Morgens wie ferngesteuert übers Display wischen. In manchen Bildern begegnet man diesen Kreaturen, mit einigen flüchtigen Pinselstrichen hat Benka die einfältigen Visagen mit den leeren Augen erschaffen. Er bejaht das Infantile in der Malerei - "die direkten Nachrichten", zu denen Kinder fähig seien - da passt es natürlich gut zum Selbstverständnis, dass er seine ersten Malversuche als kleiner Junge auf den Teppichen und Wänden seines Elternhauses unternommen hat. "Das war Rock'n'Roll bei uns", erzählt er. Kritzeleien? Damit kann man ihn nicht beleidigen. Denn habe nicht auch Picasso betont, wie schwer es sei, zu malen wie ein Kind? Immer wieder kommt er auf Jean-Michel Basquiat zu sprechen, den US-amerikanischen Künstler, der mit 27 Jahren an einer Überdosis starb. Ihn verehrt er wegen seiner Fähigkeit, "einfach und echt" zu malen. Nun aber will er sich von seinem Idol distanzieren. Gerade arbeite er an "einem reiferen Stil", ein Werk von 2017 zeigt bereits deutlich eine Hinwendung zum Abstrakten. Meistens regiert jedoch das Prinzip der naiven Unbefangenheit, zuweilen baut Benka Fantasiefiguren wie quietschgrüne Drachen ein. Oder ein Auto, mehr Trabbi als SUV, wird zum Sinnbild des geschäftigen Kräftemessens zwischen Nähe und Distanz, in das ja auch der moderne Mensch gerät, wenn er Freundschaft sucht im Netz, oder gar Liebe. Dann wiederum scheint Benka eine geradezu hintersinnige Lust am Dekonstruieren der virtuellen Welt zu überkommen. Ein Smartphone hat er mit spitzen Öhrchen ausgestattet, ein "Batphone" ist es jetzt.

Da scheint in jedem Fall ein leidenschaftlicher Charakter am Werk zu sein, einer, der bei gewissen Themen so leicht aufzubringen ist wie der Wind der Provence. Doch hinter seinem agilen Zorn verbirgt sich viel Sinn fürs Subtile, und vielleicht verhält es sich bei Benka so wie bei seinen Bildern, bei denen er die ursprüngliche Botschaft - eine Zeichnung oder einen Text - schon mal mit mehreren Schichten Farbe überdeckt: Man muss zunächst ein wenig an der Oberfläche kratzen, um etwas mehr zu erfahren über den Künstler: 1983 kommt er als Sohn einer Französin und eines algerischen Diplomaten in Abu Dhabi zur Welt, die Familie kommt viel herum: London, Sierra Leone, Kamerun, Frankreich und schließlich Wien, wo er sein Abitur an einer französischen Schule macht, in Lille und Nizza studiert er Psychologie, schon damals beschäftigt er sich mit Computer- und Smartphonesucht. Dann vor zwei Jahren der Umzug nach München, er will dort als Psychologe arbeiten. Doch in Deutschland wird seine Therapeutenausbildung nicht anerkannt. Also kehrt er zur Kunst zurück. Benka weiß demnach, was Frust bedeutet, wie es sich anfühlt.

Überhaupt: Mangel. Diesen zu ertragen fällt in Zeiten, da sich Wünsche mutmaßlich mit ein paar Mausklicks realisieren lassen, bekanntermaßen schwer. Doch erst wenn etwas fehle, sagt Benka, werde klar, was man wirklich benötige. Und während er mit Feuer in den Augen über die Isolation redet, in welche die Kontaktsuchen in den sozialen Medien einen treiben können, beginnt es plötzlich zu rumoren in der Tasche. Man ist versucht, kurz nachzusehen, was sich auf dem eigenen Smartphone gerade so tut, doch unterdrückt den Impuls. Lässt sich lieber noch ein wenig treiben durch den Bilderkosmos des Künstlers. Die Droge Benka hat längst angeschlagen.

"Human Robot" von Benka, bis zum 28. Juli in der Galerie Galliani, Neubiberg, Hauptstraße 55.

© SZ vom 30.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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