S-Bahn-Ausfälle wegen Personalmangel:Lokführer dringend gesucht

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Probleme mit den Weichen? Stellwerkstörung? Nein, die derzeitigen Ausfälle bei der S-Bahn haben keine technischen Gründe. Der Bahn gehen schlicht die Lokführer aus. Sie haben reihenweise gekündigt, aktuell kommt noch eine Krankheitswelle hinzu. München ist davon besonders betroffen.

Katja Riedel

Wer kleine Buben fragt, was sie einmal werden wollen, wenn sie groß sind, hört immer noch häufig die Antwort "Lokomotivführer". Doch die großen Buben wollen offenbar nicht mehr so gern ihren kindlichen Traumberuf ergreifen. Lokomotivführer sind deutschlandweit gesucht, und auch der Münchner S-Bahn gehen jetzt die Fahrer aus.

Die S-Bahn soll mehr Lokführer erhalten: Derzeit sind 20 Lokführer in Ausbildung und damit acht mehr als sonst. (Foto: Stephan Rumpf)

Gleich mehrere Verstärkerlinien, die die vielen Berufspendler sonst in zusätzlichen Zügen ans Ziel fahren, sind am Mittwochmorgen ausgefallen. Nicht etwa, weil es wie so häufig Probleme in einem Stellwerk oder mit maroden Triebwagen gibt, sondern weil die S-Bahn vor einem immensen Personalproblem steht. Das hat viele Gründe - vor allem solche, die mit langfristiger Personalplanung zu tun haben.

In den neunziger Jahren kamen viele Lokführer aus dem Osten und aus dem Norden Deutschlands nach München, weil es in ihrer Heimat keine Arbeit gab. Doch jetzt mangelt es in ganz Deutschland an Lokführern, weil der wirtschaftliche Aufschwung bewirkt hat, dass mehr Güter auf der Schiene transportiert werden als früher. Und die ehemals nach München Zugereisten haben das genutzt, um wieder zurück in ihre alte Heimat zu ziehen. Gerade in den vergangenen Monaten habe es eine größere Kündigungswelle gegeben, sagt ein Bahnsprecher.

Dass die Zugführer aus München wegzögen, liege sicher auch an den hohen Lebenshaltungskosten in der Stadt und dem Umland, glaubt er. Für den Fahrgastverband Pro Bahn handelt es sich um kein spezifisches Münchner Problem: "Da hat eine ganze Branche geschlafen. Diese Entwicklung hat sich doch länger abgezeichnet", sagt Verbandssprecher Andreas Frank. Lokführer könnten sich gerade aussuchen, wer ihnen die besten Arbeitsbedingungen biete, und das sei vor allem der Güterverkehr, der besser zahle und die besseren Arbeitszeiten biete.

Dass in München am Mittwochmorgen die Verstärkerzüge der S 2, S 3 und S 8 ausfallen mussten, war zusätzlich zum Strukturproblem auch Folge eines aktuell hohen Krankenstandes. Nicht nur Infektionswellen dezimieren gerade die Zahl der Lokführer, sondern auch eine traurige Zahl: 37 Suizide hat es vergangenes Jahr im S-Bahn-Bereich München gegeben. Die dadurch traumatisierten Fahrer fallen über Monate aus. Gerade in den vergangenen Monaten hätten sich solche Fälle gehäuft, sagt der S-Bahn-Sprecher.

Man habe bereits Kollegen aus der Verwaltung, die Fahrlizenzen besitzen, als Aushilfen abgestellt. Die S-Bahn will das Problem nun nachhaltig angehen. Sie will mehr fertige Lokführer einstellen und mehr Lokführer ausbilden. Die dreieinhalbjährige Lehre zum Eisenbahner im Betriebsdienst absolvieren derzeit 20 statt zuvor zwölf Azubis. Seit Oktober werden zudem 15 Personen innerhalb einer achtmonatigen Funktionsausbildung zu Lokführern weitergebildet. Mittel- bis langfristig erhofft sich die S-Bahn, so wieder etwas besser besetzt zu sein und Engpässe abfedern zu können.

Bis dahin dürfte sie allerdings immer wieder über ihre sogenannten Streckenagenten von ausfallenden "Verstärkerzügen" berichten - bis sie selbst Verstärkung bekommt.

© SZ vom 29.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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