Rückblick:Nach uns die Sintflut

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Drei Jahre ist das letzte Hochwasser am Hachinger Bach her. Seither wurde viel über einen besseren Schutz der Anliegergemeinden geredet. Doch getan hat sich fast nichts, ein Grundwasser-Gutachten steht immer noch aus

Von D. Bode, H. Grundner,I. Hilberth und M. Morosow

Die Wetterlage bleibt unverändert: Regenschauer und Gewitter meldet der Deutsche Wetterdienst für die kommenden Tage auch für München und den Landkreis. Was das für die Gemeinden entlang von Gewässern wie Hachinger Bach, Seebach und Mühlbach bedeutet, bleibt abzuwarten. Die Hochwasserkatastrophe in Niederbayern hat jedenfalls die Region aufgeschreckt. "Was ist, wenn ein solches Unwetter über dem Hachinger Tal niedergeht?", fragt sich etwa Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) und stellt fest: "Die Auswirkungen haben wir bislang nicht bedacht." Zwar liegt zwischen Oberhaching und der Münchner Stadtgrenze ein Tal und ist der Kiesboden sehr durchlässig; "solche Wassermassen sind aber unvorstellbar", sagt Schelle. Oberhachings Rathauschef fordert daher, solche Ereignisse in die Berechnungen für den Hochwasserschutz entlang des Hachinger Bachs aufzunehmen.

Das Bewusstsein, dass es jederzeit zu einer Katastrophe kommen könnte, ist also vorhanden. Nicht nur in Oberhaching, sondern auch in Taufkirchen, Unterhaching, Neubiberg und in der Stadt München bemühen sich Politiker um ein gemeinsames Hochwassermanagement für den Hachinger Bach. Allerdings erweisen sich die Verhandlungen wegen der sehr unterschiedlichen Interessen bisher als schwierig. Zuletzt drohte sogar ein Scheitern, nachdem Oberhaching angekündigt hatte, aus der Runde auszusteigen. Es bedurfte eines Krisengesprächs, zu dem Münchens Bürgermeister Josef Schmid (CSU) seine Amtskollegen aus dem Landkreis einlud, um diesen Schritt vorerst zu verhindern.

Damit bleibt die Allianz der Hochwasserschützer immerhin formal bestehen. Wenngleich es kaum Konkretes gibt, wie sich die Kommunen auf die nächste "Sintflut" vorbereiten wollen. Auf eines haben sich Stadt und Land immerhin verständigt: Es soll ein Gutachten in Auftrag gegeben werden. Federführend dabei soll das Münchner Referat für Gesundheit und Umwelt sein. Doch diese Einigung ist fast eineinhalb Jahre her. Fragt man heute nach, wie es darum bestellt ist, muss man konstatieren: Es hat sich wenig getan. Nach Auskunft von Referatssprecher Alois Maderspacher wird die Auftragsvergabe für eine Grundwasser-Expertise gerade erst vorbereitet. Maderspacher rechnet damit, dass sie dem Stadtrat in Form einer Beschlussvorlage im Herbst zur Abstimmung vorgelegt wird. Ein Gutachten wird somit frühestens 2017 vorliegen.

Dabei müsste gerade die Münchner Rathausspitze aufs Tempo drücken. Denn alle Bemühungen um Hochwasserschutz auf städtischer Flur bleiben ohne Mitwirkung der Nachbargemeinden im Süden unvollständig. Niederschlag, der am Oberlauf des Hachinger Baches nicht zurückgehalten wird, schwappt nach Perlach hinein. So wurde im Rahmen einer früheren Untersuchung das Szenario eines sogenannten Jahrhunderthochwassers durchgespielt. Dabei kam das Münchner Wasserwirtschaftsamt zum Schluss, dass große Gebiete zwischen der Stadtgrenze zu Neubiberg im Süden und der S-Bahn-Station Perlach im Norden überschwemmt würden.

Neubibergs Bauamtsleiter Christian Einzmann bleibt dennoch zuversichtlich: "Wir gehen weiter davon aus, dass die Kommunen im Oberlauf des Hachinger Bachs von Oberhaching bis München weiter daran interessiert sind, das Thema interkommunal zu lösen." Er ist überzeugt, dass es die beste Lösung ist, wenn alle an einem Strang ziehen, weil dann nicht ein Ort "dramatische Eingriffe in die Landschaft vornehmen muss, sondern alle ein bisschen". Dass sich die Verhandlungen nun länger hinziehen, zumal die wichtige Studie seit Anfang 2015 vorliegt, findet Einzmann zwar "nicht schön", wie er sagt. "Wir sind aber gerne bereit, auf die Ergebnisse der Stadt zu warten. Es wurde so viel Vorarbeit geleistet mit der großen Hochwasserstudie. Da wäre es jammerschade, wenn sich nicht alle beteiligen."

Taufkirchens Bürgermeister bleibt entspannt. "Es muss untersucht werden, inwieweit der Hochwasserschutz Auswirkungen auf das Grundwasser hat", sagt Ullrich Sander (parteifrei). Überschwemmungen habe es in Taufkirchen ja noch keine gegeben. Pragmatisch äußert sich Unterhachings Rathaussprecher Simon Hötzl: "Wenn es so ist, dann ist es so", sagt er zur zögerlichen Haltung Münchens bei der Vergabe einer Expertise. Hötzl erinnert aber daran, dass die Stadt selbst den Wunsch geäußert habe, die Federführung bei der Grundwasser-Studie zu übernehmen.

Bis die interkommunale Zusammenarbeit in den Bau greifbarer Schutzprojekte mündet, hofft man in Unterhaching, dass der Hachinger Bach nicht abermals Rekordmarken erreicht wie vor drei Jahren, als vor allem entlang der Hauptstraße viele Keller geflutet wurden. Damit der Bach nicht den ganzen alten Ortskern unter Wasser setzt, hat die Feuerwehr die Möglichkeit, auf Höhe der Gaststätte zur Post eine Abzweigung im Bachbett einzurichten, sodass das Wasser in Richtung Friedensplatz versickern kann.

Wenn es den Gemeinden im Süden nass reingeht, dann hofft man auch in Unterbiberg, dass das Überlaufbecken in Unterhaching das Schlimmste verhindert. "Vor drei Jahren war es kurz vor knapp, nur wenige Zentimeter haben gefehlt", erinnert sich Feuerwehrkommandant Andreas Baumann. Wenn der Bach in Höhe Unterbiberg über die Ufer tritt, ist die Vivamus-Siedlung betroffen. Die Wohnanlage liegt nur einen Steinwurf vom Bach entfernt. Weitere "Überläufe" sind deshalb geplant.

Gegen eine Sintflut wie in Niederbayern, wo innerhalb von 36 Stunden rund 150 Liter Regen pro Quadratmeter fielen, kommt man aber kaum an. "So bitter das klingt, da kann man wenig machen, wenn es so schnell geht", sagt Marion Duschl vom Bayerischen Wasserwirtschaftsamt. Ein Kanal, der solche Wassermassen auffangen könnte, wäre viel zu groß. Auch sei es schwierig, in städtischen Bereichen Gewässer zu renaturieren. "Beim Hachinger Bach geht das nicht."

© SZ vom 04.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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